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„James, ich hoffe, du hast dich gut erholt" Gordon lächelte mich an, als ich den Raum betrat, zu dem ich geführt worden war, nachdem ich darum gebeten hatte, mit ihm sprechen zu können.

Es hatte sich herausgestellt, dass ich wirklich kein Gefangener war. Ich konnte gehen wohin ich wollte, doch meistens blieb ich einfach in meinem Zimmer. Kira, Eddis Freundin, kam täglich zu mir, wir unterhielten uns und lernten uns besser kennen. Sie erzählte so lebhaft von meinem kleinen Bruder, dass es mir beinahe so vorkam, als würde ich ihn wirklich kennen. Ich träumte sogar von ihm.

Trotz der guten Gesellschaft hatte ich viel Zeit zum Nachdenken gehabt und diese auch genutzt. Ich hatte Fragen und ich war bereit, die Antworten zu erhalten... dachte ich.

„Ich denke, den Umständen entsprechen eigentlich ganz gut, ja", antwortete ich.

Gordon sah damit zufrieden aus und deutete auf ein Sofa ziemlich in der Mitte des Raumes. Ich setzte mich und wartete, bis er zu mir kam. In der Zeit sah mich mir meine Umgebung genauer an. Hier standen ausschließlich Bücher, Bücher und noch mehr Bücher. Gordon war wohl eine kleine Leseratte.

„Was liegt dir auf dem Herzen, James?"

Ich lachte leicht. Diese Frage war so absurd, auch wenn es nicht böse gemeint war. „Wo soll ich nur anfangen?"

Gordon zuckte mit den Schultern, sah mich abwartend an. Er vermittelte mir eine ungeheure Ruhe, ein Gefühl von Sicherheit, das ich nun unbedingt brauchte.

„Wie hast du das gemacht? Also wie konnten wir in meine Erinnerungen sehen?"

„Oh oh", lachte Gordon. „Du reißt den Baum gleich an der Wurzel aus... Kann man natürlich auch machen" Er wirkte belustigt, aber auch ein wenig stolz.

„Was weißt du denn über die Städte, ihre Entstehung und besonders diesen Wald?", hakte Gordon nach und schaute mich neugierig an.

Mein erster Reflex war es, nichts zu sagen, aber ich hatte da etwas im Gefühl. „Der Wald ist gefährlich. Man wird verrückt, wenn man zu lange drinbleibt. Die Städte wurden errichtet, damit man davor sicher ist..."

Gordon seufzte. „Das ist genau das, was euch erzählt wird in den Städten, damit ihr dort bleibt... Okay, wir fangen am Anfang an." Gordon stand auf, lief ein paar man an einem Regal vorbei und kam schließlich mit einem Buch zurück.

„Erzählst du mir jetzt ein Märchen?", schmunzelte ich.

„Nein, ich erzähle dir die Wahrheit. Das dürfte etwas ganz Neues für dich sein" Er lächelte mich versöhnlich an, doch das Mitleid in seinem Blick konnte er nicht verstecken.

„Es geht seit langer Zeit mit unserem Planeten aufs Ende zu, James. Daher beschlossen die Menschen vor hunderten von Jahren, dass nur die besten von ihnen es verdient hatten, zu überleben und für Nachkommen zu sorgen."

„Wer kommt denn auf so eine Idee, Leben gegeneinander aufzuwiegen?", fragte ich abfällig. Ich war nun schon nicht sehr begeistert von den Gedanken der Leute damals, doch es kam noch viel besser. Gordon beachtete meine Frage nicht wirklich, sondern blätterte eine Seite in dem Buch auf, die er mir dann zeigte. Es war eine Kampfszene in einem Wald darauf abgebildet.

„Es wurden Städte errichtet, die komplett abgeschottet von der Außenwelt waren. Nur noch diese wurden versorgt mit Nahrungsmitteln, hatten eine Infrastruktur...: Kurz gesagt, nur dort konnte man überleben. Um einer derjenigen zu sein, die dort leben durften, musste man kämpfen. Männer mussten sich an den Mauern bekriegen, um die Stärksten zu finden, bei Frauen wurde nach den Intelligentesten gesucht und bei den Kindern nach den Gehorsamsten. Danach wurde selektiert, wer in die Städte durfte. Alle anderen wurden zum Sterben zurückgelassen. Es entwickelte sich eine Zivilisation in den Städten, außerhalb davon starben die Leute oder brachten sich gegenseitig um. Es kamen aber immer mehr, denn sobald man nicht mehr in die Gesellschaft passte, man andere Ansichten hatte oder einfach anders war, wurde man ebenfalls verbannt und zum Sterben ausgesetzt. In diesem Wald hier aber, wo wir uns befinden, änderte sich etwas ganz gewaltig. Es war ein Mann verbannt worden, dessen Vorschlag es gewesen war, es der Welt mit Kraft von Magie einfacher zu machen, seine Bewohner zu beherbergen und zwar gleichwertig. Er wurde als verrückt erklärt und verbannt. Es machte ihm nichts. Er zog sich im Wald zurück, fand eine alte Hütte und begann zu schreiben. Sein Gedächtnis war bemerkenswert gewesen. Alles, was er sich jemals zur Magie durchlesen hatte, konnte er 1:1 wiedergeben. Er stellte Forschungen an und wollte schließlich den Gott der Magie beschwören, um seinen Plan alleine zu vollbringen. Leider hatte das nicht so funktioniert wie geplant. Statt ihn zu beschwören, hat er ihn quasi absorbiert und da er nur ein einziger Mensch war, mit der Macht eines Gottes in sich, ging die gesamte Macht auf alles Leben um ihn herum über..."

„Den Wald", murmelte ich gebannt.

Gordon nickte, schien erleichtert davon zu sein, wie gebannt und aufmerksam ich ihm lauschte und, dass ich die kognitiven Fähigkeiten besaß zu verknüpfen, was er mir erklärte.

„Woher weiß man, was mit ihm passiert ist?", fragte ich wissbegierig.

„Nachdem die Magie auf den Wald übergegangen ist, hat er sich daran gemacht, das Geschehen zu notieren. Leider sind seine Mitschriften ab diesem Moment ziemlich rätselhaft. Teilweise sind sie unvollständig, teilweise auf einer nicht existierenden Sprache... Er ist verrückt geworden und er hat sich umgebracht."

Fassungslos schaute ich Gordon an. „Wieso?"

„Er hatte für kurze Zeit die geballte Macht eines Gottes in sich. Das ist zu viel für einen normalen Menschen, James"

Ich nickte verstehend, da das durchaus Sinn für mich machte. „Dann hast du also mit Magie in meine Erinnerungen sehen können?"

„Stark vereinfacht: ja" Gordon schmunzelte, als er die ratternden Räder in meinem Kopf bemerkte. Bevor ich aber dazu kam, eine weitere Frage zu stellen, beendete er unser Gespräch, da er es auf einen späteren Zeitpunkt verschieben wollte.

Ich bedankte mich bei ihm, verabschiedete mich und ging wieder zurück in mein Zimmer. Kira wartete bereits mit dem Essen auf mich und empfing mich lächelnd. Ich konnte mich noch etwas mit ich rüber das Thema Magie unterhalten, jedoch weigerte sie sich, mir richtige antworten zu geben und meinte, dazu sei sie nicht befugt. Ich wollte sie zu nichts drängen, also ließ ich es auf sich beruhen. Vorerst.

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