Die Seestadt


Bard fuhr seinen Kahn zum Zolltor, damit er in die Stadt kam. Er lief auf dem Steg zu einer Holzhütte. Aus dieser tauchte gerade ein etwas älterer Mann auf. Mit dem Zettel in der Hand, den Bard ihm gegeben hatte, verschwand er in der Hütte. Kurz darauf trat er wieder hinaus. Der Mann wollte dem Kahnführer gerade den Zettel überreichen, den er anscheinend abgestempelt hatte.

Doch da tauchte plötzlich ein schleimiger Typ mit mehreren Wachen auf.

Er war ganz in schwarz gekleidet und hatte einen komischen Hut auf. Seine dunklen Augenbrauen waren zusammengewachsen und die schwarzen Haare trieften nur so vor Fett und würden sich bestimmt über eine Wäsche freuen. Er bewegte sich ziemlich bucklig, auch wenn er wahrscheinlich noch gar nicht so alt war, wie er jetzt aussah.

Der ekelhafte Mensch besah sich den Zettel in seiner Hand genauer und sprach:„ Nicht so voreilig. Hier steht Lieferung von leeren Fässern aus dem Waldlandreich. So weit ich weiß, habt ihr eine Genehmigung als Kahnführer und nicht als Fischer, Bard!"

„Die Menschen in der Stadt leiden, Alfrid! Sie haben Hunger und die Zeiten hier sind schwer.", erwiderte Bard.

„Bard, der Retter der Menschen in Not! Immer für sie da! Kippt den Fisch ins Wasser!", gab Alfrid den Befehl an die Wachen, die bis jetzt nur blöd rumgestanden sind.

"Was glaubt Ihr, wird geschehen wenn die Bewohner hier von erfahren? Dass der Bürgermeister Fisch ins Wasser werfen lässt? Dann werden die Aufstände beginnen!", drohte Bard Alfrid.

Alfrid dachte nach und gab dann zerknirscht den Wachen ein Zeichen, dass sie aufhören sollten. Denn die hatten schon angefangen, den Fisch über Bord zu kippen.

Mich hatte Alfid bis jetzt noch nicht bemerkt, doch das änderte sich schneller, als mir lieb war, denn sein Blick fiel auf mich, als er den Kahn genauer betrachtete.

Er ging auf mich zu und fuhr Bard an: „Habt ihr etwa vergessen, dass man Gäste beim Bürgermeister melden soll. Besonders in diesen schwierigen Zeiten, wie ihr sie vorher so schön beschrieben habt. Wir haben nicht genug essen, um für Fremde zu sorgen."

„Ich wusste nicht, dass ich mich melden muss, wenn ich meinen Schwager besuchen will. Aber wenn die Zeiten gerade so schlecht sind, kann ich auch wieder gehen! Ich wollte euch keine Probleme machen.", säuselte ich Alfrid vor und kippte meine Kapuze nach hinten, sodass mein Gesicht und meine Haare zu sehen waren, aber nicht meine spitzen Ohren. Der schleimige Typ brachte seinen Mund nicht mehr zu und wahrscheinlich war er kurz davor zu sabbern.

So schön bin ich jetzt auch wieder nicht. Was wird er erst tun, wenn ihm Arwen gegenüber stehen würde, fragte ich mich.

„Oh! Nein, ihr könnt natürlich die Seestadt betreten. Wir machen eine Ausnahme. Es wäre schön, wenn ihr uns eine Weile mit eurer Schönheit beehrt!", stotterte Alfrid.

Ich lächelte ihn zuckersüß an, auch wenn ich mich eher übergeben hätte und nickte ihm dankend zu.

Nun wendete sich der schwarzhaarige Typ wieder Bard zu und drohte ihm: „Der Bürgermeister hat eine Auge auf euch, Bard. Wir wissen, wo ihr wohnt."

„Das hier ist eine kleine Stadt, Alfrid. Jeder weiß von jedem, wo er wohnt!", antwortete ihm Bard gelassen und fuhr weiter in die Seestadt, sobald Alfrid und seine Lakaien den Kahn verlassen hatten.

Immer weiter lenkte Bard seinen Kahn in die Seestadt, bis er an einem Steg anhielt, seinen Posten verließ und anfing, die Fässer mit den Zwergen drinnen, umzukippen.

Doch mehr als zwei brauchte es nicht und die Zwerge kletterten freiwillig aus den Fässern. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich in die nicht begeisterten Gesichter der Zwerge sah. Deshalb kehrte ich ihnen den Rücken zu und musterte die Häuser und Stege um uns herum.

Bard trat auf den Steg, drückte einem Mann Geld in die Hand und flüsterte ihm zu: „Du hast sie nicht gesehen und sie waren niemals hier! Den Fisch kannst du umsonst haben."

Bard rief die Zwerge und mich zusammen und befahl uns, schnell und unbemerkt hinter ihm her zu laufen, damit uns nur wenige Bewohner der Seestadt registrierten.

Und so machten wir uns auf den Weg zu Bard's Haus.

Alles hätte so einfach sein können, wenn uns nur nicht die Wachen entdeckt hätten. Aber nein! Natürlich mussten sie auf uns aufmerksam werden. Also mussten wir flüchten. Wir alle rannten Bard hinterher, bis wir von allen Seiten eingekesselt wurden. Und das auch noch an einem Platz, auf dem so viele Bürger ihre Stände hatten. Doch die Zwerge ließen sich davon nicht beirren. Auf ein mal griffen sie die Wachen an und kämpften ohne jegliche Waffen gegen diese. Ich hielt mich eher im Hintergrund, genauso wie Bard. Er sah nicht gerade begeistert aus, aber etwas einzuwenden hatte er auch nicht. Eine Wache nach der anderen wurde unschädlich gemacht, jedoch blieb den Zwergen nicht viel Zeit zum verschnaufen, da bereits ein weiterer Trupp im Anmarsch war. Sie fragten zwar, was hier los sei, aber niemand antwortete ihnen. Was mich aber am meisten wunderte war, dass die Bewohner der Seestadt die bewusstlosen Wachen hinter Körben oder sonstigem versteckten. Als sich aber eine der Wachen rührte, dachte ich schon, dass jetzt alles vorbei wäre, doch eine Frau ließ 'versehentlich' einen Blumentopf fallen, der der Wache genau auf den Kopf folg. Diese blieb dann sofort wieder ruhig liegen. Bard jedoch verärgerte den Anführer der Wachen mit irgendetwas, denn dieser ging mit seinem Gefolge davon. Alles atmete auf und lief normal weiter.

Doch das sollte noch nicht alles sein, denn Bard's Haus wurde bewacht, wie uns sein Sohn Bain berichtete.

So musste nun schnell eine Lösung gefunden werden, die Zwerge ins Haus zu schmuggeln, ohne das es die Bewacher des Bürgermeisters mitbekamen.

Bard, Bain und ich stiegen die Stufen zu deren Haus hinauf und betraten es. Der Kahnführer jedoch warf einen Apfel auf zwei Männer zu, die ganz 'zufällig' vor seinem Haus fischen. Danach schritt er ebenfalls über die Schwelle in sein Haus und wurde prompt von seinen beiden Töchtern umarmt und willkommen geheißen.

Der Vater der drei Kinder forderte Bain auf, die Zwerge heraufzuholen. Er polterte die Treppe hinunter und kurz darauf kamen nacheinander 13 Zwerge und ein Hobbit in den Raum.

Pietsch-Nass und diese düsteren Gesichter!!

Ich drehte ihnen meinen Rücken zu, damit sie mein Lachen nicht sehen konnten.

Als ich mich wieder im Griff hatte, sah ich mir das Holzhaus genauer an und musste zugeben, dass es sehr gemütlich zu sein schien.

Die beiden Mädchen namens Sigrid und Tilda verteilten den Zwergen trockene Kleider. Auch mir boten sie welche an, die ich dankend annahm. Sigrid führte mich in ihr Zimmer, damit ich mich umziehen konnte. Falls ich etwas benötigte, sollte ich mich bei ihr melden, da sie vor der Tür warten würde. Ich zog mir meinen Mantel aus, was sich noch als sehr einfach erwies. Dann entledigte ich mich meinen Schuhen und meiner Hose. Doch bei meinem Kleid sah das anders aus, deswegen schloss ich die Tür auf und bittete Sigrid um Hilfe.

Ich bin noch nicht mal in der Lage, mich selbst aus-und anzuziehen! Wie soll es jetzt weitergehen. Und wie sollte ich jemals wieder kämpfen?, diese Fragen spuckten mir im Kopf herum.

Sigrid trat ein und half mir die Schnüre von meinem Kleid zu öffnen und ließ es auf den Boden fallen. Mit dem rechten Arm schlüpfte ich aus dem Ärmel des Pullovers und zog ihn mir über den Kopf. Dann fasste die älteste Tochter von Bard den linken Ärmel an und zog ihn vorsichtig herunter. Zum Vorschein kam eine blutverkrustete Schulter. Sigrid verschwand aus dem Zimmer und kam nach kurzer Zeit mit einer Schüssel heißem Wasser und mehreren Tüchern wieder. Sie setzte sich auf einen Stuhl und deutete mit dem Kopf auf den Stuhl gegenüber. Also ließ ich mich ebenfalls nieder. Die Tochter tunkte ein Tuch in die Schüssel und fuhr damit über meine verletzte Schulter. Zuerst säuberte sie die Ränder und dann versuchte sie den Schmutz aus der Wunde zu waschen. Ich konnte nicht verhindern, dass mir manchmal erstickte Schmerzensschreie entwichen, was sie aber nicht störte. Oin schien mich gehört zu haben, denn auch er betrat das Zimmer mit einer kleinen Dose in der Hand. Er sagte, dass das eine Entzündung der Wunde verhindern sollte und strich mir die Paste auf meine Verletzung, nachdem Sigrid fertig war. Der Zwerg verließ das Zimmer wieder und die Tochter verband meine Schulter.

Ich bemerkte erst jetzt, dass ich nur noch mein weißes Unterkleid trug, welches mir nur bis oberhalb meiner Knie ging. Auch Sigrid schien es zu bemerken, denn sie reichte mir eine graue Hose, einen ebenfalls grauen, langärmligen Pullover mit rundem Ausschnitt und ein blaues, bodenlanges Kleid. Dazu eine graue Strickjacke. Die Klamotten waren alle ganz schlicht gehalten und ohne irgendwelche Verzierungen. Meine Schuhe konnte ich weiterhin anziehen, da sie nicht wirklich große Schäden besaßen. Als ich fertig angezogen war, drehte ich mich zu Sigrid um und bedankte mich für die Kleidung und ihre Hilfe. Kurzerhand ging ich auf sie zu und umarmte sie, so gut es mit einem Arm ging. Im ersten Moment schien sie überrascht zu sein, doch sie erwiderte die Umarmung.

Wir verließen zusammen ihr Zimmer und stiegen die Treppe hinunter zu den anderen. Die stritten sich über die Waffen, die Bard ihnen gerade zeigte. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf diese und konnte die Zwerge teilweise verstehen. Aber im Endeffekt konnten sie diese Waffen genauso benutzen wie Schwert und Axt. Also verstand ich sie nicht wirklich. Auch Balin schien derselben Meinung zu sein wie ich, erhielt von Thorin und den anderen aber keine Zustimmung.

Jemand tippte mich von hinten an und ich zuckte kurz zusammen. Aber es war nur Sigrid, die einen Schal in der Hand hielt. Ich musste sie ziemlich verwirrt angesehen haben, denn sie erklärte: „Es wäre besser für euren Arm, wenn ihr ihn in einer Schlinge habt, dann hängt er euch nicht im Weg und ihr denkt eher daran, dass ihr ihn nicht benutzen könnt."

Da ich nichts dagegen einwenden konnte, band sie mir den Schal um den Hals und legte meinen linken Arm hinein. Ich dankte ihr und bot Sigrid an, dass wir uns duzen könnten. Sie nickte begeistert, streckte mir ihre Hand hin und sprach: „Sigrid!"

„Elenarda!", antwortete ich ihr.

Auch Bard, Bain und Tilda bot ich an, die Höflichkeitsfloskeln zu lassen, was sie gern annahmen.


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