Sieg und Niederlage
An dem Morgen, an dem das Finale Quidditchspiel zwischen Gryffindor und Slytherin stattfand, schien die Sonne. Es war windstill – wirklich ein wunderschöner Tag. Doch die Spannung in der Luft war so groß, dass man sie fast mit Händen greifen konnte.
Direkt nach dem Frühstück führte der Mannschaftskapitän Oliver Wood das Gryffindorteam nach draußen.
Kurze Zeit später folgte die ganze Schule.
Aus Gewohnheit heraus warf ich einen Blick zum Wald. Ich hoffte Tatze zu sehen, doch ich rechnete nicht wirklich damit. Zumal es eh zu weit weg war. Umso erstaunter war ich, dass ich zwischen den Bäumen, die die Straße nach Hogsmeade säumten, eine Bewegung wahrnahm . Ich kniff die Augen zusammen und erkannte allmählich die Umrisse eines Hundes.
„Komm schon, Melania. Wir haben keine Zeit zu trödeln!“, rief Ron von weiter vorne und erst jetzt realisierte ich, dass ich ein ganzes Stück hinter ihm und Hermine zurükgeblieben war.
Ich beeilte mich, wieder aufzuschließen, doch kurz bevor wir das Stadion betraten, sah ich noch mal zurück. Tatze konnte ich immer noch erkennen, genauso wie sieben rot gekleidete Spieler, die in unsere Richtung gingen. Mir fiel auf, dass Tatze Harry – er war der Kleinste im Team – nicht aus den Augen ließ. Das machte mich fast ein wenig eifersüchtig.
Er schenkte Harry mehr Beachtung als mir, obwohl ich ihn über ein halbes Jahr fütterte. Aber vermutlich lag es nur daran, dass er Harry als Einzigen von den Spielern kannte.
Nachdem Ron, Hermine und ich uns gute Plätze gesichert hatten, packten wir unsere Schals aus und banden sie und um, hingen ein großes Spruchband vor unsere Plätze und bewaffneten uns mit rot-goldenen Fahnen.
Dann war es so weit. Die Spieler betraten das Feld, die Kapitäne begrüßten sich und Madam Hoochs Pfeife ertönte.
„Und hier kommen sie! Das Team von Oliver Wood aus Gryffindor, weithin anerkannt als das beste Team, was Hogwarts je hatte –“ Die Slytherinfans buhten. „- und das Slytherinteam, angeführt von Mannschaftskapitän Marcus Flint!“ Lee Jordan kommentierte das Spiel wie immer mehr oder weniger parteiisch.
„Gryffindor im Ballbesitz, Alicia Spinnet fliegt direkt zu den Torstangen der Slytherins! Mach ihn rein, Alicia!“ Auf Lees Kommentar folgte Applaus der Slytherins und stöhnen der Gryffindors. „Warrington fängt den Quaffel ab und ist nun in die Gegenrichtung unterwegs – autsch! – er hat einen Klatscher von George Weasley abgekriegt und den Quaffel fallengelassen! Angelina Johnson aus Gryffindor fängt ihn – durch nicht lässt sie sich aufhalten bei ihrem Flug – Und sie trifft! Zehn zu Null für Gryffindor!“
Ich sprang auf und jubelte und klatschte mit allen anderen. Doch noch war nichts gewonnen. Gryffindor musste fünfzig Punkte Vorsprung haben, dann durfte Harry den Schnatz fangen und dann – erst dann – gehörte der Quidditchpokal uns.
Nachdem Angelina das erste Tor erzielt hatte, flog der Kapitän der Slytherins in sie hinein und schleuderte Angelina deshalb fast vom Besen. Im Gegenzug haute ihn Fred mit seinem Schläger an den Hinterkopf, so dass Flints Nase gegen seinen Besen knallte und zu bluten begann.
„Das reicht jetzt!“ Madam Hooch flog zu ihnen. „Strafstoß für Slytherin wegen mutwilliger Verletzung ihres Jägers und Strafstoß für Gryffindor wegen einer willkürlichen Attacke auf ihre Jägerin!“
Alicia übernahm den Strafstoß der Gryffindors und verwandelte den Punktestand in zwanzig zu null. Flint führte den Strafstoß der Slytherins aus. Oliver war angespannt, doch er hielt den Quaffel. Kurz darauf beging Slytherin ein weiteres Foul. Montague, ein Jäger der Slytherins, war Katie Bell, die gerade im Quaffelbesitz war, in die quere geflogen. Statt sich den Quaffel zu nehmen, hatte er Katies Kopf gepackt. Katie drehte ein paar Saltos, schaffte es auf dem Besen zu bleiben, ließ aber den Quaffel fallen.
Noch nie habe ich ein Quidditchspiel erlebt, bei dem so viele Strafstoße zugesprochen wurden.
Lee fiel es immer schwerer unparteiisch zu kommentieren, was ich durchaus verstand.
Ich war auch sehr wütend auf die Slytherinspieler. Wenn Lee zu sehr gegen sie schimpfte, wollte McGonagall ihm das magische Megafon wegnehmen. Bisher ohne Erfolg.
Kurze Zeit später wurde Gryffindor wieder ein Strafstoß zugesprochen. Die Treiber der Slytherins hatten beide Klatscher auf Oliver geschmettert. Sie trafen ihn kurz nacheinander in der Magengegend und Oliver kippte zu Seite weg. Eine Sekunde lang dachte ich, er würde vom Besen fallen, doch er klammerte sich fest.
„Ihr sollt den Torhüter nicht angreifen, außer wenn der Quaffel im Torraum ist!“, schrie Madam Hooch die Treiber an. „Strafstoß für Gryffindor!“
Angelina verwandelte den Punktestand in sechzig zu zehn für Gryffindor. Nur wenige Sekunden später schmetterte Fred einen Klatscher gegen Warrington und schlug ihm den Quaffel aus den Händen. Alicia fing ihn und trieb ihn ins Tor der Slytherins. Siebzig zu zehn.
Jetzt hing alles von Harry ab. Nervös kaute ich auf meinen Fingernägeln, während ich Harry beobachtete. Er flog über das Spielfeld, seine Augen huschten umher. Plötzlich raste er steil nach oben. Ein paar Meter über Harry sah man den Schnatz glitzern. Er streckte die Hand aus, hatte ihn fast erreicht, als wie aus dem Nichts Malfoy auftauchte. Seit dem letzten Jahr war er der Sucher der Slytherins, allerdings war nur ins Team gekommen, da sein Vater dem ganzen Team Nimbus 2001 gekauft hatte. Jetzt packte er den Schweif von Harrys Feuerblitz und zog. Sein Gesicht lief rot an vor Anstrengung und kurz darauf musste Malfoy auch loslassen, aber der Schnatz war verschwunden.
„Du betrügerisches Schwein!“, brüllte Lee Jordan ins Megafon und huschte hastig aus der Reichweite von McGonagall. „Du dreckiges, fieses, falschspielendes Miststück!“
McGonagall scherte sich nicht um Lees Worte. Sie schüttelte wütend die Fäuste in Richtung Malfoy und ihr Gryffindorhut fiel ihr vom Kopf.
Gryffindor bekam wieder einen Strafstoß zugesprochen, doch Alicia, die den Strafstoß übernahm, war so sauer, dass sie ein paar Meter danebenschoss.
Die Slytherins hingegen waren sehr erfreut über Malfoys Foul an Harry und Montague erzielte noch ein Tor.
Ich warf einen Blick zu Hermine, die ja eigentlich kein Quidditchfan war. Aber wie bei allen anderen flackerten ihre Augen zwischen dem Quaffel und Harry hin und her.
Angelina hatte im Moment den Quaffel, doch der Weg wurde ihr versperrt. Alle Slytherinspieler – außer Malfoy – flogen auf sie zu, um Angelina abzublocken. Doch sie hatten ihre Rechnung ohne Harry gemacht. Der legte sich auf seinen Feuerblitz und schoss wie eine Kugel auf sie zu. Bei diesem Anblick stoben die Slytherins auseinander und Angelina hatte ihre frei Bahn. Und die nutzte sie auch.
„Toooor! Angelina Johnson trifft! Gryffindor führt jetzt achtzig zu zwanzig!“, rief Lee.
Ein Stöhnen ging durch die Gryffindorfans, die eben noch gejubelt hatten, als Malfoy auf einmal zielstrebig in den Sturzflug ging. Harry sah es auch, doch Malfoy hatte einen beachtlichen Vorsprung. Harry holte auf. Flach auf dem Besen liegend starrte er verbissen auf den kleinen, goldenen Ball, der in der Sonne glitzerte. Harry und Malfoy waren nun gleich auf …
Harry warf sich nach vorne, nahm beide Hände vom Besen und stieß Malfoys Arm beiseite.
Und dann wendete er, die eine Hand in der Luft haltend und für alle klar erkennbar, was er festhielt.
Ich klatschte, schrie mit allen anderen und weinte irgendwann. Um mich herum tobten alle. Ich hörte jemanden schreien: „Wir haben den Pokal! Wir haben den Pokal!“
Stimmt, dachte ich. Wir hatten den Pokal. Sieben Jahre lang ging er an andere Häuser. Doch nicht dieses Jahr. Gemeinsam mit Ron und Hermine kämpfte ich mich aufs Spielfeld. Oliver weinte, McGonagall schluchzte ebenfalls und wischte sich mit einer betttuchgroßen Gryffindorfahne die Augen und auch Percy, an dem wir vorbei kamen, hatte jede würdevolle Zurückhaltung aufgegeben und sprang wie verrückt in die Luft.
Ich hörte Hagrid hinter uns rufen: „Du hast sie geschlagen, Harry! Du hast sie geschlagen! Warte nur, bis ich das Seidenschnabel erzählt habe!“
Irgendwann standen wir vor Harry. Ohne lange zu überlegen umarmte ich ihn. Als ich Harry losließ, fiel Hermine ihm um den Hals und Ron klopfte ihm auf die Schulter. Kaum hatten wir Harry freigegeben, zog Oliver ihn in Richtung Dumbledore. Der war nämlich auch aufs Spielfeld gekommen, in seinen Händen hielt er den Pokal.
Zu gerne hätten wir den Sieg genossen und erst recht das Gefühl, Slytherin so haushoch geschlagen zu haben, aber das ging nicht. Die Prüfungen standen kurz bevor. Wir könnten also nicht draußen am See liegen, sondern mussten im Gemeinschaftsraum lernen. Percy, der für die UTZs lernte, die man nach erfolgreichem Abschluss des letzten Jahres erwerben konnte, war noch reizbarer als sonst. Seine gute Laune war schnell wieder verflogen. Jedem, der die abendliche Ruhe störte, brummte er Strafen auf.
Fred und George, die ihr fünftes Jahr beendeten lernten für die ZAGs. Das war ein ungewohnter Anblick, die beiden über Bücher sitzen zu sehen.
Ich musste zwar nur für die normalen Jahrgangsprüfungen lernen, aber es war trotzdem mehr als gedacht. Aber lange nicht so viel, wie Hermine. Sie ging irgendwann nach Mitternacht ins Bett und stand morgens noch vor um sechs auf. Die Schatten unter ihren Augen, die fast verschwunden waren nachdem sie sich wieder mit Harry und Ron vertragen hat, kehrten zurück.
Um sie ein wenig zu entlasten, übernahm Ron die Verteidigung von Seidenschnabel.
Ein paar Tage bevor es losging, bekamen wir Zettel auf denen draufstand, wann welche Prüfung stattfand. Im Grunde war es mir egal, ich wollte es nur hinter mir haben, aber trotzdem würde ich gerne mit dem unangenehmsten anfangen.
„Wann hast du welche Prüfung?“, fragte ich Hermine und schnappte mir ihren Zettel, nachdem mich meiner nicht sehr aufgebaut hatte.
Hermine versuchte ihren noch in Sicherheit bringen, aber ich war schneller. Ungläubig starrte ich auf die Zeiten.
Montag
9.00 Uhr Verwandlung
Arithmantik
Mittagessen
13.00 Uhr Zauberkunst
Alte Runen
„Wie in Merlins Namen willst du das denn schaffen?“
„So, wie ich es auch geschafft habe, zur gleichen Zeit in verschiedenen Kursen zu sein.“ Mit diesen Worten schnappte sich Hermine ihren Prüfungszettel und verschwand aus dem Gemeinschaftsraum.
Von Hagrid erhielten wir noch einen Brief, indem er uns mitteilte, dass die Berufsverhandlung von Seidenschnabel am achten Juni, also unserem letztem Prüfungstag, stattfand. Er schrieb auch, dass ein Henker mitkam. Und nach den Bemerkungen, die Malfoy fallen ließ, war es so gut wie sicher, dass Seidenschnabel keine Chance hatte.
Und dann kamen die Prüfungen. Montag ging es los mit Verwandlung und Zauberkunst.
Diese Fächer bereiteten mir keine Probleme und in Pflege magischer Geschöpfe am nächsten Tag hatten wir die Gelegenheit mit Hagrid zu reden.
„Schnäbelchen ist ein wenig trübselig“, erzählte Hagrid. „Ist jetzt schon so lange eingesperrt. Aber was soll man machen … übermorgen wissen wir´s – so oder so-“
Am selben Nachmittag war noch die Prüfung in Zaubertränke. Dort mixte ich mir etwas zusammen und war sehr überrascht, als das Ergebnis die Konsistenz annahm, die Snape gefordert hatte.
Um Mitternacht war Astronomie dran und in Geschichte der Zauberei, am Mittwochmorgen, dachte ich mir etwas aus. Irgendwann in der Geschichte war das alles bestimmt vorgekommen, Professor Binns sollte es nicht so genau nehmen. Dann war noch Kräuterkunde und wir hatten den Mittwoch überstanden.
Professor Lupin hatte sich für den nächsten Tag und die vorletzte Prüfung etwas ungewöhnliches ausgedacht. Alle Kreaturen die wir im Laufe des Schuljahres kennengelernt hatten, sollten wir bekämpfen. Dazu hatte er draußen eine Art Hindernisrennen aufgebaut.
Wie ich am Ende erfuhr, hatte ich den gleichen Fehler gemacht wie Ron, wir beide waren auf einen Hinkepank reingefallen, der uns im Sumpf in die Irre führte.
Meinen Irrwicht, der immer noch die Gestalt von Arcturus annahm, sah ich nur flüchtig an und ließ ihn auch gar nicht zu Wort kommen.
Auch Harry hatte kein Problem mit seinem Irrwicht – und auch mit sonst nichts. Hermine hingegen erlebte das Trauma ihres Lebens mit dem Irrwicht.
Sie hatte noch nie gegen einen kämpfen müssen und wusste deshalb nur in der Theorie, wie es ging. Als sie in den Koffer mit dem Irrwicht kletterte, dauerte es keine Minute, bis sie schreiend wieder zum Vorschein kam.
„Hermine! Was ist passiert?“ Professor Lupin war sichtlich verblüfft. Wie alle anderen hatte auch er nicht damit gerechnet, dass Hermine Schwierigkeiten bekam.
„P – Professor McGonagall!“, stammelte Hermine und schien den Tränen nahe. „Sie hat gesagt, ich wäre überall durchgefallen!“
Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wangen um nicht zu lachen, doch Ron war da weniger mitfühlend.
Den ganzen Weg bis zum Schloss kicherte er vor sich hin. Doch kaum waren wir durch das Portal gegangen, erstarb sein Lachen.
Dort stand Cornelius Fudge, der Minister für Zauberei, und sah über das Gelände. Am liebsten hätte ich mich umgedreht oder auf der Stelle in Luft aufgelöst. Aber es war zu spät, er hatte uns bereits gesehen. Vorsorglich stellte ich mich hinter Ron und Hermine, während Fudge Harry begrüßte.
„Hallo Harry! Du kommst von einer Prüfung, nicht wahr? Hast es bald geschafft?“
„Ja“, antwortete Harry einsilbig.
„Schöner Tag“, redete Fudge weiter, während er zum See sah. „Ein Jammer, wirklich ein Jammer ...“
Er sah zurück zu Harry.
„Ich bin wegen einer unangenehmen Aufgabe hier. Der Ausschuss für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe braucht einen Zeugen für die Hinrichtung eines verrückten Hippogreifs. Da ich sowieso in Hogwarts vorbeischauen wollte um mich in Sachen Black umzuhören -" Ich unterdrückte den Drang mich zu ducken, dass wäre zu auffällig gewesen „- würde ich gebeten einzuspringen.“
„Soll das heißen, die Berufsverhandlung ist schon vorbei?“, fragte Ron und trat einen Schritt vor. Mist.
„Nein, sie ist für heute Nachmittag angesetzt.“, antwortete Fudge und sah Ron an.
„Dann müssen Sie ja vielleicht gar keine Hinrichtung bezeugen. Der Hippogreif könnte ja noch freigesprochen werden.“
Fudge wollte gerade antworten, als sein Blick auf die Person hinter Ron fiel. Auf mich.
„Sind Sie Miss Melania Black?“
Ich schloss kurz die Augen und beschloss, dass man mit der Wahrheit am weitesten kam. Ich hatte nichts falsch gemacht und nichts zu verbergen. Außer Tatze. Der war mein Geheimnis. Ich hoffte, Harry, Hermine und Ron hielten dicht.
„Ja, Sir.“
Fudge musterte mich.
„Begleiten Sie mich bitte. Ich hätte einige Fragen an Sie.“
„Aber Sir!“, wagte ich zu widersprechen. „Ich habe gleich noch eine Prüfung -“
„Wenn Sie unverzüglich mitkommen, kommen Sie auch nicht zu spät.“
Fudge gab mir ein Zeichen, ihm zu folgen.
Ich warf einen verzweifelten Blick auf meine Freunde, die wie erstarrt wirkten. Zusammen könnten wir vieles erreichen, aber nicht den Zaubereiminister von meiner Unschuld überzeugen. Das musste ich alleine schaffen.
Als Fudge mit mir das Schloss betrat, kamen uns zwei Männer entgegen. Der eine war sehr alt, der andere war groß und rüstig und hatte einen schwarzen Schnurrbart. Mit entsetzten realisierte ich, dass der Große ein Beil in seinem Gürtel zu stecken hatte.
„Wer ist das?“, schnarrte er und sah mich an, als wäre ich ein Stück Dreck, dass er unter seinen Schuhen gefunden hatte.
Ich öffnete den Mund um ihn zu antworten, doch das tat Fudge.
„Die Tochter von Black.“
Ich runzelte die Stirn. Ich hasste es, wenn man mich nur als „seine Tochter“ sah. Als ob ich irgendwas für meine Familie könnte.
Der alte Mann wich einen Schritt zurück und der andere umfasste den Griff seines Beils.
„Sie wollen sie vernehmen, Minister? Soll ich sicherheitshalber dabei sein?“
„Könnten Sie bitte aufhören über mich zu reden, als wäre ich nicht da?“, platzte es aus mir raus.
Fudge streifte mich mit einem warnenden Blick.
„Sie reden nur, wenn Sie dazu aufgefordert werden, verstanden?“
Klar, ich bin ja nicht schwer vom Begriff, lag mir auf der Zunge, aber ich konnte diese Antwort gerade noch runterschlucken. Die wäre bestimmt nicht gut angekommen. Stattdessen nickte ich, aber dass sah keiner. Fudge hatte sich wieder dem Beilmann zugewendet.
„Danke, Macnair, dass wird nicht nötig sein. Mit einer dreizehnjährigen komme ich schon alleine zurecht.“
Ich machte den Mund auf, um ihn zu korrigieren. Ich war im Winter vierzehn geworden.
Macnair war das nicht entgangen und er zog de Augenbrauen hoch, woraufhin ich meinen Mund schnell wieder schloss. Ich wollte ja mein Glück nicht herausfordern.
Fudge führte mich in einen Teil des Schlosses, der mir gänzlich unbekannt war. Er öffnete eine Tür und ich trat ein. Zum Teil aus Neugierde vor dem Unbekannten, zum Teil, weil ich wusste, dass mir keine andere Wahl blieb.
In dem Raum stand ein Tisch mit zwei Stühlen an jeder Seite. Die Tür hinter mir wurde geschlossen und verriegelt. Wollte ich hier wieder rauskommen, musste ich Antworten geben.
„Hinsetzten, Black.“
Bei dem schroffen Tonfall des Ministers zuckte ich zusammen. Zögernd setzte ich mich.
„Du wirst jede meine Frage mit der Wahrheit beantworten, ist das klar? Wenn ich das Gefühl habe, dass du lügst, bin ich gezwungen anzunehmen, dass du deinem Vater hilfst und deckst. Dann werde ich dich anklagen. Verstanden?“
Ich nickte wieder.
„Gut. Du weißt nicht, wer deine Mutter ist?“
„Nein, Sir.“
„Hattest du schon einmal Kontakt zu deinem Vater?“
„Nein, Sir.“
„Und es stimmt, dass er keine Ahnung hat, dass er Vater ist?“
„Ja, Sir.“
„Hast du ihm geholfen ins Schloss zu kommen?“
„Nein, Sir.“
„Hast du Neville Longbottom den Zettel mit den Passwörtern gestohlen und draußen „ausversehen“ fallen gelassen?“
„Nein, Sir. Natürlich nicht.“
Allmählich fragte ich mich, wo diese Befragung hinführen sollte. Es war klar, dass Fudge mich bei einem Widerspruch meiner Antworten erwischen wollte, doch diesen Gefallen würde ich ihm nicht tun.
„Du hast einen Zwillingsbruder?“
„Ja, Sir.“
„Wie würdest du das Verhältnis zu ihm beschreiben?“
„Kompliziert.“
„Erkläre.“
„Er ist ein Slytherin, ich eine Gryffindor. Das ist nun mal kompliziert.“
„Unseren Nachforschungen nach habt ihr über einen Zeitraum von fast zwei Jahren kaum miteinander geredet. Da ist kompliziert noch ein wenig untertrieben. Wie kam es zu diesem seltenen Wortwechsel?“
„Sir, diese Frage hat nichts mit meinem Vater zu tun und ich glaube, ich bin seinetwegen hier“, sagte ich leise.
„Du hast auf jede meiner Fragen zu antworten!“, donnerte Fudge. „Also?“
Ich atmete ein mal kurz durch und versuchte es dann möglichst kurz und nüchtern zu berichten.
„Als er nach Slytherin kam, freundete sich mein Bruder mit unserem Cousin 2. Grades, Draco Malfoy, an. Unser Vater wurde ja aus seiner Familie verstoßen, da er sich mit Muggelstämmigen anfreundete, wodurch wir automatisch auch nicht zur Familie gehörten. Uns wurde in Aussicht gestellt, wieder aufgenommen zu werden. Ich sollte den Kontakt zu sämtlichen Personen aus meinem Haus meiden, weswegen ich mich weigerte. Für Arcturus als Slytherin war es leichter. Aber durch meine Weigerung wurde uns der Kontakt zueinander verboten.“
Ich war froh, dass meine Stimme nicht zitterte. Fudge schien einen Moment sprachlos zu sein, angesichts dieser Erklärung, doch er fragte nicht weiter nach. Stattdessen wechselte er das Thema.
„Im Laufe des Schuljahres warst du mehrmals wöchentlich draußen, auch im Winter. Was hast du draußen gemacht?“
„Wenn man von sehr vielen Mitschülern gemieden, schräg angeguckt oder sogar vor einem geflohen wird, dann braucht man seine Ruhe und Zeit zum Nachdenken. Im vollen Gemeinschaftsraum geht das schlecht, deshalb bin ich nach draußen gegangen.“
„Immer an den gleichen Tagen?“
„Ich bin ein Routinemensch, Sir. Es hat sich so eingepegelt.“
Fudge wollte noch etwas fragen, doch dazu kam er nicht. Draußen auf dem Gang waren Schritte zu hören und dann wurde die Tür aufgesprengt. Dort stand McGonagall, rot vor Zorn. Noch nie war ich so froh, sie zu sehen.
„Was fällt Ihnen ein?“, schrie sie Fudge an. „Miss Black einfach zu vernehmen! Ohne das ein Lehrer dabei ist! Sie ist eine Schülerin von Hogwarts und hat bis zu ihrer Volljährigkeit auf das Recht eines Volljährigen ihres Vertrauens zur Verteidigung! Wurden Ihnen Ihre Rechte verlesen, Miss Black?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Sie ist die Tochter eines Massenmörders! Ich kann sie durchaus zu jedem beliebigen Zeitpunkt ohne Verteidigung vernehmen, wenn der Verdacht besteht, dass sie besagten Mörder hilft!“, wies Fudge die Vorwürfe von sich.
„Aber nicht in Hogwarts!“, zischte McGonagall. Dann wandte sie sich mir zu. „Kommen Sie, ich bringe Sie zu Ihrer Prüfung.“
Ich stand auf und war überrascht, dass meine Beine mich trugen. Sie waren so weich wie Butter. McGonagall drehte sich noch einmal zu Fudge um.
„Das wird ein Nachspiel haben!“
Dann führte sie mich durch die vielen Flure wieder zurück in einen bekannten Teil des Schlosses. Die ganze Zeit schimpfte sie leise vor sich hin.
„So eine Unverschämtheit! Hätte Professor Lupin nicht gesehen, wie der Minister Sie in dieses Zimmer führt … Wer weiß, wohin das geführt hätte. Jedenfalls,“, fügte sie lauter hinzu. „brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Professor Dumbledore wird davon unterrichtet werden. Und er hat Sie doch nicht verhext, oder?“
„Nein. Danke, Professor McGonagall“, flüsterte ich. Dann machte ich mich auf den Weg in den Nordturm. Unterwegs schlich sich eine Frage in meinen Hinterkopf. Lupin hatte angeblich gesehen, wie Fudge mich in diesen Raum steckte. Nur hatte ich ihn nicht gesehen. Und bei Harrys letzten Hogsmeadeausflug hatte er ihm geholfen, einer Strafe von Snape zu entgehen. Denn Snape hatte die Karte des Rumtreibers entdeckt und Krone, Tatze, Moony und Wurmschwanz hatten den Lehrer beleidigt. Lupin rettete Harry, nahm ihm aber auch die Karte ab. Er wusste sogar, dass es sich um eine Karte handelte.
Was, wenn er noch mehr wusste? Was, wenn er wusste wie sie funktionierte und mich so in der Klemme gesehen hatte?
Aber letztendlich, sagte ich mir, war es egal. Er hatte mich jedenfalls gerettet.
An der Wendeltreppe zu Professor Trelawneys Klassenzimmer war niemand. Ich war etwas ratlos, ob ich jetzt durch die Prüfung gefallen war, ob jemand oben war, der geprüft wurde oder ob ich einfach hochgehen sollte.
Diese Fragen erübrigten sich, als Harry kurz darauf die Treppe herunterkam.
„Wie war es?“, fragte er, als er mich sah.
„Schrecklich. Und wie lief die Prüfung?“
„Unheimlich. In der Kugel habe ich nichts gesehen, also habe ich mir etwas ausgedacht. Aber eben, als ich gehen wollte, schien Trelawney in eine Art Trance gefallen zu sein. Ihre Stimme klang plötzlich tiefer und sie hat was davon gesagt, dass ein Knecht des Schwarzen Lords heute vor Mitternacht seine Fesseln abwirft und zu seinem Meister zurückkehrt. Mit seiner Hilfe kehrt Voldemort angeblich zurück, schrecklicher und mächtiger als zuvor.“
Nachdem Harry geendet hatte, herrschte für einen Moment schweigen.
Dann ertönte von oben eine Stimme:
„Melania Black!“
Während ich die Treppe emporstieg, sagte ich zu Harry rasch:
„Du weißt doch, wie sie ist. Und dass sie eine Lügnerin ist.“
„Sie war anders“, beharrte Harry.
Ich zuckte nur noch mit den Schultern und betrat das stickige Turmzimmer. Es war unerträglich, denn obwohl draußen die Sonne schien waren die Vorhänge zugezogen und im Kamin prasselte ein Feuer. Ich sah Trelawney vor einer großen Kugel sitzen und ging zu ihr.
„Guten Tag, meine Liebe“, begrüßte sie mich. „Bitte sehen Sie in die Kugel … lassen Sie sich ruhig Zeit … keiner hetzt Sie.“
Ich starrte in die Kugel, wissend, dass das völlig zwecklos war.
„Ähm, ich sehe einen Tag“, fing ich an zu erzählen. „Da sind Bäume, sie haben bunte Blätter. Es ist also Herbst. Oh, und es ist neblig.“ Diese Spitze konnte ich mir nicht verkneifen. Erwartungsvoll sah ich Professor Trelawney an, die mich ihrerseits entgeistert ansah.
„Mehr sehen Sie nicht? Nicht irgendein Ereignis, dass an jenem Tag stattfindet?“
Ich sah noch einmal in die Kristallkugel. Es würde sehr neblig werden.
„Nein, es tut mir Leid.“
Trelawney seufzte.
„Nun gut, Sie dürfen gehen.“
Ich sprang auf und rannte fast zu Treppe. Ich musste in den Gemeinschaftraum und erfahren, was bei Hagrids Berufung herausgekommen. Nachdem ich die dafür zuständigen Personen kennengelernt hatte, war ich zwar fast hoffnungslos – aber trotzdem.
Der Gemeinschaftsraum war so gut wie leer. Alle waren draußen in der Sonne, nur Harry, Ron und Hermine nicht. Sie saßen in den Sesseln, Ron hatte einen Brief in der Hand.
„Und?“, fragte ich fast tonlos. Ich wollte die Antwort, die ich in ihren Augen las, nicht glauben.
Ohne ein Wort zu sagen, reichte Ron mir den Brief. Ich hatte Mühe ihn zu verstehen, und das nicht nur inhaltlich. Hagrids Hand hatte offenbar so sehr gezittert.
Berufung verloren. Sie richten ihn bei Sonnenuntergang hin. Ihr könnt nichts mehr tun. Kommt nicht runter. Ich will nicht, dass ihr es mit anseht.
Hagrid
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