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Ich merkte kaum, wie die Zeit verging, als ich so auf diesem Bett saß, apathisch in eine Richtung starrte und von Flashbacks an meine Folterungen geplagt wurde.

Irgendwann klopfte es und das wütende Mädchen, welches ich insgeheim so getauft hatte, kam herein. Sie trug ein Tablett mit sich und stellte es auf meinem Schoß ab. „Du musst hungrig sein", merkte sie dabei an.

Erst jetzt, wo ich das Essen sah, merkte ich, dass sie richtig lag. Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals etwas gegessen zu haben. Vielleicht war ich deshalb so dünn.

„Danke", meinte ich, griff nach dem Löffel und pulte damit in der Suppe herum.

„Darf ich dich was fragen?" Das Mädchen hatte sich nicht bewegt, stellte mir diese Frage schüchtern. Seltsam, sie wirkte gar nicht mehr so wütend.

„Klar" Ich schaute sie abwartend an.

„Erinnerst du dich an Eddi?" Zuversichtlich, nein eher hoffnungsvoll, schaute sie mich an. Es kam mir so vor, als brachte sie seinen Namen kaum über die Lippen.

Nun wartete sie auf eine Antwort. Eine bestimmte, die ich ihr aber leider nicht geben konnte ohne lügen zu müssen.

Ich schüttelte den Kopf. „Sollte ich?"

Sie schluchzte kurz, biss sich dann aber auf die Lippe und atmete tief durch. „Er war... Er ist dein Bruder"

Ich schaute sie weiterhin fragend an. Sie schüttelte den Kopf, nicht wirklich in der Lage zu sprechen, atmete nochmal tief durch und sprach dann mit zitternder Stimme weiter. „Ich bin seine Freundin... Wir wollten eigentlich ihn befreien, haben aber stattdessen dich erwischt" Sie lachte leicht, es klang bitter.

„Tut mir leid", murmelte ich.

„Nein, das... du musst dich nicht schuldig fühlen deswegen" Sie legte ihre Hand auf meine und schaute mich dabei ehrlich an. „Du hast genug durchmachen müssen, nur weil keiner außer Eddi daran geglaubt hat, dass du noch am Leben bist..." Sie sah weg, als würde sie sich schämen und verlor dabei ein paar Tränen.

„Erzählst du mir von ihm?", fragte ich kleinlaut.

Langsam hob sie den Kopf, schniefte und wischte sich die Tränen weg. Sie musterte mich, so als wolle sie feststellen, ob ich das wirklich wollte. Schließlich nickte sie und begann zu erzählen.

„Wir haben uns kennengelernt als wir 13 waren, deine Mutter und Eddi kamen neu an und Eddi redete von nichts anderem, als dass er zurück in die Stadt gehen und die Mauer einreißen würde, um dich zu befreien. Ich fand ihn lustig... und mutig, aber er meinte das todernst, obwohl ihn keiner Ernst nahm. Alle taten es immer als die Spinnereien eines Kindes ab. Aber er wurde älter, er trainierte immer härter und als er schließlich beschloss, aufzubrechen und ihn keiner begleiten wollte, haute er ab. Ich dachte, er würde schon wiederkommen, aber mittlerweile sind es zwei Jahre... Ich vermisse ihn, weißt du?"

Sie erwartete nicht wirklich eine Antwort darauf, ich denke, es reichte ihr, dass ich einfach nur zuhörte.

„Er war zwar ein Spinner, aber eben das beweist doch, was er für die Leute tun würde, die ihm an Herzen liegen. Er ist hartnäckig, manchmal auch nervig, aber vor allem ist er einer der wenigen Menschen, in deren Nähe man nur sein muss und es geht einem nachhaltig gut. Er hat es nicht verdient, dass man einfach so tut, als sei er nie hier gewesen. Ich spüre, dass er noch am Leben ist. Dass er Hilfe braucht. Und ich werde nicht aufgeben, bis er diese bekommen hat."

Ich war fasziniert von diesem Mädchen. Sie war nicht das wütende, frustrierte, mental instabile Mädchen, das ich im ersten Moment in ihr gesehen hatte. Sie war entschlossen, aber auch sehr traurig. Ihre Schuldgefühle waren das, was sie so sauer machte.

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