Türchen 15 (I) ~ An jenem Tag

,,Wirklich?" Baff sah sie ihn an, lehnte sich sogar in seine Richtung und er musste zugeben: Er fühlte sich nicht eingeengt. Immer wenn Guy ihm zu nahe trat, trat er einen Schritt zurück, fürchtete sich gar vor seinem Rivalen, dass dieser etwas merken könnte. Bei ihr akzeptierte er die Nähe und ein kleiner Riss in seinem Herzen schien bei dieser Erkenntnis zu heilen.

,,Das bin ich dir schuldig. Auch wenn es nichts wiedergutmacht." Er stand tief in ihrer Schuld. Ob für ihr offenes Ohr in der Vergangenheit oder dass sie ihnen extra nachgereist war. Irgendwie musste er sich revanchieren, selbst wenn es das Letzte war, was er in seinem Leben tat. ,,Inwiefern schuldest du mir etwas?" Kamiwas intensiver Blick kitzelte auf seiner Haut, reizte ihn, ihr zu antworten. Stattdessen stand er auf und lief unruhig zwei Schritte hin und her.

Als müsste er Anlauf nehmen, um die Worte aus seiner Brust zu pressen. ,,An jenem Tag vor 18 Jahren", begann er und er spürte, wie sie sich verspannte. Es war auch für sie kein leichtes Thema. ,,Ich war zu langsam. Ich konnte Torao und Maiko nicht beschützen, dich auch nicht. Es war meine Schuld." Schützend vor ihrem Blick wand er sich ab und überschaute den Trainingsplatz. Er hatte es tatsächlich ausgesprochen. ,,Sie waren wie meine zweiten Eltern. Sie waren deine Eltern." Er hatte sich wohlgefühlt. Er war gern zu ihnen gegangen, hatte die Wärme einer Familie gespürt.

,,Du hast sie nicht umgebracht", hörte er sie, doch er glaubte zu vernehmen, dass sie es nicht sagte, weil sie ihn besänftigen wollte, sondern eher als würde ihr etwas klar werden. ,,Sie starben, weil sie mir wichtig waren. Jemand wollte sich an mir rächen und mittlerweile weiß ich, wer es war." Kakashi wagte einen Blick über die Schulter. Ihre braunen Augen weiteten sich mit jedem seiner Worte, desto mehr sie die Zusammenhänge zog. ,,Der Mann mit der Maske", hauchte sie und sah zu ihm empor in seine Augen, als er nickte.

,,Weißt du, wer er war?" Verwundert, wie gesprächig er war, drehte er sich ganz zu ihr. ,,Es war Obito", hing er an, als sie ihn nur verständnislos anblickte. ,,Ich nahm ihm Rin, also nahm er mir meine Liebsten. Wegen mir hast du deine Eltern verloren und musstest von Konoha fort." ,,Das kann nicht sein. Obito ist tot", stammelte Kamiwa ungehalten und schüttelte den Gedanken von sich. Fest umschlang sie sich mit ihren Armen selbst, drückte sich, um nicht von der Bank zu kippen. ,,Seit ein paar Monaten ist er tot. Er hat den Steinschlag damals überlebt, den Kyubi auf Konoha gehetzt, deine Eltern ermordet und den vierten Shinobi-Weltkrieg ausgelöst."

Kakashi spürte, wie die Erschütterung in ihr einzuschlagen drohte. Ihr Körper bebte leicht, was sie krampfhaft versuchte vor ihm zu verstecken, doch er sah es. Er kannte diese Anfälle bereits zu gut, um ihre Anzeichen blind zu erkennen. Er war keineswegs stolz darauf, doch in diesem Moment war er unendlich dankbar, dass er diese Situation händeln konnte. So nahm er all seinen Mut zusammen, hockte sich vor sie und ergriff ihre Hand. Sein Daumen streichelte vorsichtig ihren Handrücken, während er ihr in die Augen sah.

Stumm verweilten sie einen Moment in dieser Position. Es schien sich in ihrem Inneren angestaut zu haben und er verstand, dass der Druck nach Außen weichen musste. Auch wenn es ihn überraschte, dass sie nicht weinte, so fiel ihm ein, er konnte es doch selbst nicht mehr. ,,Haben sie wenigstens ein schönes Grab bekommen?" Er nickte. ,,Ich habe mich darum gekümmert. Wollen wir sie besuchen?", versicherte er ihr und fuhr mit seinen Fingerspitzen weiter ihrem Handrücken entlang.

„Danke dir, Kakashi. Ich würde sie gern wiedersehen, wenn das für dich in Ordnung ist", flüsterte sie, während sie die Tragweite seiner Worte begriff und endlich zur Ruhe kam. „Du darfst die ganze Last immerhin nicht auf dich allein nehmen." Augenblicklich senkte er den Blick, die Schuldgefühle drängten sich tiefer in sein Herzen, doch er ließ ihre Hand nicht los. Zu gut fühlte sich ihre Wärme auf seiner kühlen Haut an. Dennoch arbeitete sein Kopf auf Hochtouren. „Ich hätte es verhindern können. Ich hätte sie beschützen müssen."

„Und was wäre dann passiert? Hättest du die Zukunft verändert oder hätte es nur zu einer andere Tragödie geführt?" Ihre Stimme war sanft, aber bestimmt und er wusste: Kamiwa hatte recht. Wo stände er nun, wenn er nicht einen dieser Tode gesehen hätte? Ihm würde definitiv nicht das Herz schmerzen, seine Gedanken würden stillstehen. Vielleicht wäre er sogar glücklich. „Wir können die Vergangenheit nicht ändern, Kakashi. Wir müssen aus ihr lernen und weitermachen." Ihre Finger schlossen sich um seine Hand, als sie aufstand und ihn mit sich zog.

Sie wusste, dass er ihren Blick mit voller Absicht mied, weshalb sie ihn von den Terassen der Trainingsplätze fortzog. Sie ließen den See hinter sich und steuerten auf den Dorfkern zu, was ihn vermuten ließ, wohin sie ihn brachte. Er hatte nichts dagegen, freute sich sogar irgendwie, sie begleiten zu dürfen.

„Und was, wenn ich nicht weiß, wie ich weitermache?" Eine Mischung aus Schmerz und Hoffnungslosigkeit flammte in seiner Stimme, als er ihr hinterher stolperte und einen seiner Gedanken zu fassen bekam. „Dann lass uns zusammen einen Weg finden", antwortete sie und führte ihn durch die bunt geschmückten Straßen des Dorfes. Mittlerweile war der Markt in voller Aufruhr und zu seiner Überraschung flockten kleine weiße Kristalle vom Himmel. Seine Atemwolke spielte mit ihnen und wie verzaubert spazierte er durch die Menschenmassen.

Ihm war auch nicht kalt, aber die Wärme des Festes erreichte sein Herz nicht. Er konnte nicht sagen, wieso, doch er fühlte sich unwohl, irgendwie fehl am Platz. Er hatte dieses Fest, all die Freude und Barmherzigkeit nicht verdient. Er durfte es nicht erleben. Dazu besaß er keinerlei Recht.

Sein Gedankenrausch endete abrupt, als er beinahe in Kamiwa hineinlief. Sie war mitten auf dem Weg stehen geblieben, musterte einen der Stände, deren Interesse auch Kakashi gewann. Er erkannte den Stand sofort, so wie sie es auch getan hatte. Jedes Jahr stand er an gleicher Stelle und verkaufte seine heißbegehrten Takoyaki. Ohne groß darüber nachzudenken, löste er seine Hand aus ihrer, trat näher, zog seinen Geldbeutel und bat um eine Portion.

Es verlief so rasant, dass er fast im selben Moment die warmen Bällchen in den Händen hielt, und diese an Kamiwa weiterreichte. Überfordert blickte sie zu ihm empor, nahm die Geste jedoch herzlich dankend an. ,,Das wäre nicht nötig gewesen", brachte sie perplex aus sich heraus, doch Kakashi wank nur ab und setzte den Weg mit ihr an seiner Seite fort. ,,Du hast sie schon immer geliebt und außerdem musst du einen anstrengenden Tag hinter dir haben. Du bist immerhin heute erst angekommen", verteidigte er sich, aber ihr sanftes Lächeln bestätigte ihm, dass er das Richtige getan hatte.

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