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„Das ist interessant", stellte Gordon fest. Koa und ich liefen ihm seit heute Morgen hinterher, hörten uns seine Monologe über die Schönheit der Natur und die Unwichtigkeit unserer Erde im Universum an und hofften darauf, endlich anzukommen. Es war nicht so, als sei es nicht Interessant, was Gordon zu erzählen hatte, denn wir konnten noch eine Menge von ihm lernen. Jedoch machte mein Hirn irgendwann einfach zu und war nicht bereit, noch mehr aufzunehmen.

Nun hatte er gestoppt und sah fasziniert vor sich.

„Was denn?", fragte Koa und trat vor mich, als bereite er sich vor, mich vor einer möglichen Gefahr zu beschützen. Ich schmunzelte lieber darüber, als mir Gedanken zu machen, ob es tatsächlich gefährlich werden konnte.

„Moira hat diesen Ort bereits mit einem Schutzzauber belegt... Sehr gute Arbeit" Das letzte murmelte er nur noch, ehe er einen Schritt nach vorne ging und dann einfach verschwand.

„Was?" Komplett verwirrt sah ich Koa an und er drehte sich ebenso geschockt zu mir um.

„Ich schätze, wir machen ihm einfach nach?", schlug er vor. Dabei klang es eher nach einer Frage.

„Nach dir" Ich deutete in die Richtung, wo Gordon plötzlich einfach so verschwunden war. Koa verdrehte die Augen, schnappte sich meine Hand und zog mich einfach mit sich.

Kurz fühlte es sich so an, als würde man einen Eimer kaltes Wasser über uns schütten, doch sofort danach war alles wie gewohnt und Koa und ich standen drei älteren Leuten gegenüber, die bereits auf uns gewartet hatten. Alle drei lächelten, doch nur Gordon erkannte ich.

Erst, als Koa meine Hand drückte, bemerkte ich, dass es dazu gekommen war, dass wir unsere Finger verschränkt hatten und nun so herumstanden. Einerseits gab mir das unendlich viel Sicherheit, doch andererseits wollte ich meiner Mutter bei unserem ersten Treffen nicht händchenhaltend mit einem Typen gegenüberstehen, den ich doch eigentlich gar nicht mal leiden konnte.

Ich riss meine Hand also aus seiner, energischer, als beabsichtigt. Er ballte seine nun freie Hand sofort zu einer Faust und warf mir einen kurzen Blick zu, der mich eindeutig dafür bestrafen sollte. Ich erwiderte ihn entschuldigend. Das musste ihn verletzt haben. Das wollte ich nicht.

Er ging von mir weg und auf die mir fremde Frau zu. „Schön, dich zu sehen, Moira"

„Tony, sag bloß, das bist du" Moira, meine Mutter, legte sich eine Hand auf den Mund und staunte nicht schlecht, als sie Koa ansah. „Sieh dich an! Du bist riesig geworden!" Sie nahm ihn in den Arm, doch erreichte dabei mit der Stirn gerade mal sein Kinn. Nachdem sie sich gelöst hatten, fiel ihr Blick auf seine Arme, die mit Runen übersäht waren. Wortlos sah sie ihn an, mit einem leidenden Gesichtsausdruck, der alles sagte.

„Man tut, was man tun muss", kam von Koa, ehe er zur Seite ging und den Blick auf mich freigab. Er sah mich auffordernd an.

Ich schluckte und bewegte mich zu der Gruppe von Leuten. Knapp vor ihnen blieb ich stehen. Mein Blick blieb an Moira haften. Sie sah zu mir hoch und trug dabei Tränen in den Augen. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und murmelte etwas, das nach einem „Mein Baby" klang, während sie mich musterte. Sie streckte ihre Hand nach meinem Gesicht aus. Zuerst wich ich leicht zurück, doch dann ließ ich sie ihre Hand auf meine Wange legen und darüberstreichen.

„Es ist so schön, dich zu sehen, Jamie.", hauchte sie. Ihre Stimme zitterte dabei. Unterbewusst schloss ich einen Moment zu lange meine Augen. Das hier fühlte sich richtig an.

Ich öffnete die Augen wieder und sah sie bedauernd an. „Ich kann mich nicht an dich erinnern..."

„Ich weiß", sie nickte schnell, lächelte dabei, mit noch immer glasigen Augen. „Das ist in Ordnung. Wir bekommen das hin, hörst du?"

Diesmal nickte ich. Ich war sehr dankbar, dass sie mir keinen Druck machte. Dass sie mich nicht bedrängte. Dass sie mich verstand, ohne, dass ich ein Wort sagen musste.

„Hallo, Jamie" Der Mann neben meiner Mutter schien mich ebenfalls zu kennen. „Ich bin Victor. Wir sind einander eigentlich auch schon bekannt"

Ich nickte verstehend, da er ja wusste, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte, und sah wieder zurück zu meiner Mutter. Sie starrte mich noch immer erfreut an und schien nicht glauben zu können, dass ich wirklich und leibhaftig vor ihr stand. Jedoch veränderte sich ihr Blick langsam, aber stetig, sodass sie dann sehr betrübt aussah.

„Was ist los?", hakte ich besorgt nach.

Sie seufzte. „Wir haben einiges zu besprechen"

Gordon nickte zustimmend. „Jedoch sollten wir uns zuerst stärken, was haltet ihr davon?"

Alle stimmten zu. Während Gordon, Moira und Victor dann weggingen, um für das Essen zu sorgen, blieb ich mit Koa zurück, da ich ihn aufhielt.

„Das eben... war nicht so gemeint", versuchte ich zu erklären, sah ihn dabei aufrichtig an.

Er schnaubte. „Ich hab' schon verstanden... Lass es einfach" Kopfschüttelnd wollte er weggehen, doch ich eilte vor ihn und legte meine Hand auf seine Brust, sodass ich genau spüren könnte, wie schnell sein Herz plötzlich schlug.

Er musste in meinem Blick erkennen, wie sehr mich das verwunderte, daher presste er die Zähne zusammen und sah zu Boden, als hätte ich ihn bei etwas erwischt, wofür er sich schämen musste.

„Tony", hauchte ich. Es klang einerseits fragend, da ich somit erforschen wollte, wie dieser Name aus meinem Mund klang. Bekannt, liebevoll. Andererseits auffordernd, damit er wieder zu mir sah.

Er hatte glasige Augen. „Du machst mich fertig, Jamie", flüsterte er kraftlos, schob meine Hand von seiner Brust und lief zu den anderen. Ich blieb hier zurück und musste versuchen, mit dieser Flut an Gefühlen klarzukommen, die dieser Mann in mir auslöste.


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