Massenmörder auf der Flucht
Ich entschied mich, in zwei Tagen zu gehen. Dann würde die fünfte Woche um sein und mir reichte es hier. Mit der Heimleiterin hatte ich schon gesprochen und ihr gesagt, dass ich den Rest der Ferien bei Freunden hier in London verbringen würde. Auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, wenn ich abgeholt werden würde, akzeptierte sie meinen Entschluss zu ihnen zu gehen.
Seit Arcturus das Heim verlassen hatte, erlaubte sie mir mehr - wahrscheinlich, weil ich ihr Leid tat.
An diesem Abend wurden, als die jüngeren Kinder im Bett waren, Nachrichten angemacht. Wir Älteren durften sie sehen, aber die Betreuer befürchteten, dass die Kleinen Albträume bekamen. Ich glaube, in dieser Nacht hätten sie wirklich welche bekommen.
Normalerweise hatte ich nichts gegen Nachrichten, aber ich wünschte, diese hätte ich nicht gesehen. Wir setzten uns in den Aufenthaltsraum und selbst die Betreuer kamen. Der vertraute Ton ertönte und die Nachrichten begannen.
„Guten Abend meine Damen und Herren - willkommen zu den abendlichen Tagesthemen", begann der Nachrichtensprecher. „Der Ausbruch des Massenmörders Sirius Black bleibt weiterhin aktuell. Er tötete vor 12 Jahren ein Dutzend Menschen und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Er ist sehr gefährlich. Wenn Sie ihn sehen, versuchen Sie nicht ihn aufzuhalten, sondern wählen Sie bitte umgehend folgende Nummer: " - die Nummer wurde eingeblendet, zusammen mit einem Bild von Sirius Black. Ein Kopf, der große Ähnlichkeit mit einem Totenschädel hatte, lange verfilzte schwarze Haare und graue Augen. Die Augen sahen unglaublich lebendig aus, auch wenn sein Blick leicht wahnsinnig wirkte - „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit", beendete der Sprecher seinen Bericht und ging zum nächsten Thema über. Doch ich hörte nicht mehr zu. Er war frei. Mein Vater lief dort draußen irgendwo herum. War ich in Gefahr? Würde das Ministerium mich von der Schule nehmen, unter dem Vorwand, die anderen Schüler zu schützen? Wer würde noch etwas mit mir zutun haben wollen? Schon spürte ich die Blicke der anderen auf mich liegen, voller Angst.
Ich konnte es nicht ertragen, räusperte mich und stand auf.
„Ich bin ... irgendwie schon sehr müde und werde schon mal ins Bett gehen. Gute Nacht."
Keiner antwortete. Rasch verließ ich den Raum, blieb aber draußen vor der Tür stehen. Sofort hörte ich alle durcheinander reden.
„Ist Melania mit ihm verwandt?"
„Müssen wir jetzt Angst vor Melania haben?"
„Wird der Mörder Melania holen?"
„Ruhe!", rief Miss Miller. „Ich weiß es doch auch nicht.
Aber vor Melania müsst ihr keine Angst haben. Sie ist immer noch die gleiche Person wie gestern. Selbst wenn ihr vor Melania Angst habt, ihr seht sie doch kaum. Übermorgen wird sie uns schon wieder verlassen, um noch ihre Schulsachen zu besorgen und dann kommt sie erst nächstes Jahr wieder."
„Aber gerade deswegen müssen wir doch Angst vor ihr haben! Wir kennen sie doch gar nicht!
Wer weiß, was für eine Schule das ist, auf die sie da geht!?"
Ich hörte die Antwort nicht mehr, denn ich floh auf mein Zimmer. Wenigstens hatte ich das Glück, nun ein Einzelzimmer zu haben. Ich schmiss mich auf mein Bett und kämpfte gegen die Tränen an. Es war doch im Moment alles so schön gewesen! Ich hatte mich gefreut, dass Waisenhaus bald zu verlassen, die Schule würde in Kürze wieder anfangen und ich würde meine Freunde Wiedersehen.
Und jetzt würden alle Angst vor mir haben.
Ich rief mir wieder das Gesicht meines Vaters ins Gedächtnis und verglich es mit meinem. Die gleichen schwarzen Haare, die gleichen sturmgrauen Augen und auch sonst war die Ähnlichkeit zwischen uns nicht zu übersehen. Mit einem Mal hatte ich ein wenig Angst vor dem kommenden Schuljahr, beziehungsweise vor den Reaktionen der anderen Schüler. Ob sie mir die Schuld an seinen Taten geben würden? Ob das Ministerium mich holen würde?
Ich lag noch lange Weile wach und grübelte, dann fiel ich in einen unruhigen Schlaf.
Den nächsten Tag verbrachte ich größtenteils in meinem Zimmer. Wenn ich zum Essen herauskam, mieden mich die anderen Kinder und tuschelten, sobald ich ihnen den Rücken zuwandte.
Ich war sehr erleichtert, als dieser Tag zu Ende war, auch wenn ich bezweifelte, dass es in Hogwarts anders sein würde.
Da dies mein letzter Tag im Waisenhaus war, musste ich noch von Miss Miller die Erlaubnis für die Besuche nach Hogsmeade unterschreiben lassen. So stand ich mit dem Zettel in der Hand auf, ging zu Miss Millers Büro und klopfte.
„Herein!", ertönte Miss Millers Stimme.
Ich betrat ihr Büro und bat sie, das Formular zu unterschreiben, da dies die Erlaubnis wäre, ein Dorf nahe unserer Schule zu besuchen.
Ohne zu zögern unterschrieb Miss Miller.
„Vielen Dank.", sagte ich und wollte wieder gehen, bevor sie mir noch unangenehme Fragen stellen konnte. Doch ich war zu langsam.
„Melania, warte bitte noch kurz."
Miss Miller wies auf dem Stuhl vor ihren Schreibtisch, auf dem ich notgedrungen Platz nahm.
„Wie geht es dir nach den gestrigen Nachrichten?"
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ganz gut. Für mich ist er ein fremder Mann."
„Dann bist du also mit ihm verwandt?", hakte Miss Miller prompt nach.
Ich überlegte kurz, ob die Wahrheit sie oder mich in Schwierigkeiten bringen könnte, aber befand es für ungefährlich.
„Ja, er ist mein Vater."
Miss Miller wirkte ein wenig geschockt.
„Wie hast du das rausgefunden?"
„Das war kompliziert, mehr kann ich ihnen nicht sagen. Sonst sage ich zu viel."
Dann stand ich auf und ging zur Tür.
„Warte!", bat Miss Miller mich. Ich blieb stehen.
„Bist du in Gefahr?", wollte sie wissen.
Ich atmete tief durch.
„Er weiß nicht, dass er Kinder hat, deshalb denke ich nicht.
Aber selbst wenn er wüsste, kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass er Jagd auf mich oder Arcturus machen würde. Wir sind seine Kinder.
Und was sollte er schon für ein Interesse an uns haben?"
Und bevor wir das Thema weiter vertiefen konnten, verschwand ich.
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, packte meine restlichen Sachen zusammen und ging zum Frühstück. Ohne mit jemandem zu reden, aß ich und ging wieder hoch um mein Koffer zu holen. Ich meldete mich bei Miss Miller ab und verließ das Waisenhaus.
Auf dem Weg zum „Tropfenden Kessel" erntete ich viele verwirrte Blicke, da ich komplett allein war und einen riesigen Koffer an dem ein Korb mit einer Katze befestigt war durch die Straßen schleifte.
Ich war froh, als ich ankam und betrat ohne zu zögern den Pub. An der Bar bestellte ich ein Einzelzimmer und war froh, dass man keinen Namen angeben musste.
„Zimmer 14 ist gestern frei geworden", bot der Wirt Tom mir an.
„Ja, Danke. Wie viel kostet es?"
„Kommt darauf an, wie lange du bleiben willst."
„Bis zum Ende der Ferien."
Tom nannte mir einen Preis, ich bezahlte und dann half mir Tom, den Koffer nach oben zu bringen.
Das Zimmer war nichts besonderes, aber in Ordnung.
Ich suchte meine Bücherliste raus, da ich gleich die Bücher kaufen wollte und verließ mein Zimmer. Als ich auf der Höhe von Zimmer 11 war, öffnete sich die Zimmertür und ein schwarzhaariger Junge erschien.
„Harry!", rief ich erstaunt.
Harry wirkte genauso überrascht.
„Melania, was machst du denn hier?"
„Das könnte ich dich auch fragen", gab ich zurück.
Harry lächelte.
„Das ist eine längere Geschichte."
Wir gingen zusammen in die Winkelgasse, wo wir uns an einen Tisch von Florence Fortescue Eissalon setzten. Dort machte Harry immer seine Hausaufgaben.
Er erzählte mir, dass in diesen Sommerferien die Schwester seines Onkels mit einem Hund zu Besuch gekommen war. Sie und Harry konnten sich noch nie leiden. Damit Harrys Onkel die Erlaubnis für die Besuche nach Hogsmeade unterschrieb, hatte Harry all ihre Beleidigungen überhört.
Doch am letzten Abend ihres Besuchs fing sie an, seine Eltern zu beleidigen. Daraufhin hatte Harry die Kontrolle über seine magischen Kräfte verloren und sie an die Zimmerdecke befördert.
„Tja, und dann bin ich abgehauen. So ein merkwürdiger Bus hat mich aufgegabelt und mich hierher gebracht. Aber da ist noch was. Vorher, in Little Whinging, war da ein Tier. Es sah aus wie ein sehr großer Hund. Er hat mir zwar nichts getan, aber trotzdem glaube ich, dass er gefährlich war."
„Ein großer, wolfsähnlicher Hund? Mit struppigen Fell?"
„Sein Fell konnte ich nicht genau erkennen, aber ich denke, es war struppig. Wieso? Bist du ihm auch schon begegnet?"
Ich erzählte Harry von meiner Bekanntschaft mit dem Hund.
„Also ist er nicht gefährlich?", fragte Harry skeptisch.
„Ich denke nicht", antwortete ich.
Einen Moment lang schwiegen wir und genaßen einfach nur die Sonne.
„Ähm - Melania?" Harrys Stimme klang zögerlich. „Hast du schon von diesem Mann gehört, der aus Askaban geflohen ist?"
„Natürlich", antwortete ich kurz.
„Und - ähm - was hältst du davon?"
„Was schon? Ich hoffe er wird bald gefasst, schließlich ist er ein Mörder."
„Bist du mit ihm verwandt?"
„Harry, wenn du schon Bilder von ihm gesehen hast, hätte dir auffallen müssen, dass ich fast genauso aussehe, wie er. Insofern kannst du dir diese Frage, selbst beantworten."
„Stimmt." Harry wirkte ein wenig verlegen.
„Er ist mein Vater", beantworte ich seine unausgesprochene Frage.
„Oh." Anscheinend wusste Harry nicht, was genau er sagen sollte, denn er wechselte das Thema.
Die nächsten Tage machten wir zusammen Hausaufgaben und gingen Schulsachen einkaufen. Am interessantesten war auf jeden Fall das Buch für Pflege magischer Geschöpfe. Es nannte sich Das Monsterbuch der Monster und schnappte nach allem, was ihm in die Quere kam.
Das erschwerte das Aufschlagen und Lesen gewaltig. Ich band ein Strick um das Buch, damit meine restlichen Sachen vor den Beißattacken sicher waren.
Harry sprach mich nicht noch einmal auf meinen Vater an, wofür ich ihm sehr dankbar war. Es war so schon unangenehm genug, dass sein Fahndungsbild an jeder Ecke hing, zusammen mit Warnungen. Häufig wurde ich schief angeguckt, denn, wie ich schon vermutet hatte, blieb die Ähnlichkeit nicht unbemerkt. Und einige der Hogwartsschüler kannten natürlich auch meinen Nachnamen, und wurden, sobald sie ihn ihren Eltern sagten, von ihnen eilig davongezogen.
Am letzten Tag der Ferien trafen wir Ron und Hermine, die auch noch Bücher kaufen mussten. Sie warfen mir flüchtige Blicke zu und so sprach ich das Thema an, bevor sie es tun konnten.
„Ja, Sirius Black ist mein Vater. Ja, auch ich will, dass er wieder eingesperrt wird - er ist schließlich ein Mörder. Nein, er weiß nicht, dass es mich gibt."
Hermine lief rosa an und murmelte etwas davon, dass sie nicht gefragt hätte. Ron wirkte erschrocken, aber auch so, als hätte er so etwas schon vermutet.
Wir verbrachten einen schönen Tag zusammen und es war genauso lustig wie immer. Rons Ratte Krätze ging es nicht gut, weswegen Ron ihn untersuchen lassen wollte. Hermine, die als einzige von uns noch kein Tier besaß, beschloss eine Katze zu kaufen. Ihre Wahl fiel auf den orangeroten Kater Krummbein. Ich war begeistert, ganz im Gegensatz zu Rons Ratte. Denn Krummbein machte sofort Jagd auf ihn, was auch Ron gar nicht lustig fand.
Hermine und Ron fingen an zu diskutieren, aber das streiten schien für die beiden einfach zu ihrer Freundschaft zu gehören. Abends gingen wir zurück zum „Tropfenden Kessel", wo alle Weasleys, Paige Prewett und Hermine diese Nacht schliefen.
Paige war die Cousine der Weasleykinder und die Tochter von Mollys Bruder Fabian. Vor 11 Jahren war sie eine Waise geworden, weswegen sie bei den Weasleys lebte. Sie war glücklich bei ihnen und vermisste nichts. Paige hatte auch rote Haare, allerdings nicht flammend rot, wie die restlichen Weasleys, sondern von einem dunkleren rubinrot.
Ich wusste noch, wie groß letztes Jahr der Schock war, als sie dem Haus Slytherin zugeteilt wurde. Sie wurde allerdings von ihren Hauskameraden nicht gut behandelt, da Paige ihre Verwandtschaft zu den Weasleys nicht leugnete und sogar weiterhin den größten Teil ihrer Freizeit mit ihren Cousins und Ginny verbrachte. Paige hatte auch Freunde unter den Gryffindors und auch in anderen Häusern - nur nicht im eigenen. Sie hatte mir erzählt, dass sie sehr zurückhaltend geworden war und sich in Büchern vergrub, so wurde sie meistens im Gemeinschaftsraum übersehen und nicht aufgezogen oder anders angegriffen.
Fred und George schlossen mich beide in ihre Arme und Fred konnte es nicht lassen, eine Bemerkung zu meinem Vater zu machen.
Doch bei ihm störte es mich nicht wirklich. Percy warf mir einen missbilligenden Blick zu, aber wir waren nie wirklich warm miteinander geworden.
Ginny lächelte mich an und umarmte mich, dicht gefolgt von Paige. Da ich die letzten Sommerferien größtenteils bei den Weasleys verbracht und mit bei Ginny und Paige im Zimmer geschlafen habe, haben wir uns gut kennengelernt und uns angefreundet. Es erleichterte mich ungemein, dass die Weasleys mich genauso freundlich empfingen, wie auch sonst immer.
Das Abendessen wurde sehr lustig, denn anscheinend war Percy Schulsprecher geworden, worüber sich Fred und George ausgiebig amüsierten und alle anderen mit zum Lachen brachten. Doch Mrs. Weasley fand es anscheinend nicht richtig und schickte uns alle früh zu Bett, mit der Ausrede, dass wir am nächsten Morgen pünktlich am Zug sein mussten.
Ich kontrollierte noch, ob ich alles eingepackt hatte, dann legte ich mich schlafen.
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