Türchen 11 ~ Gehen

Gehen. Es klang so simpel, doch Kamiwa kam ihm zuvor und verließ den Wohnraum, ließ ihn allein mit dem Knistern der Flamme. Allein mit seinen schweren Gedanken. Dennoch - sein Entschluss stand fest. Er wusste, was zu tun war, auch wenn es ihm nicht passte. Selbst, als er die innerlichen Schmerzen bereits spürte. Er wusste, auf was er sich einließ.

Auch wenn seine Finger kribbelten und noch nicht gänzlich aufgetaut waren, so stand er auf und entfernte sich von den wohlig warmen Flammen des Kamins. Völlig überrascht, wie wackelig er auf seinen Beinen stand, setzte er mit Bedacht einen Fuß vor den anderen, während er krampfhaft das Zittern seines Körpers unterdrückte. Ihre Worte hatten tief getroffen, brachten ihn beinahe aus dem Gleichgewicht. Kakashi kämpfte sich dennoch zur Tür und trat mit all seiner Kraft in den Flur.

Unsicher setzte er seine Schritte, stützte sich zudem mit der Hand an der Wand ab und suchte seinen Weg. Aus den privaten Räumen hinaus in die Gaststube, in welcher er Guy entdeckte. Sein Rivale sah gespannt aus dem Fenster, nippte an einen Glas Wasser und drehte sich überrascht zu seinem Kameraden, als Kakashi den Stuhl zurückzog und sich zu ihm setzte.

Er spürte den Blick, wie Guy ihn abtastete - nach Anzeichen, die ihm eine Erklärung für den Vorfall gaben. Seine Augen huschten hin und her, doch er schien nichts zu finden. Kakashi zumindest vermutete dies, als er sich wieder dem Fenster zuwandte und erneut einen großen Schluck nahm. Das Glas knallte auf den Tisch, als er herumfuhr und sich ruckartig in Kakashis Richtung beugte. Zu nah. Definitiv zu nah. Kakashi hätte Guys Härchen seiner Augenbrauen zählen können!

Er hörte bereits die Frage, wie es passiert sei, wie in Kamis Namen es zu dieser Situation käme. ,,Ich habe mich erschrocken", brummte er daher und stützte das Kinn auf seine Hand. ,,Es ist ernster, als gedacht", entfloh es Guy daraufhin und Kakashi wusste, worauf er anspielte. Es musste ihm niemand sagen, denn: Es war ihm bereits selbst aufgefallen. Seine Konzentration sowie seine Aufmerksamkeit schwanden. Er wurde angreiflich und bemerkte die Fakten um sich herum nicht mehr.

Früher hätte es ihn den Kopf gekostet, sodass er all die Jahre seine Sinne schliff und schärfte. All seine Zeit, all sein Training war darauf ausgelegt gewesen und nun? Er verlor seine größten Stärken. Er fühlte sich schwach und gebrechlich, dabei war er noch gar nicht so alt, um sich um seine Gelenke und Knochen Gedanken zu machen. Vielleicht kostete ihn sein Verlust nun das Leben - in einigen Tagen, Wochen oder Monaten oder Jahren.

Beinahe klappte ihm die Hand unter seinem Kinn weg. Es war sein Zeichen. ,,Pack deine Sachen. Wir brechen heute noch auf", stellte Kakashi sein Ultimatum, ehe er sich erhob und den Stuhl zurückschob. ,,Aber Kakashi! Wir sind doch gerade erst angekommen", rebellierte Guy, sah auf und verständnislos zu seinem Rivalen, der fest hinter seiner Entscheidung stand. ,,Die Worte waren eindeutig", hielt er dagegen und trat zwischen Tisch und Stuhl hervor.

,,Ihr könnt doch aber die Zeit nachholen und alles gerade biegen." Guy verzweifelte. Manchmal wünschte er, sein Freund wäre nicht so stur. ,,Ich schlage dir das nicht als dein Kamerad vor. Ich befehle es dir als dein Hokage." Kakashis Ultimatum formte sich zu einer festen Gestalt, welche Guy schlucken ließ. Er nutzte diese Karte nicht gern, doch sein Posten als Hokage brachte seine ganz eigenen Vorteile mit sich. Er sah, wie er die Schlinge um Guys Hände zugezogen hatte und jeglicher Protest unwirksam wurde.

,,Lass sie wieder die Kamiwa werden, die du liebst."

Fertig mit seinen letzten Nerven drehte sich Kakashi und erklomm kurz darauf die Treppe, ehe er in sein Zimmer fiel und begann, seine Habseligkeiten zusammenzusammeln. Er wollte weg. Weg aus diesem Dorf. Weg von den Erinnerungen, die Kamiwa in ihm aufscharrte. Weg von all den Schmerzen, die ihr Anblick in ihm auslöste. Es machte ihn fertig. So kannte er sie nicht. Er wollte doch auch, dass er sich besserte, aber so schaffte er es nicht. Er konnte sein Versprechen nicht halten.

Kakashi kannte die Lehre des Shivani-Clans. Er konnte die Zeichen deuten, dass die Lehre sie bewegte, um mit ihm normal wie ein gesitteter Mensch zu sprechen. In Wirklichkeit konnte er den Anblick hinter dieser Fassade vermuten, wollte sich schützen, bevor diese brach. Er wollte ihre wirkliche Einstellung und ihre wirklichen Gefühle ihm gegenüber gar nicht wissen, so wie sie seine nun wusste. Umso weniger wollte er von jemandem Hilfe annehmen, der nicht vollkommen hinter ihm stand. Kamiwa zweifelte und er konnte es klar und deutlich sehen. Wenn er sich dem noch länger aussetzte, so glaubte er, bald zusammenbrechen zu müssen.

Guy drehte derweil sein Glas zwischen seinen Fingern, sah seinem Rivalen noch lange hinterher. Er wusste, dass Kamiwa Kakashi auf den rechten Weg bringen konnte, doch etwas war geschehen. Etwas hatte sie entzweit und das war definitiv nicht nur die Entfernung zueinander gewesen! Er konnte grübeln, so viel er wollte, doch er würde keine stille Antwort erhalten.

Zu seinem Glück kehrte die junge Frau zurück, brachte die Einkäufe in die Küche, als Guy sie zu sich rief. Er konnte immerhin schlecht zu ihr gehen und auf seinen Händen wollte er nicht herumtrampeln. Nach seinem Ermessen brauchten sie ein Gespräch auf Augenhöhe, was er auch bekam. ,,Wir brechen heute noch auf." Ihre Augen weiteten sich. Er hatte sich eine andere Reaktion erdacht. Eine frohe, erheiterte Reaktion, die glücklich war, sie endlich los zu sein.

Stattdessen blieb sie ruhig, setzte einen fast schon wehleidigen Blick auf. Sie war es doch, die wollte, dass sie gingen. ,,Es tut mir leid, dass ich euch nicht helfen kann", meinte sie und war wie ausgewechselt, was Guy mehr als nur überraschte. War dies ein Teil des Blicks hinter ihre Fassade? Was gab es dort, was er nicht sah? ,,Ich hatte mir von dieser Reise mehr erhofft", gestand er, seufzte tief und trank den letzten Schluck seines Wassers.

Sein Rachen brannte und die Angst um seinen jahrelangen Freund stieg. Wie lange würde er noch durchhalten? Es war nur noch eine Frage der Zeit. ,,Weißt du, er versprach Obito, dich nach Hause zu holen", begann er. Seine Stimme wurde von einer Mischung aus Besorgnis und Zittern durchzogen. Er hatte die Chance gewittert, hatte sie ergreifen wollen, doch sie war ihm gnadenlos durch die Finger geglitten.

Die Enttäuschung schnitt tief und Guy spürte, wie die Worte in seiner Kehle stecken blieben. ,,Kakashi hat sich verändert. Zum Guten, aber genauso auch ins Schlechte. Ich mache mir Sorgen." ,,Ins Schlechte?", entgegnete Kamiwa, in deren Augen der Zwiespalt aufflackerte. ,,Als wäre er in alte Muster gerutscht oder ich habe es nie mitbekommen und er steckt dort schon seit Jahren. Du hast es immer gesehen und ihn wieder in die richtige Bahn gebracht." Hatte Guy richtig gesehen?

Er beobachtete sie bei seinen Worten genau, achtete auf jedes Wimperzucken und tatsächlich: Er sah, wie sie mit sich rang. Wie sie abwog. Wie sie die Situation einschätzte. Anfangs hatte Guy sie überrannt und zu viele Informationen auf einmal gegeben. Nun hatte sie ihn selbst gesehen, selbst mit ihm gesprochen. Hatte sie umgedacht?

1177 Wörter

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top