Türchen 22 (II) ~ Nur ein Unfall

Das Dorf war in heller Aufruhr. Nicht nur wegen des nahenden Weihnachtsfestes. Ihr Hokage lag dem Sterben nahe im Krankenhaus. Die Ärzte kämpften die gesamte Nacht, während die Information sich wie ein Lauffeuer in jeder Straße verbreitete. Alle tuschelten, spekulierten. An jeder Ecke vernahm man das gleiche.

,,Der Hokage soll einen Unfall gehabt haben", hörte es Kamiwa zum wiederholten Male am nächsten Morgen, als sie dem Weg entlang zum Krankenhaus lief. Sie hatte bereits die verschiedensten Konversationen mitgeschnitten, doch von niemandem hatte sie bisher die wahre Geschichte gehört. Alle glaubten es war ein Unfall. Alle rätselten, wie es zu dem Einbruch im Eis gekommen war. Sie kannte die Wahrheit.

Tief durchatmend betrat sie die nach Desinfektionsmittel riechenden Flure, suchte nach dem richtigen Weg, ehe sie vor ihrem Zielzimmer zum Stehen kam. Vorsichtig klopfte sie an und öffnete nach einem kraftlosen „Herein" die Tür, ehe sie eintrat. Guy blickte ihr entgegen, wie er an Kakashis Bett Wache hielt. Tiefe Augenringe zierten sein Gesicht, genauso wie seine Lider vor Müdigkeit bereits flatterten.

Er war am Abend zuvor sofort ins Krankenhaus gestürmt, als das Lauffeuer voller Spekulationen ihn erreicht hatte. Gemeinsam hatten sie Stunden im Wartezimmer verbracht, gewartet und gebetet. Sie hatten miteinander gesprochen und er hatte erfahren, wie es dazu gekommen war.

,,Wie sieht es aus?", fragte sie leise, während sie sich zu ihm gesellte und Kakashi musterte. Reglos lag er im Bett, zugedeckt bis obenhin. Ihm fehlte noch immer jegliche Farbe im Gesicht. ,,Die Ärzte sind sich unsicher, wann oder ob er wieder auf die Beine kommt", seufzte er und sah ebenfalls zu seinem ruhenden Rivalen. Vor diesem Moment hatte er sich immer gefürchtet, hatte er immer Angst gehabt. Er hatte es bereits seit Wochen vermutet, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Nun war es Wirklichkeit geworden.

,,Das ist so unfair", hing er murmelnd an und krallte seine Finger in die Hose seines grünen Trainingsanzuges. Ganz konnte Kamiwa diesen Gedanken jedoch nicht nachvollziehen. ,,Man kann es ihm nicht verübeln, immerhin hat er viel durchgemacht. Er wollte es so." ,,In ihm ist die Kraft der Jugend erloschen. Es bricht mir mein armes Herz, ihn so zu sehen", jammerte er und stand den Tränen nahe. ,,Jetzt liegt er hier und hat alles aufgegeben." Die Tränen begannen ihm aus den Augen zu kullern, sodass sie nicht anders konnte, als an seine Seite zu treten.

Beistehend legte sie dem erfahrenen Shinobi die Hand auf die Schulter, was einen Moment der Stille einläutete. Nur das leise Schluchzen verriet, dass sich in diesem Raum Menschen aufhielten, die von den Sorgen um ihren Kameraden und Freund erdrückt wurden. Allein die Atmosphäre wog schwer auf ihrem Schultern, doch Guys Verzweiflung setzte dem das Sahnehäubchen auf.

Wenn Kamiwa genauer darüber nachdachte, war es absurd. Die ganze Situation war surreal. Gestern noch hatte Kakashi auf ihrem Sofa gesessen. Er hatte Tee getrunken, bis er ihre Tasse an der Wand zerbersten lassen hatte. Vor wenigen Tagen hatte er sie im Steinreich aufgesucht, war rücklings in den Bach gestürzt, da er sich vor ihr erschrocken hatte. Nach 18 Jahren hatten sie sich wiedergesehen, zwar mit Startschwierigkeiten, aber sie hatten sich angenähert, hatten miteinander sprechen können. Alte Erinnerungen wurden ausgegraben, doch nun lag er dort, rührte sich nicht und wäre beinahe ertrunken oder durch die Kälte des Wassers erfroren.

,,Tsunade wäre nicht Tsunade, wenn sie ihn nicht zurückholen könnte." Sie war fest überzeugt, auch wenn Kakashi selbst nicht mehr kämpfte. Die Ärzte und Schwestern kämpften, würden ihren amtierenden Hokage niemals im Stich lassen. Das Dorf sorgte sich. Sie hatte sogar vor dem Krankenhaus eine Aufreihung voller Blumen und Genesungswünsche für den Hokage gesehen. Alles entstanden in nur einer Nacht.

,,Alle Beteiligten tun alles, was in ihrer Macht steht. Niemand gibt ihn auf", führte sie ihren Gedanken fort, auch wenn sich ein dunkler Schatten über ihren Geist legte. Sollte sie so hoffnungsvoll sein? Gab es überhaupt eine Chance? Guy schniefte, wischte sich die tropfende Nase an seinem Ärmel ab. ,,Meinst du, wir können auch etwas für ihn tun?" Er schien entschlossen, wollte seinem Rivalen unbedingt beistehen und nicht nur tatenlos neben ihm sitzen.

Kamiwa überlegte, musterte das fade Gesicht des Hataken, wie er leblos im Bett ruhte. ,,Er wird es spüren, wenn du Freude und positive Energie in den Raum bringst. Trübsal blasen wird ihm nicht helfen", sprach sie ihren ersten Gedanken laut aus, ohne ihn genauer zu überdenken. Guy schien sich jedoch seine eigenen Ideen dazu zu machen, da sein Gesicht sich erhellte. ,,Ich hole ihm die Weihnachtsstimmung aus dem Dorf hierher!", rief er voller Enthusiasmus aus, wäre am liebsten aufgesprungen, hätten es ihm seine Beine erlaubt.

,,Du willst doch bestimmt auch etwas für ihn tun oder?" Mit einem freudigen Funkeln in den Augen sah Guy zu ihr, was sie nur überfordert nicken ließ. So weit hatte sie noch nicht gedacht. ,,Darf ich dir etwas anvertrauen?" Skeptisch musterte sie den hyperaktiven Shinobi, der ihr deutlich zu viel Motivation an den Tag legte, als er sie an den Schultern packte und vorfreudig durchrüttelte. ,,Ich schaff es nämlich dank meiner schrecklichen körperlichen Verfassung nicht mehr." Beinahe brach er wieder in Tränen aus, als die Gefühle an Überhand gewannen, sodass sie wieder nur nicken konnte.

,,Super! Würdest du zu Kakashi nach Hause gehen und seine Pflanze gießen? Das Teil ist zwar bereits fast mehrfach verreckt, aber hält sich wacker. Kakashi liebt seinen Kaktus." Überfordert von den vielen Informationen und dem Rausch an Worten, bemerkte sie erst zu spät, wie Guy aufgesprungen war, wie er ihr einen Wohnungsschlüssel in die Hand drückte, ehe er auf seinen Händen stolzierend das Krankenzimmer gut gelaunt flötend verließ.

,,Wenigstens hat einer gute Laune", brachte sie überfordert von den vielen Emotionen in den letzten Augenblicken aus sich heraus und ließ sich auf Guys Platz nieder. ,,Du hast dir einen guten besten Freund ausgesucht, Kakashi." Unweigerlich musste sie schmunzeln, denn sie konnte sich bestens vorstellen, dass Guy ihn zu ihrer merkwürdigen Freundschaft gezwungen hatte. ,,Ich weiß noch, wie du ihn damals an unserem ersten Akademietag verachtet hast. Du musst mir unbedingt erzählen, wie ihr so zusammenwachsen konntet. Ich hätte es mir so weit nie gedacht", sprach sie ehrlich und griff zögernd nach seiner Hand.

Sie war kalt und noch immer grau, hatte jedoch einen ersten Touch an gesunder Farbe erhalten. Sanft strich sie über seinen Handrücken, hoffte innerlich, dass er die Berührung spürte. Dass er bemerkte, dass dort Menschen waren, die sich um ihn sorgten. ,,Wenn es für dich in Ordnung ist, kümmere ich mich heute Abend um deine Pflanze und warte solange, bis Guy zurück ist." Sie bekam keine Antwort, doch sie sprach weiter, erzählte ihm die verschiedensten Dinge. Den lieben, langen Tag.

1102 Wörter

Ich wünsche euch allen einen schönen vierten Advent^^

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