Tiefpunkt der Freundschaft

Harry und Ron waren so sauer auf uns, dass wir die restlichen Ferien kaum ein Wort wechselten. Hermine und ich verbrachten viel Zeit in der Bibliothek, wo wir gemeinsam Hausaufgaben machten. Außerdem durchsuchten wir auch alle Bücher, in denen etwas drinstehen könnte, was Hagrid und Seidenschnabel helfen könnte.
Es wunderte mich, wie Hermine alles bewältigen konnte, ohne zusammenzubrechen.
Wobei das wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit war. Sie hatte sehr viel zu tun und die Schatten unter ihren Augen wurden mit jedem Tag der verging, dunkler.
Ich versuchte, sie aus der Bibliothek herauszulocken, auch wenn es nur ein Spaziergang war oder ein kurzer Besuch bei Tatze, aber sie vergrub sich in Büchern und Hausaufgaben. Nur zu Besuchen zu Hagrid ließ sie sich überreden.
Ich fing an, mir wirklich Sorgen um sie zu machen und war beinah froh, als die Ferien zu Ende waren. Ich dachte, der Schulalltag würde sie ablenken, doch das erwies sich als falsch.
Sie lernte nur noch mehr.

Ich bekam am Rande mit, wie Harry jede Woche McGonagall nach seinem Feuerblitz fragte und das Professor Lupin ihm beibrachte, sich gegen Dementoren zu verteidigen.  
Denn in ein paar Tagen würde das nächste Quidditchspiel stattfinden.

Am Einem Abend saßen Hermine und ich mal nicht in der Bibliothek, sondern im Gemeinschaftsraum und machten Hausaufgaben. Also, Hermine machte Hausaufgaben, ich beobachtete Fred und George, die mit ihren Witzen wieder alle unterhielten. Harry war noch bei Professor Lupin und Ron ignorierteuns wie neuerdings immer. Gerade als ich verkünden wollte, ich würde ins Bett gehen, kam Harry in den Gemeinschaftsraum, seinen Feuerblitz in der Hand. Sofort war er umringt von den anderen Mitschülern, die jetzt schon Ravenclaws Niederlage feierten. 
Nach einer Weile verteilten sich alle, worauf Harry einen Blick in unsere Richtung warf und dann etwas Ron zumurmelte.
Beide näherten sich unseren Tisch, wo sie verlegen stehenblieben. Hermine sah nicht mal von ihren Unterlagen auf.
„Schaut mal, ich habe ihn wieder!“, sagte Harry überflüssiger Weise.
„Und er war nicht verhext!“, fügte Ron rechthaberisch hinzu.
Hermine erwiderte abwesend:
„Es hätte aber sein können.“
„Jedenfalls war er es nicht und wir wollten uns entschuldigen. Ihr habt nur gut gemeint und wir haben uns unmöglich benommen. Aber wir waren einfach enttäuscht.“
„Kann ich ja auch verstehen“, räumte ich ein. „Aber jetzt weißt du sicher, dass er nicht verhext ist. Denn die Gefahr ist nun mal da, wenn man so einen Besen geschenkt bekommt.“
„Ja, nun, wir vergeben euch“, sagte Ron hastig.
Ich schnaubte.
„Zu gnädig.“
„Ich werde den Besen mal noch oben bringen.“
„Ich kann ihn mitnehmen“, warf Ron ein. „Ich wollte sowieso in den Schlafsaal – Krätze muss noch seine Medizin bekommen.“
Harry übergab den Besen an Ron, der aus dem Gemeinschaftsraum verschwand. Harry setzte sich zu uns.
„Hermine, du siehst müde aus. Sicher, dass du dir nicht zu viel vorgenommen hast?“
„Ach, nein. Ich schaffe das schon. Ich arbeite einfach mehr.“
Harry warf mir einen besorgten Blick zu, den ich erwiderte. Doch aus der doppelten Überredungsarbeit wurde nichts, denn ein Schrei aus dem Jungenschlafsaal ertönte. Alle wandten sich um.
Ron kam die Treppe runtergestürzt, eine Decke hinter sich her schleifend.
„Du bist Schuld! Du hast nicht aufgepasst!“, schrie er Hermine an.
„Ron, was ist passiert?“, fragte Hermine verblüfft. 
„Krätze ist weg! Und guck dir an, was auf der Decke war!“ Ron wedelte mit einer Ecke der Decke vor uns auf und ab. Ich griff nach ihr und hielt sie fest, um zu sehen, was Ron überhaupt meinte. Ein rostroter Fleck war darauf …
„Blut! Und rate mal, was daneben lag!“
Hermine war weiß geworden. Als Antwort warf Ron, ein Büschel Fell auf den Tisch.
Die Farbe hatte eine unheimliche Ähnlichkeit mit Krummbeins Fellfärbung.

Die Freundschaft zwischen Ron und Hermine schien vollkommen zerstört. Als ich Ron zu erklären versuchte, dass Krummbein nun mal ein Kater war, der aus einem Instinkt heraus – für den er überhaupt nichts könne – Mäuse und Ratten jagte, war er auch auf mich sauer. Harry war der Meinung, dass Hermine besser hätte aufpassen können, was Krummbein anstellte.
„Überwachst du Hedwig in deiner Freizeit?“, fragte ich ihn entnervt, nachdem er dieses Argument vorgetragen hatte.
„Das geht gar nicht!“, widersprach Harry. „Sie ist eine Eule. Man kann ihr weder Vorschriften machen, noch immer hinter ihr her rennen.“
„Eben. So groß ist doch da der Unterschied gar nicht. Auch Katzen kann man das Jagen nicht verbieten oder immer einsperren. Versteh das doch!“ Aber er konnte – oder wollte – es nicht verstehen.

Ein paar Tage später fand das Quidditch-Spiel gegen Ravenclaw statt. Wenn Gryffindor diese Spiel gewann durften wir Gryffindors wieder vom Pokal träumen. Ich wollte mir dieses Spiel auf keinen Fall entgehen lassen und auch Hermine wollte – trotz Hausaufgaben – mitkommen.
„Ich könnte mich hier nie konzentrieren. Was ist, wenn wieder Dementoren auftauchen? Ron und Harry mögen sauer auf mich sein, aber ich würde niemals wollen, dass einem von ihnen etwas zustößt.“
Ich verstand sie.
Beim Spiel setzten wir uns zu Parvati und Lavender. Nervös biss ich mir auf die Lippe. Als Madam Hooch den Startpfiff gab, erkannte ich, dass die Sucherin der Ravenclaws die Schülerin war, die am Anfang des Schuljahrs ihr Misstrauen gegenüber Arcturus und mir vor der ganzen Schule deutlich machte.
Ich spürte sofort heftige Abneigung. Ich lauschte Lee Jordans Kommentare, um den Namen von ihr herauszubekommen, doch das brachte heute nicht viel:
„Und oben sind sie! Als erstes oben ist Harry Potter, der einen Feuerblitz fliegt – den schnellsten Besen überhaupt. Die automatisch eingebaute Bremse ist jetzt sehr nützlich. Übrigens hat der Feuerblitz-“  „Jordan! Machen Sie keine Werbung, berichten Sie vom Spiel!“, wies ihn Professor McGonagall zurecht.
Ich beugte mich zu Hermine rüber.
„Weißt du, wie die Sucherin der Ravenclaws heißt?“
„Die was?“
„Das Mädchen mit den langen, schwarzen Haaren!“
„Achso.“ Hermine folgte ihr mit den Augen. „Das ist Cho Chang. Sie soll intelligent sein, lustig und sehr nett. Das sie hübsch ist, siehst du ja. Viele Jungs haben eine Schwäche für sie.“
„Jeder Mensch hat hässliche Seiten. Sie spielt bestimmt gerne Prinzessin auf der Erbse – oder die Prinzessin in Nöten.“
Hermine lachte. Zum ersten Mal seit langer Zeit.
„Ja, so sieht sie auch aus.“ 
Cho blockte Harry andauernd und verhinderte so, dass er in Ruhe nach dem Schnatz suchen konnte. Harry bremste immer oder wich ihr aus, bis Oliver Wood der Kragen platzte.
„Harry, du kannst doch jetzt nicht den Kavalier spielen!“, schrie er ihm für alle hörbar zu. „Schmeiß sie, wenn nötig, runter vom Besen!“
Hermine und ich prusteten los und als ich zu Cho sah, bemerkte ich, dass auch sie grinste. 
Die Gryffindors schwangen sich zu Höchstleistungen auf und führten innerhalb kürzester Zeit mit achtzig Punkten Vorsprung. Wenn Harry jetzt den Schnatz fing, hatten wir gewonnen … 
Dann punkteten die Ravenclaws ein paar mal … achtzig zu dreißig… 
Auf einmal schoss Harry senkrecht nach unten, dicht gefolgt von Cho. Doch Harry wendete und flog nun nach oben, während Cho weiter in die Tiefe trudelte. Harry flog auf die Seite der Ravenclaws, wo man den Schnatz glitzern sah. Cho versuchte ihn einzuholen, doch Harry war schneller. Der Feuerblitz machte seinem Namen und Ruf alle Ehre. Kurz verspürte ich das heftige Bedürfnis, Harry anzubetteln, mich auch mal mit dem Besen fliegen zu lassen. Aber ich hatte meinen Stolz. 
Cho rief etwas und zeigte nach unten. Harry drehte sich um, die Hand tastend ausgestreckt.
Suchend blickte auch ich in die Richtung und sah zwei vermummte Gestalten in langen Umhängen in der Mitte des Feldes. Ich bekam einen Schreck und gleichzeitig wunderte ich mich, warum diese Dementoren so anders aussahen. Etwas leuchtend silbriges schoss vom Himmel herab und traf die Dementoren, weshalb sie hinfielen.
Um uns herum fingen alle an zu toben und erst jetzt realisierte ich, dass Harry den Schnatz gefangen hatte. Der Lärm war ohrenbetäubend laut. Zweihundertzwanzig zu dreißig – wenn das kein eindeutiger Sieg war. Ich jubelte zusammen mit den anderen Gryffindors und als sich irgendwann vor mir eine Lücke auftat, schlüpfte ich hindurch und rannte aufs Feld. 
Professor Lupin führte Harry gerade zu der Stelle, wo die Dementoren standen. Ich folgte ihnen unauffällig und tiefe Enttäuschung durchflutete mich, als ich erkannte, was Sache war. Malfoy hatte sich offenbar auf Goyles Schultern gestellt und Arcturus auf Crabbes. Die Umhänge hatten sie sich über die Köpfe gezogen, wodurch das dementorenähnliche Aussehen entstanden war. 
McGonagall hatte sich vor den Vieren aufgebaut und schimpfte sie in Grund und Boden. Harry wirkte zufrieden und wandte sich ab, doch ich beobachtete Arcturus. Als er seinen Kopf hob, traf sein Blick meinen. Er zuckte zusammen, als er die Enttäuschung darin sah und betont langsam wandte ich ab und ging.

An diesem Abend war es sehr laut im Gemeinschaftsraum. Alle lachten und feierten, als wäre der Quidditchpokal bereits gewonnen.
Nur Hermine saß in einer Ecke, umgeben von Büchern und las. Ich konnte es nicht glauben.
„Wie kannst du bei dieser Lautstärke lesen?“
„Ich blende sie aus“, war die schlichte Antwort, bei der Hermine nicht mal aufsah. Mir war klar, dass es keinen Zweck hatte sie zu bitten, dass Buch wegzulegen und für einen Abend Spaß zu haben. Ich seufzte lautlos, sah auf und bemerkte Harry, der vor uns stand.
„Hi.“ Er wirkte ein wenig verlegen. „Wart ihr beim Spiel?“
„Natürlich!“, antwortete ich ihm und Hermine sagte:
„Ja, und ich bin auch sehr froh, dass wir gewonnen haben. Aber jetzt muss ich unbedingt das Buch lesen!“
„Ach, komm schon Hermine!“, versuchte Harry sie zu überreden.
„Nein! Außerdem will  er mich ja auch nicht dabeihaben.“ Hermine warf einen Blick in Rons Richtung.
Ich wollte gerade wiedersprechen, als Ron mit lauter Stimme sagte:
„Wäre Krätze nicht vor kurzem gefressen worden, hätte er etwas von dieser Zuckerwattefliegen abhaben können. Die hat er geliebt!“
Hermine brach in Tränen aus, nahm ihr Buch und verschwand im Schlafsaal.
„Toll Ron!“, sagte ich bitter. Durch das Spiel hatte ich zwar mit den beiden Jungs halbwegs Frieden geschlossen, aber Hermine war schon überfordert genug. Da musste Ron sie nicht noch zusätzlich herunterziehen. Auch Harry war sauer.
„Kannst du es nicht mal gut sein lassen?“
„Nein! Sie tut ja nicht mal so, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. Als wäre Krätze nur in den Urlaub gefahren!“
Ich packte Hermines Sachen ein wenig zusammen und ging kurz darauf selber schlafen. Hermine war noch wach und lag mit roten Augen lesend in ihrem Bett. Wie sollte dieser Streit nur enden?

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