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Walter drückte die Spitze der Klinge an Carters Hals und sah mich dabei grinsend an. Ich wusste, was das sollte. Es war ein Test. Ein Test, ob ich wirklich auf seiner Seite war. Ob ich ihm gehorchte. Ob ich genauso ein kaltblütiger Psychopath war wie er. Und ich fiel durch.
„Stopp!", brüllte ich panisch, als Walter langsam in Carters Hals schnitt. Er blutete bereits, doch noch schien es nicht lebensgefährlich zu sein.
„Was ist los, mein Junge?", fragte Walter und kam wieder hinter Carter hervor. Noch immer hielt er die Klinge in der Hand, doch diesmal war seine Körperhaltung anders.
„Mir wird schlecht, wenn ich Blut sehe", wagte ich einen Versuch.
„Ach wirklich?" Walter glaubte mir kein Wort. Er wusste, dass ich ihn belog, doch warum spielte er mein Spiel noch immer mit? Wusste er etwas, das ich nicht wusste? Im Moment war die Situation 1 gegen 1. Er gegen mich. Und er trug im Gegensatz zu mir Magie in sich. Entweder spielte er also mit mir, weil es ihm Spaß machte, oder er hatte Angst, dass ich noch einen Trumpf hatte.
Ich nickte bloß, während es in meinem Kopf ratterte. Was konnte ich tun?
Diese Frage erledigte sich von selbst, als die schweren Metalltüren zu diesem Raum geöffnet wurden und sechs Soldaten reinkamen, die schwer damit beschäftigt waren, Tony zu bändigen. Jedoch wusste ich, dass er bisher noch keine seiner Kräfte angewandt hatte. Sie warfen ihn zwischen Walter und mir auf den Boden, doch Tony richtete sich sofort soweit auf, dass er zumindest vor Walter kniete. Mir war klar, wie sehr er es hassen musste, ihm so untergeben zu sein, daher rechnete ich es ihm hoch an, dass er in seiner Rolle blieb.
„Wir haben ihn gefunden, wie er versucht hat, in den Palast einzudringen...", erklärte einer der Soldaten Walter. Dieser sah runter auf Tony und musterte ihn genau. Er kniete sich zu ihm und riss seinen Arm zu sich, sodass er ihn sich ansehen konnte.
Innerlich fluchte ich auf. Tony war sich so sicher gewesen, Walter würde ihn nicht erkennen. Ich hatte das auch geglaubt, da er sich optisch bis auf die Augen wirklich extrem verändert hatte. Doch seine Narben waren geblieben.
„Anton!", stellte Walter schließlich fest und begann zu lachen, als er wieder aufstand. Er sah mich an. „Ihr zwei..." Er wirkte belustigt und schüttelte dabei den Kopf, ehe er runter zu Tony sah. „Du bist wie ein lästiges Insekt. Immer wieder kommst du zurück", zischte er dabei, holte aus und knallte Tony eine. Es war schwer für ihn, dies zu ertragen und dabei auch noch seine Kraft zu unterdrücken, sodass er die Verletzung voll abbekam.
Tony sah hoch Walter. „Wie wär's wenn du mich losmachst und wir klären das auf Augenhöhe?", schlug er vor, klang dabei herausfordernd. Somit wich er zwar vom Plan ab, aber der hatte sich ohnehin in Luft aufgelöst.
Walter lachte darüber. „Bist du etwa mutig geworden?" Er machte sich über ihn lustig.
„Nein, aber schlauer", behauptete Tony. Ich hörte deutlich die Provokation aus seiner Stimme heraus. „Ich habe begriffen, dass du all das nur tust, weil du schwach bist. Weil du Angst hast. Du hättest keine Chance gegen mich, deshalb lässt du mich hier gefesselt vor dir knien."
Walter knirschte mit den Zähnen, griff nach Tonys Haaren und riss seinen Kopf daran zurück. Er kam ihm sehr nahe, sodass er ihm direkt ins Gesicht blicken konnte, als er sich zu ihm runterbeugte. „Nein, Anton. Ich tue das einfach, weil ich es kann", zischte er dabei und ließ ihn grob wieder los. Er verweilte noch einen Moment direkt vor Tony, doch dieser reichte für meinen Freund, Walter eine Kopfnuss zu geben. Walter keuchte vor Überraschung auf und hielt sich sofort die blutende Nase. Dabei sah er hasserfüllt auf Tony herab. Dieser stand auf und riss seine Fesseln einfach entzwei.
Sofort eilten die Soldaten zu ihm, um ihn zu fixieren, doch er riss sich los, indem er um sich schlug. Ziemlich schnell brachte er alle von ihnen zum Liegen und sagte im Befehlston zu mir: „Bring die Leute hier raus"
In dem Moment stürzte Walter sich auf ihn. Tony und er waren sofort in einen Kampf verwickelt, während ich zu den Gefangenen rannte, um sie zu befreien. Carter war als letzter dran, da er am schwersten verletzt war. Moira und zwei ihrer Leute, die ich nicht kannte, kamen sofort zu mir und halfen mir mit Carter. Sie schleppten ihn raus, doch er konnte es sich nicht nehmen lassen, mich mit einem „Mein Held" anzugrinsen, obwohl er kaum laufen geschweigedenn bei Bewusstsein bleiben konnte.
„Geh, Mum, du musst die Leute hier rausführen" Ich sah meine Mutter auffordernd an.
„Nein, ich lasse dich nicht zurück, nicht schon wieder", widersprach sie.
„Ich komme nach, versprochen"
Wir führten ein kurzes Blickduell, bis sie nachgab und den letzten hinterherrannte. Kurz bevor sie dem Raum verließt, versicherte sie mir. „Ich bin stolz auf dich, Jamie"
Ich wollte Tony mit Walter helfen, doch es rannten Wachen aus dem Flur in den Raum, viele von ihnen.
„Tony!", rief ich ihm panisch zu und sah schließlich zu ihm. Walter stach immer wieder auf Tony ein, doch dieser wich aus.
„Tony!", wiederholte ich drängender. „Wir müssen hier raus!"
Er sah kurz zu mir und hörte auf, Walter zu beachten. In dem Moment, als seine Klinge Tony traf, formte sich seine Haut wie gewohnt zu Chrom und Walter wich geschockt zurück.
„Gib mir noch einen Moment", meinte Tony und widmete sich wieder Walter, der ihn nur mit großen Augen anstarrte, da er wohl alles erwartet hatte, nur das nicht.
„Nein, wir müssen jetzt los!", beharrte ich, doch da war Tony schon dabei, auf Walter einzuschlagen. „Verdammt", zischte ich, da ich wusste, dass ich ihn jetzt nicht von seinem Vater losbekommen würde. Schnell rannte ich zu der großen Metalltür, um sie zu schließen, bevor die Wachen ankamen. In dem Moment, als ich sie erreichte und die Tür verriegeln wollte, hörte ich jedoch einen Schrei.
„Jamie!"
Hinter den etwa zwanzig Soldaten rannten zwei junge Leute her. Ein Mädchen, das ich nicht kannte und Eddi. Ehe ich mich fragen konnte, warum sie den Wachen hinterherrannten, begriff ich, dass es nicht das war, was sie verfolgten. Es war ein kleines goldenes Etwas, das einfach zu mir schwebte und sich auf meine Haut legte. Es fühlte sich an, als bekäme ich dadurch einen Energiebooster, ich fühlte ein Kribbeln in meinem Körper und ein Verlangen nach mehr.
Abrupt blieben die Bewaffneten vor mir stehen und sahen mich ehrfürchtig an. Sie wichen zurück. Auch Eddi und seine Begleiterin stoppten. Ich verstand nicht wieso. Ich tat doch gar nichts, ich war ganz ruhig und genoss dieses Gefühl in mir. Das Gefühl von Macht. Genießend schloss ich dabei meine Augen. Ich spürte, wie ich immer stärker und stärker wurde. Es fühlte sich verdammt gut an.
„Jamie!", hörte ich einen weiteren, diesmal schockierten Schrei. Ich erkannte die Stimme, ich erkannte die Panik darin, doch es war mir egal. Das hier fühlte sich einfach zu gut an. Ich wollte, dass es niemals endete.
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