Türchen 21 ~ Gebrochenes Eis

Kaum hatte sie den Brief zu Ende gelesen, da war sie aus ihrer Wohnung gestürmt. Beinahe wäre sie den Treppen hinabgeflogen, konnte sich jedoch fangen und rannte auf die gefüllte Straße. Suchend sah sie sich in der Menge um. Kamiwa spürte, wie die Panik in ihr emporkroch, wie diese sie von innen heraus erfüllte. Ihr Herz hämmerte, ihre Lunge rasselte, als sie sich durch die Meute zwängte. Wo war er hingegangen?

Akribisch musterte sie die Menschen um sich herum - in der Hoffnung ihn zu erblicken. Sie suchte nach seinem silbergrauen Haar, seiner groß gewachsenen Gestalt. Ihre Hoffnung schwand, als sie vollständig realisierte, was er tun wollte und dass er dazu definitiv nicht den Stadtkern ins Visier nahm. Sie suchte vergeblich. Ihre Knie wurden weich. Die Zeit rann ihr davon. Er konnte alles mögliche tun! Fest stand: Er tat es heute.

- - -

Am 21. Dezember ist meine Zeit abgelaufen.

- - -

Er hatte es deutlich am Ende seines Briefes hingekritzelt. Sie musste aus den Zentrum raus, doch - wohin? Was hatte er ihr verraten? Er hatte nichts erwähnt, nichts gesagt, nichts angedeutet. Im Eifer ihrer Hektik stürmte sie weiter der Straße entlang, rempelte die Menschen um sich herum an, rannte beinahe ein Kind über den Haufen, bis sie in einen Shinobi stieß. Hier endete ihr Weg. Sie spürte, wie sie fiel, bereitete sich bereits auf den Aufprall vor, doch der Boden kam nicht.

Überrascht erhaschte sie einen Blick in meerblaue Augen, die sie besorgt musterten. ,,Alles in Ordnung?" Der einarmige, junge Ninja zog sie auf die Beine, musterte sie von oben bis unten. ,,Tut mir leid", presste sie nur aus sich heraus und wollte sich an ihm vorbeidrücken, da packte er ihren Arm. ,,Sie wirken sehr durch den Wind. Ich bin Naruto Uzumaki und kann ihnen helfen. Was ist passiert, echt jetzt?" Die Informationen rieselten auf sie nieder, doch bei seinem Namen, hielt sie inne. Naruto. Sie hatte diesen Namen erst vor wenigen Augenblicken gelesen.

,,Du bist Kakashis Schüler", stellte sie beeindruckt fest. ,,Ich suche ihn. Hast du ihn gesehen?" Hoffentlich wusste er etwas, aber sein verwirrter und überlegender Blick verriet ihr, dass er genauso wenig Ahnung hatte wie sie. ,,Keine Zeit für lange Unterhaltungen." Kurzerhand entriss sie sich seinem Griff und grub sich weiter ihren Weg durch die Masse. Die Zeit drängte. Sie konnte keinen Plausch halten, wenn der Junge keine essenziellen Informationen besaß. Sie hörte ihn jedoch hinter sich rufen, wie er ihr folgte und kaum, dass die beiden aus dem Stadtkern gefunden hatten, hielt er sie erneut auf.

,,Was wollen Sie von ihm?" ,,Ihn vor einem Fehler bewahren", entgegnete sie prompt, jedoch bereute sie ihre Worte sofort. Hatte sie das Recht, ihm von Kakashis Plan zu berichten? Er war noch jung, kannte jedoch den Tod und den Krieg. Der Tod, er klopfte bereits, zog die Schlinge um ihr Herz immer enger. Wo war er? Wo könnte er nur sein? Kamiwa erinnerte sich daran, dass es nicht Kakashis erster Versuch war, den sie miterlebte. Damals war er nur knapp davon gekommen.

Würde er wieder? ,,Ich habs", rief sie aus, nahm die Beine in die Hand und stürmte zu den Trainingsplätzen des Dorfes. Naruto blieb ihr auf den Versen, doch sie beide hatten ihre Probleme, verfluchten regelrecht die Glätte auf den Terrassen. Es glich einem heimtückischen Ausrutschen, ehe sie die vom Schnee bedeckte Fläche erreichten und überquerten und tatsächlich: Das Eis des Sees war eingebrochen.

Sie kam zu spät. ,,Kakashi!" Die Tränen quollen aus ihren Augen, hinterließen eine kalte Spur und die blanke Angst. Angestrengt überlegte ihr Hirn, wie sie ihn dort herausbekam. Die aufkommende Macht des Jungen neben sich ließ sie jedoch aufblicken. Er hatte sofort verstanden, als ihn ein oranger Mantel umgab und eine gigantische Hand in das Wasser eintauchte. Das Eis krachte auseinander und Erleichterung packte sie, als er den Hokage aus dem Wasser hievte. Sie wollte gar nicht wissen, wie lang er bereits dort drin lag. Seine Haut war blassblau, seine Fingerspitzen grau.

,,Krankenhaus", brachte sie vor Überwältigung nur aus sich heraus, als eine zweite Hand sie packte und Naruto beide mit sich nahm. Wie gejagt, sprang er den kürzesten Weg über die Dächer, schickte zwischendurch noch einen Doppelgänger zum Hokageturm.

Im Krankenhaus brach bei ihren Eintreffen direkt das totale Chaos aus. Immerhin wurde der Hokage eingeliefert. Kamiwa setzte man rücksichtslos an den Rand, neben sie Naruto. Die Schwestern hetzten von dem einen Flur in den anderen. Die Ärzte schwärmten in Kakashis Behandlungsraum. Wie benebelt beobachtete sie das wilde Treiben, verfolgte die hektischen Bewegungen der Schwestern und Ärzte. Die Zeit schien gegen sie zu arbeiten.

Auch Tsunade fegte nach einigen Minuten an ihnen vorbei und wurde ohne Umschweife zu Kakashi gelassen. Kamwia musste warten, konnte nur zusehen und sich Bilder in ihrem Kopf ausmalen. Würde er gehen? Würde er es schaffen?

In diesem Moment schien die Welt um sie herum zu verschwimmen. Der Lärm, die Gerüche des Desinfektionsmittels und das sterile Licht des Wartezimmers. Naruto schien es nicht anders zu gehen. Er wirkte ebenso überfordert, brachte jedoch Worte aus sich heraus. ,,Kakashi wird kämpfen, echt jetzt", sagte er mit Überzeugung in der Stimme, obwohl auch seine Augen die Angst um seinen Lehrmeister verrieten.

Kamiwa zwang sich zu einem Nicken, obwohl ihr Herz sie in die Tiefe zog. Sie wusste, dass sie jetzt nicht nachgeben durfte. Sie musste standhaft bleiben - nicht nur für sich selbst, sondern auch für Kakashi. Langsam fragte sie sich wirklich, ob sie ihm die wahre Antwort gegeben hatte. War es wirklich so schwer, einen Neuanfang zu wagen? Ihre Angst um ihn verriet ihr das Gegenteil.

Innerlich wünschte sie sich doch auch, dass sie es gemeinsam überstanden. Egal, wie weit sie sich voneinander entfernt hatten. Das Leben bestand aus mehreren Straßen, aus verschiedenen Gassen, Winkeln und Kreuzungen. Ihre Wege hatten sich erneut gekreuzt, wieso also sollten sie den Weg nicht wieder gemeinsam gehen? So wie früher.

Kamiwa spürte, wie ihr Herz rasanter pochte, wie der Drang, ihn wiederzusehen, sie überwältigte. Kakashi. Der Gedanke sprang durch ihren Geist, wurde präsenter und präsenter. Würde alles wieder gut werden? Sie schwor sich, sollte er überleben, dass sie den Weg mit ihm gemeinsam ging, dass er nicht allein war - egal wie dunkel die Zeiten auch sein mochten.

Dafür musste nur diese verdammte Tür aufgehen und Tsunade ihr berichten, dass er stabil war. So starrte sie regelrecht Löcher in die Tür, während sie betete, dass er es überstand. Die Erinnerung an den Anblick seiner grauen, erfrorenen Haut machte ihr wenig Hoffnung. Sein Körper musste mit Sicherheit eisig gewesen sein.

1083 Wörter

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top