Türchen 3 ~ Nur das Nötigste

Kakashi wartete, wartete, wartete. Lediglich Tsunades aufbrausende Art hörte er aus dem Inneren der Wohnung, doch auf die Worte achtete er nicht. Er spürte die Vibration, als hätte die Senju etwas zerschlagen, doch das darauffolgende Gemecker zeigte ihm, dass es nicht Guy war, der mit seinem Leben bezahlte.

Die Diskussion schien endlos zu verlaufen, doch der Shinobi trat, nach kürzerer Zeit als erwartet, aus dem Apartment - gefolgt von Tsunade. ,,Wehe dir, dass es nicht funktioniert", warnte sie ihn mit erhobenem Finger, schoss dem Hokage einen letzten prüfenden Blick zu, ehe sie abdrehte und den Stufen hinabstieg.

Guy grinste Stolz, als er ihr wenige Augenblicke später folgte und Kakashi nichts anderes übrig blieb, als ihm hinterherzugehen. ,,Verrätst du, was das zu bedeuten hat?", wandte er sich an seinen Freund, als sie wieder gleichauf liefen. ,,Desto weniger du weißt, umso besser ist es. Dir gefällt die Idee ganz sicher nicht", verriet Guy, sodass Kakashi nicht anders konnte, als das Thema bleiben zu lassen. Selbst in diesem Augenblick fühlte er keine Neugier, wollte nicht wissen, um was sich alles drehte.

Er zuckte nur mit den Schultern, als er die Gleichgültigkeit fühlte, die ihn ummantelte. Oder war es nur die Kälte, die bis in sein Herz vordrang - langsam über die Jahre in ihn gekrochen war. Er ertrug die Wanderung für Guy. Wollte ihm zeigen, dass er es versuchte, obwohl er längst aufgegeben hatte. Vermutlich sollte Tsunade seinen Posten übernehmen, Shikamaru ein Team zusammenstellen, dass sich um den Markt kümmerte. Guy würde für Ablenkung sorgen.

Es würde wirken, solange bis der Alltag ihn einholte und er zurückfiel. Es war ein Versuch, doch keine Lösung für immer.

Vor seiner eigenen Wohnung stoppte das Duo, ehe Kakashi auf Befehl die Tür öffnete und sie eintraten. ,,Pack für eine Woche, nur das Nötigste", setzte Guy fort, bevor er kehrte. ,,Du bist in einer Stunde am Haupttor." Warnend, blickte er dem Hataken ins Gesicht, machte klar, dass es kein Wenn und Aber gab. ,,Sonst zerr ich dich mit Gewalt aus dem Dorf." Die Tür flog ins Schloss. Kakashi war wieder allein, doch die Fragen blieben aus.

Kein ,,Wo ging es hin?". Kein ,,Was soll das?". Kein ,,Warum ich?".

Dort war nur Leere. Gähnend einsam, als er seinen Rucksack aus seinem Kleiderschrank hervorzog. Nur das Nötigste, mehr war dort nicht gepackt. Eine Angewohnheit seiner Zeit als aktiver Shinobi. Als Chunin hatte er bereits einen vorgepackten Rucksack besessen, falls der dritte Shinobi-Weltkrieg über Konoha einbrach und sie ihr Dorf hätten aufgeben müssen. Seine Hand suchte nach seiner Gesäßtasche, in der er sein geliebtes Buch ertastete und entschied, dass er fertig war.

Es hatte nur wenige Minuten gedauert, also: Was fing er mit der restlichen Zeit an?

Kakashi schulterte kurzerhand seinen Rucksack und verließ fluchtartig seine Wohnung. Er wusste nicht, wieso er plötzlich wie gestochen aufbrach, doch die Wände schienen näher gekommen zu sein. Sie wollten ihn einkerkern, sodass er nun über die Dächer des Dorfes sprang, um ein Bruchstück von Freiheit zu fühlen.

Erst als das Tor klapperte, verschwand das freie Gefühl und die Ketten um sein Herz zogen sich zusammen. Die grauen Steine reihten sich dutzende Meter weit, doch er kannte den Weg und lief die gewohnte Strecke. Erst Rin, dann Obito, dann Minato. Auch vor seinem Vater blieb er stehen. Betrachtete das Grab und wischte die dünne Schicht des Schneess, die der Winter mit sich brachte, beiseite. Vielleicht sah er ihn bald wieder.

Auch dem fünften Grab näherte er sich - zögerlich. Als überkäme ihn die Angst, dass sie auferstehen würde. Seit Tagen war er nicht mehr hier gewesen und erster Dreck hatte sich abgesetzt, geschweige denn der Schnee, der ihren Namen zierte. Kakashi überlegte, ob er nicht doch einen Friedhofdienst einführen sollte. Für die Genin-Anwärter wäre es eine gute Lektion ihre Arbeit zu schätzen.

Kamiwa Shivani.

Der Name erschien langsam, als er die glitzernden Kristalle und den Dreck beseitigte. Sie solle tatsächlich leben? Unmöglich. ,,Ich habe deinen Körper doch gesehen. Ich habe ihn gehalten", redete er sich ein und schüttelte den Kopf, als die Bilder wiederkehrten.

Wie er vor 18 Jahren vor ihrer Haustür gestanden hatte. Wie er stürmisch geklopft hatte. Er spürte die Panik in sich emporkriechen, als er daran dachte, wie er mit jedem Schlag unruhiger geworden war. Selbst nach Minuten des Klopfens hatte ihm niemand geöffnet, sodass er misstrauisch geworden war.

Er hatte das Anwesen umrundet, sich über das offene Fenster in ihrem Zimmer Zugang verschafft. Sie hatte es immer offen gelassen, wenn sie ihn erwartete.

Auch in diesem Moment passte eins und eins nicht zusammen. Sie hatte ihn erwartet, doch die Tür nicht geöffnet. So hatte er eines seiner Kunai gezogen, hatte das Sharingan entblößt und war mit allem rechnend vorgerückt. Von ihrem Zimmer im obersten Stock, die Treppe runter.

Die Zimmer waren in Dunkelheit getaucht gewesen, doch er roch es. Er roch das Blut noch heute, als er die Küche betrat und ihre Eltern auf dem Boden erkannte. Übereinandergestapelt und mit einem Katana aufgespießt. Sie waren mit Wunden übersäht und mit dem Sharingan erkannte er die Blutspuren auf dem Boden. Die Schleifspuren der beiden Körper. Mit Sicherheit: Jemand sollte sie so finden.

Zwar stand er nun vor dem Grab, doch er schluckte, als er daran dachte, wie er weiter ins Wohnzimmer gelaufen war und das Licht entflammt hatte. Augenblicklich hatten seine Beine nachgegeben. Der Aufprall auf dem Boden kam schnell und schmerzhaft, doch das Bild würde er nie vergessen.

Kamiwa war tot. Ganz sicher. An der Wand aufgehangen und durch weit von sich gestreckten Händen und Füßen mit Kunai befestigt. Das Blut war an der Wand herabgelaufen, genauso wie aus ihrem Gesicht. Ihre Augen waren ausgestochen, das Kunai in ihrem Mund gerammt. Ihre Glieder bis zur Unerkennbarkeit geschändet. Ihre dunklen Haare zerzaust und verklebt. Die Worte an der Wand hatte er erst lesen können, als er das Bewusstsein wiedererlangt hatte.

,,Es ist deine Schuld."

Diese Nachricht war für ihn. Er war Schuld. Er allein. Sie musste sterben und er sollte sie finden. Anders konnte er es sich nicht erklären. Etwas anderes hatten die Untersuchungen auch nicht ergeben.

Dabei war er, wie er es mit ihr ausgemacht hatte, zu ihr gekommen. So wie er es jede Woche tat. So wie er es jeden zweiten Tag tat, wenn er nicht auf einer Mission war. Kakashi hatte sich sogar einen Plan überlegt, denn seine Gefühle waren sich noch nie so sicher gewesen. An diesem Tag, an ihrem Todestag, wollte er ihr eigentlich seine Liebe gestehen.

1053 Wörter

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