Türchen 19 ~ Zeit für Tee

Einige Tagen verstrichen. Das Weihnachtsfest rückte immer näher und die Bewohner Konohas wurden immer ausgefallener. Ganz zu Kamiwas Erstaunen, als sie an diesem späten Morgen aus dem Fenster ihrer Wohnung hinab auf die Straßen blickte. Kakashi hatte sein Versprechen gehalten, trotz dessen dass sie vor ihm geflüchtet war. An dem selben Tag hatte sie ein Anbu mit Adresse und Schlüssel ausfindig gemacht und seitdem lebte sie in dieser Wohnung. Wortwörtlich - sie hatte kaum einen Schritt hinaus an die frische Luft gewagt.

Die Angst, dass sie mit Kakashi konfrontiert werden könnte, war ihr stets zu hoch. Sie sah ihn ab und zu, wie er ihre Fenster von außen musterte, wie er auf der Straße auf sie wartete. Mittlerweile war ihr klar: In seinen Pausen kam er umweglos vor ihrem Wohnblock zum Stehen. Überwachte er sie? Stalkte er sie? Auf jeden Fall fühlte sie sich unwohl, ständig seinem Blicken ausgesetzt zu sein, doch irgendwie sehnte sie sich danach, ihn zu sehen - so wie früher. Vielleicht wollte er auch nur seine Weste zurück, die seit jenem Tag unberührt über einem der Stühle hing.

In diesem Moment, als sie sich abwenden und frühstücken wollte, erhaschte sie den Blick auf den Hataken, wie er über die Straße schlenderte und dabei seine Aufmerksamkeit auf ihre Wohnung zu richten schien. Leise stieß sie einen Fluch aus, als sie hinter den Vorhängen verschwand. Hatte er sie gesehen?

Kakashi musterte derweil die Fassade des Gebäudes. Er hatte sie gesehen und überlegte wie die Tage zuvor, ob er zu ihr gehen sollte. Weiter als bis vor ihre Tür war er noch nie gekommen, hatte immer im letzten Moment einen Rückzieher getätigt. Auch in diesem Moment stand er still, ließ seine Gedanken wild toben. Er musste zu ihr, dessen war er sich bewusst. Doch - wie stark hatte er sie verletzt? Wollte sie ihn noch sehen oder gar ihm helfen? Würde es ihm weitere Wunden verpassen oder seine Risse heilen?

Er erinnerte sich an die schmerzhafte Stille, die nach ihrem letzten Treffen entstanden war. Wie er allein auf dem Friedhof gestanden hatte und ihr nachgesehen hatte. Wie er seine Entscheidung überdacht hatte, sogar anzweifelte. Er war zu dem Entschluss gekommen, es sei sein einziger Ausweg. Er wollte sie noch einmal sehen - ein letztes Mal, ehe alles in sich zusammenbrach.

Sein Herz zog sich zusammen, als er sich fragte: Hatte er alles falsch gemacht? Die Fragen nagten an ihm, rissen ihn und seine Seele entzwei, während er die Fassade des Gebäudes betrachtete, in dem sie lebte. In ihm wuchs das Gefühl der Einsamkeit, während er daran dachte, wie es hätte sein können.

Mit einem tiefen Atemzug sammelte er seinen Mut und stand kurze Zeit später im Flur des Hauses, auf ihrer Etage, vor ihrer Tür. Vielleicht war es an der Zeit, einen Schritt zu wagen, aber die Unsicherheit ließ ihn zögern, quälte seine Gedanken. Er hatte die Hand bereits erhoben, wollte klopfen. Wieder zögerte er, senkte den Kopf zwischen seine Schultern und schloss die Augen. Was, wenn sie öffnete und ihn abwies? Wieder atmete er durch, spannte seine Nerven, bereitete sie auf Alles vor.

Seine Hand zitterte leicht, als er diese erneut hob und sanft an die Tür klopfte. Hauchzart, doch das Pochen hallte an den Wänden des Flures wider. Augenblicklich hielt er den Atem an, wartete, während sein Herz wie wild schlug. Die Sekunden zogen sich zäh und er war kurz davor zu gehen, als er Schritte hörte. Zögernd. Sie wusste, dass er es war, doch sie öffnete ihm.

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Die Tasse Tee dampfte, als Kamiwa sie vor ihm abstellte und sich neben ihm auf dem Sofa niederließ. Er wusste nicht wie, doch irgendwann in ihrem Türangel-Gespräch hatte sie ihn in die Wohnung gebeten und nun saßen sie hier, schwiegen sich an. Sahen sich überall um, doch mieden den Blickkontakt mit dem jeweils anderem. Warum war er noch einmal hier? Er wollte sie ein letztes Mal sehen, doch was sollte er sagen?

Es überraschte ihn, dass das Glück auf seiner Seite stand und sie tatsächlich das Gespräch aufbaute. ,,Denkst du auch manchmal daran, was hätte anders laufen können?" Sie zog die Beine nah an ihren Körper, legte den Kopf auf ihre Knie, während er sich die Finger beinahe an der beißenden Tasse verbrannte. Er spürte, dass ihr die Worte schwer fielen, dass sie noch mit der Situation auf dem Friedhof beschäftigt war. Dass es sie überforderte und sie Abstand davon brauchte. Doch sie schien wenigstens seine Nähe irgendwie auf eine Weise zu akzeptieren. Allein dieser wirre Gedanke beruhigte ihn.

,,Ja", stimmte er ihr schlichtweg zu. Er lag so viele Nächte wach, angeklagt von seinen Träume. Er malte sich die buntesten Fantasien aus, die strahlendsten und schönsten - nur um am Tag von der Realität und den unzähligen Grautönen eingeholt zu werden. ,,Was wäre, wenn Obito damals nicht gewesen wäre oder ich früher den Mut gefunden hätte zurückzukehren oder wenn ich vor ein paar Tagen nicht aufgebrochen wäre?" Sie spekulierte, dies verstand er, aber er hörte den unterschwelligen Ton heraus, schien ihn ebenso richtig zu deuten.

,,Du überlegst, wieder nach Ishigakure zu gehen?" ,,Ich überlege, doch es ist schön, wieder hier in Konoha zu sein. Vor allem jetzt, da ich die Wahrheit kenne." Er brummte nur verstehend. War er wieder einmal Schuld? Was, wenn sie seinetwegen abreisen wollte? Was, wenn er sie nur noch mehr verletzte? ,,Ich hatte gehofft, die verlorene Zeit nachzuholen", wisperte er kaum verständlich den Gedanken aus, der ihm in den Kopf gesprungen war, sodass er schnell einen Schluck seines Tees nahm.

Seine Maske kratzte an seinem Kinn, während die heiße Flüssigkeit seinem Rachen hinabschwemmte. ,,Das geht nur nicht von heute auf morgen." Kamiwa hatte ihn gehört, hatte ihn eindeutig vernommen.

,,Das weiß ich", antwortete er, seine Stimme schwang voller Enttäuschung. Er wollte seine Gefühle mit ihr teilen, endlich die Last von seinen Schultern nehmen. Er wollte, dass sie es wusste und ihn nicht verurteilte, sollte er seine Entscheidung nicht ändern. ,,Es ist nur... ich habe so viel verloren. Ich dachte, wir könnten gemeinsam einen Neuanfang wagen."

,,Einen Neuanfang? Glaubst du wirklich, das wäre so einfach?", entgegnete sie schärfer, als sie eigentlich klingen wollte, als wären ihre Worte kleine Kunai und sie bereute ihren Ton sofort. Ihre Augen funkelten dennoch, verrieten ihren Standpunkt und er spürte, wie die Luft zwischen ihnen dicker wurde. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Natürlich verstanden sie sich nicht auf Anhieb wie die besten Freunde, die sie einst waren. Sie hatten sich weiterentwickelt, waren erwachsen geworden, hatten unterschiedliche Erfahrungen im Leben gesammelt. Sie beide waren gezeichnet vom Leben, doch auf verschiedenste Weise.

Erst als diese Erkenntnis in seinen Geist überging, erhob er sich abrupt. Der Tee in seiner Tasse schwappte über, stach und brannte auf seiner Hand. Sein Handschuh sog sich voll, seine Haut kribbelte, doch er verzog die Miene nicht, als er die Tasse mit Wucht gegen die Wand schmiss, die Scherben splittern ließ. Sein Atem ging schwer. Die Luft rasselte in seinen Lungen, ehe er sich fing und die Distanz zu ihr suchte. ,,Ich kann das nicht mehr", hauchte er den Tränen nahe. Es war zu viel. All seine Hoffnung schwand im düstren Treiben seiner Seele. Er wollte den Tränen freien Lauf lassen, doch sein Körper blockierte.

Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, auch wenn sie kein Gewicht besaßen, auch wenn sie ihn nicht verletzen sollten. Seit wann reagierte er so heftig auf einen einfachen Kommentar? Er hatte es sich einfacher vorgestellt - einen einfacheren Abschied. Stattdessen starrte er auf die dutzenden Scherben, den verschütteten Tee. Ihr verschreckter Blick entging ihm, doch als er ihn bemerkte, zersprang sein Herz endgültig. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, hastete er zu seiner Weste, riss sie vom Stuhl und stürmte aus ihrer Wohnung.

Kamiwa blieb allein zurück, realisierte zu spät, was geschehen war. Er hatte die Kontrolle verloren - nicht nur über seine Gedanken, sondern auch über seine Taten. Sie wollte ebenfalls aufspringen, ihm hinterher eilen, ihn aufhalten. Sie wusste, dass er nun jeglichen Blödsinn in seinem Kopf ausheckte, doch die Briefe auf dem Boden ließen sie innehalten. Sie waren ihm aus der Westentasche geglitten, sodass sie ihm diese mitbringen wollte, wenn sie ihn suchen ging, aber dann erkannte sie ihren Namen auf einem der Briefe.

1360 Wörter

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