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Da Kira beschlossen hatte, dass es keinen Sinn hatte, meine Kraft so gezwungen herbeizurufen, hörten unsere täglichen Meetings dazu auf.
Carter wollte heute an seiner eigenen Kraft feilen, Kira beriet sich mit Gordon und Koa brachte wohl noch immer Ruhe. Ich für meinen Teil stöberte mal wieder in Gordons kleiner Bibliothek herum. Er meinte, er fände es gut, wenn ich mich belesen wollte, da er mir gar nicht alles so detailliert nahebringen konnte wie diese Bücher. Ich las interessante und weniger interessante Texte über das Leben des ersten Magiers und seine Theorien. Auf eine gewisse Weise bewunderte ich diesen Mann, auf eine andere hielt ich ihn wirklich für durchgeknallt. Vor allem die Texte, in denen der Junge vorkam, den er im Wald gefunden hatte und alles, was davon handelte, was danach passierte, faszinierten mich.
„Obwohl die Magie damals in einem Abstand von etwa drei Kilometern zu dem Baum einschlug, versammelt sich der Großteil der Macht doch dort und bildet eine Art Knotenpunkt. Ich nehme an, der Junge zog die Magie damals durch sein frisches Leben an und absorbierte eine Menge davon. Jedoch zeigt sich in seiner Entwicklung bisher nichts Außergewöhnliches. Er wächst normal und entwickelt sich auch sonst vergleichbar zu anderen Kindern seines Alters. Jedoch fällt auf, dass sich immer wieder verschiedene Zeichen auf seiner Haut zeigen, die nach einer Weile wieder verschwinden. Ich werde anfangen, diese zu kopieren und ihre Aussage zu erforschen..."
Ein Räuspern ertönte und zog mich komplett aus meinem Lesefluss. Ich erschrak, zuckte zusammen und schaute schnell auf.
Koa stand bei der Tür und schaute mich an. „Ich wollte dich nicht erschrecken"
„Schon gut", ich räusperte mich und versuchte, die Fassung beizubehalten, naja sie zurückgewinnen traf es eher. Ich wollte so tun, als tangierte es mich nicht, dass er da war und weiterlesen, doch die Schrift verschwamm und ich sah nur noch Unidentifizierbares vor mir.
„Ich wollte eigentlich zu Gordon"
Noch immer leicht verwirrt davon, dass mir das nun schon zum zweiten Mal mit diesem Buch passierte, schaute ich wieder auf und sah zu Koa. „Äh ja, der ist... Draußen... mit Kira"
Koa merkte sofort, dass etwas nicht stimmte und zog die Augenbrauen zusammen. Dabei kam er auf mich zu. „Was ist los? Hab ich dich so erschrocken?"
Ich schüttelte den Kopf und deutete auf das Buch. „Ich... Es..."
Ich versuchte gar nicht erst weiterzusprechen, als Koa sich neben mich auf das Sofa setzte, so nah, dass sein Knie meines berührte, und sich das Buch ansah. „Das kann keiner entziffern. Gordon versucht schon lange herauszufinden, welche Sprache das ist, doch er findet keine Übereinstimmungen. Mach dir nichts draus"
Er wollte das Buch zuklappen, aber ich griff schnell nach seinem Handgelenk, sodass er innehielt. Unsere Blicke rauschten zueinander. Aus geringer Distanz schauten wir uns in die Augen, so gering, dass ich spürte, wie sein Atem an meinen Mund prallte, als er ihn ausstieß, da er ihn kurzzeitig angehalten hatte.
„Ich kann es lesen", flüsterte ich, als sei es ein Geheimnis. Koas Augenbrauen zogen sich zusammen, sein Blick huschte über mein gesamtes Gesicht und blieb schließlich an meinen Lippen hängen. Sein Kopf kam näher.
„Was steht darin?", flüsterte er zurück.
Ich schluckte, doch wich keinen Zentimeter zurück.
Gerade wollte ich ihm antworten, als die Tür aufging und wir aus einem Reflex heraus auseinander schreckten. Plötzlich saß Koa am anderen Ende der Couch, strich sich mit der Hand durch die Haare, was ein Anzeichen für aufkommende Nervosität bei ihm sein musste.
„Dir geht es scheinbar besser", merkte Gordon unnötigerweise an und schmunzelte dabei leicht in meine Richtung.
„Ich wollte meinen Plan mit dir besprechen", gab Koa zur Antwort und erhob sich dabei. „Aber ich schätze, das hat jetzt geringere Priorität. James kann das Buch lesen" Sein Blick sprang zu mir, dann zu dem Buch und schließlich wieder zu Gordon. Dessen Augen öffneten sich weit. „Wirklich?"
Ich nickte langsam. Es war interessant, ja, aber nicht so, dass man dermaßen reagieren müsste. Aber andererseits wussten die beiden es nicht anders, sie wussten ja nicht, was darin stand.
„Möchtest du es vorlesen, James?" Es war mehr eine Aufforderung als eine Bitte, das verstand ich natürlich. Ich schaute auf das Buch und schüttele den Kopf.
„James, das ist wirklich wichtig..."
„Ich kann nicht", unterbrach ich. „Irgendwie kann ich es nur lesen, wenn ich allein bin"
Gordon nickte verstehend, er schien mir zu glauben. „Kannst du sagen, was darinsteht?"
„Es sind Tagebucheinträge von dem ersten Magier, hauptsächlich darüber, was passiert ist, nachdem irgendein Riesenblitz auf der Erde eingeschlagen hat. Er hat da in der Nähe einen Jungen gefunden..." Ich hörte auf zu sprechen, als ich die verwirrten Blicke von Gordon und Koa bemerkte und sah sie fragend an.
„Was ist los?"
„Das ist interessant", murmelte Gordon, eilte zu seinem Regal und suchte etwas.
Ich sah zu Koa. „Du hast gerade auf irgendeiner Sprache irgendwas gebrabbelt..."
Ich lachte unsicher. „Ich habe ganz normal geredet..."
Koa schüttelte den Kopf und schaute mich ernst an.
Wir lösten unsere Blicke voneinander, als Gordon zurückkam und uns ein Buch vorlegte. „Hier ist die Rede davon, dass der erste Magier einige seiner Schriften verschlüsselt hat, sodass nur eine bestimmte Person sie lesen und verstehen kann..."
„Und ich soll diese Person sein?", hakte ich misstrauisch nach.
Gordon nickte. „Das würde doch Sinn machen"
Ich schnaubte und murmelte: „Für mich macht hier so langsam gar nichts mehr Sinn", vor mich hin. Koa hörte es, schaute mich bloß stumm an, doch sein Blick drückte wieder solch eine Sehnsucht aus, dass ich ernsthaft gegen den Drang ankämpfen musste, mich in seine Arme zu werfen. Und warum auch immer wusste ich: Ihm ging es genauso.
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