Türchen 20 ~ Stummer Abschied

Die Tür war längst zugeknallt, Kakashi bereits über alle Dächer verschwunden. Kamiwa haderte mit sich: Sollte sie ihm folgen oder ihm Ruhe gönnen? Sie verfluchte sich, dass sie die Antwort nicht wusste, raufte sich die Haare und beschwerte sich bei sich selbst, wieso sie so lang fort gewesen war. Wäre sie eher ins Dorf zurückgekehrt, wäre sie mutiger gewesen - sie hätte Kakashi bereits an einem Punkt auffangen können, an dem er noch zu fangen war.

Tief durchatmend, schloss sie die Augen und ordnete ihre Gedanken, ehe sie sich zu den Briefen bückte und diese aufhob. Es waren fünf Stück. Einer für Guy. Einer für Kurenai. Einer für Kamiwa. Einer für Team 7. Einer für das Dorf. Allein an den fehlenden, ihr bekannten Namen schlussfolgerte sie, dass Kakashi noch mehr Freunde verloren hatte, dass er noch einsamer dastand als sie vermutet hatte. Augenblicklich überkam sie der Gedanke an Asuma - ein guter Freund und eine wichtige Stütze.

Sie ergriff den an sie adressierten Brief, legte die anderen vier wohlwissend, dass sie diese nicht öffnen durfte, beiseite. Ihrer sollte an das Wirtshaus gesendet werden. Die Adresse war vollständig und Kakashi hatte wirklich nicht mehr mit ihrem Auftauchen gerechnet, nachdem er sie unvorbereitet aufgesucht und wieder gegangen war. Er musste sie kurz nach seiner Ankunft aus Ishigakure geschrieben haben, denn seine Weste war seit Tagen in ihrem Besitz gewesen. Wollte sie es lesen? Sie glaubte zu wissen, was sie erwartete.

Mit zittrigen Fingern riss sie vorsichtig den Umschlag auf und betrachtete die gefalteten Zettel darin. Mit Bedacht zog sie den Inhalt heraus, während ihr Herz schneller und kräftiger Schlug. Als sie die ersten Worte las, setzte es jedoch einen langen Schlag aus. Er hatte das geschrieben, was sie vermutete, was sie aber nie lesen wollte. Sie hörte seine belegte Stimme, als würde diese ihr den Brief vorlesen. Als würde er direkt vor ihr stehen und die Worte aus sich heraussuchen. Er hatte Schwierigkeiten beim Schreiben gehabt.

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Sehr geehrte Kamiwa Shivani,
oder doch
Liebe Kamiwa oder sogar Miwa?

Ich weiß nicht, wie ich dich nach unserem letzten Treffen ansprechen soll. Es war merkwürdig. So distanziert, aber gleichzeitig irgendwie vertraut. Dass ich dir jetzt schreibe, fühlt sich surreal an. Ich weiß nicht einmal, wo ich beginnen soll. Meine Gedanken sind randvoll gefüllt und gleichzeitig wie leergefegt.

All die Jahre dachte ich, du bist tot. Jede Nacht habe ich euer Wohnzimmer gesehen. Das Blut hat mich verfolgt. Ich habe deinen kalten Körper im Arm gehalten, habe um dich geweint. Jeden Tag stand ich an deinem Grab, habe mit dir geredet und dort meinen Halt gefunden. Nun weiß ich, du warst es nicht. Du lebst. Ich habe dich mit eigenen Augen gesehen. Du hast dir sichtlich ein ruhiges Leben in Ishigakure aufgebaut. Ich hatte gar keine Zeit dich zu fragen, ob du dort glücklich bist. Bist du es? Ich hoffe, du bist es.

Ich schreibe dir aber aus einem anderen Grund: Ich möchte mich von dir verabschieden. Wenigstens diesmal, wenn ich die Chance dazu habe.

Ich habe eure Lehre nicht vergessen: Memento Mori. Memento Vivire. Ich denke daran, dass ich irgendwann sterben muss. Die Zeit ist gekommen. Ich denke auch daran, dass ich das Leben genießen soll. Ich habe es genossen, habe mein bestes versucht. Glaub mir, ich habe wirklich versucht zu leben.

Ich habe vieles in meinem Leben hinterlassen. Vor allem einen Weg gepflastert mit Leichen über Leichen. Jeder Auftrag hat seinen Tribut gefordert. Ich wollte nie, dass ich dich damit konfrontiere. Immer wenn ich dich zu Hause besuchen kam, habe ich penibel darauf geachtet, nirgends Blut hängen zu haben. Ich wollte dich nie damit beschmutzen. Du hast die Last dennoch gesehen und in die Abgründe gegriffen, um mich hochzuziehen. Aber nach deinem Tod hörte es nicht auf, eher wurde es schlimmer und ich dachte nicht mehr an eine Heimkehr. Dann entließ mich der Hokage der dritten Generation aus der Anbu.

Du wirst überrascht sein, denn dank des Hokagen hinterlasse ich Schüler mit meinen Lehren. Ich hatte viele unter meinen Fittichen: Zwei Sonderkinder in der Anbu, talentiert und begabt. Viele unerfahrene Teams frisch aus der Akademie waren auch darunter. Auch wenn diese die Glöckchenprüfung nie bestanden und zurück auf die Akademie kehren mussten. Es waren furchtbare Kinder, aber sie haben sich auf wundersame Weise dank mir gebessert. Team 7 hatte es geschafft und begleitete mich von da an. Wunderbare Schüler, die ihre ganz speziellen Eigenarten haben und mich nun nicht mehr brauchen. Vielleicht hast du bereits von ihnen gehört - zumindest wirst du noch von ihnen hören. Sakura, Sasuke und Naruto - die Helden des vierten Shinobi-Weltkrieges.

Siehst du? Ich habe wirklich versucht zu leben, habe den Neuanfang gewagt, aber ihn nie zur Vollendung gebracht.

Du hast mich in meinen schwierigsten Zeiten begleitet und mir beigestanden. Habe ich geweint, saßt du neben mir und hast mich in den Arm genommen. Später weinte ich weiterhin - wegen meiner Fehler, meiner Taten, meiner Vergangenheit - allein. Ich weiß nicht, ob ich es in den letzten Jahren besser gemacht habe, ob ich nicht doch alles falsch machte. Mein Leben war ein auf und ab.

Ich will aber nun ins Licht gehen - vermutlich komme ich eher in die Hölle. Ich kann mich nicht mehr spüren. Ich versuche täglich mir ins Gewissen zu gurgeln, dass es der falsche Ausweg ist, aber ich bin auf einem endlosen Weg gefangen. So oft habe ich es bereits versucht und bin gescheitert. Ich muss endgültig abbrechen. Ich habe jegliche Methoden versucht. Diese Stimme in meinem Kopf schreit mir dennoch zu „Komm" und mit jedem Tag klingt es willkommener. Keine Schmerzen, keine Albträume, keine Fehler - nur Friede. Das klingt doch gut oder?

Ich kann nicht mehr nach eurer Lehre leben, aber denk du bitte daran: Memento Mori. Memento Vivire.

Genieße dein Leben. Ich wünsche dir all das Glück und Gute dieser Welt.

Hokage der sechsten Generation,
dein bester Freund,
Kakashi Hatake

Nachtrag:
Solltest du diesen Brief wirklich erhalten, möchte ich noch etwas nachholen, was ich vor 18 Jahren bereits tun wollte. Ich habe dich geliebt. Ich konnte dich nie vergessen. Mein Ziel im Leben war es, dich niemals zu verletzen, denn ich liebe dich nach wie vor. Ich konnte es nicht erreichen.

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1024 Wörter

Auf den letzten Metern sind wir dem Unausweichlichen begegnet. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Triggerwarnung erinnert und auch dass die nächsten Kapitel nicht gerade Friede, Freude, Eierkuchen werden.

Aber wer meine Storys kennt, weiß dass irgendwie immer am Ende etwas Gutes bei rauskommt^^

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