Dementoren beim Quidditch
Der Einbruch war die nächsten Tage das einzige Gesprächsthema und ich hörte immer absurdere Theorien, wie mein Vater in das Schloss gekommen war.
Häufig fiel auch mein Name, aber ich stellte mich dann taub.
Der neue Wächter zu unserem Gemeinschaftsraum war der Ritter Sir Cadogan, doch damit war niemand wirklich zufrieden. Er änderte mindestens dreimal pro Woche das Passwort und forderte uns immer zu Duellen heraus. Doch kein anderes Portrait wollte den Job, da sie zu viel Angst hatten.
Harry wurde auf Schritt und Tritt bewacht, was ihm gar nicht gefiel, da er für das erste Quidditchspiel trainieren musste.
Einmal nach Verwandlung wollte McGonagall mit ihm reden und von dieser Unterhaltung kam er genervt zurück.
„McGonagall hat mich eben nochmal vor Black gewarnt und mir gesagt, dass er hinter mir her ist. Außerdem wollte sie mir das Quidditch spielen verbieten, aber dass konnte ich ihr zum Glück ausreden. Allerdings wird das Training nun beaufsichtigt.“
Kurz darauf stellte sich heraus, dass das Spiel nicht gegen Slytherin, sondern gegen Hufflepuff stattfinden würde.
Das gefiel keinem der Spieler, aber ich glaubte trotzdem an sie.
Eines Donnerstags, als Ron, Hermine und ich zu Verteidigung gegen die dunklen Künste gingen – Harry bekam von Oliver Wood noch Ratschläge für das Spiel – war nicht Professor Lupin im Raum, sondern Snape.
Wir tauschten verwunderte Blicke, fragten aber nicht. Es klingelte bereits zum Unterricht und es war nicht ratsam, Snape bereits vor der Stunde zu verärgern.
„Beeilt euch mit auspacken und verhaltet euch ruhig!“
Wir befolgten seine Anweisung und als wir saßen, begann Snape zu erzählen.
„Ich vertrete heute Professor Lupin, da er sich nicht wohlfühlt. Ich weiß nicht, -"
Snape brach ab, als die Tür aufgerissen wurde und Harry hereinstürmte.
„Entschuldigung, Professor Lupin. Ich wurde -" Harry stockte, als sein Blick auf Snape fiel. „Wo ist Professor Lupin?“
„Setzen Sie sich, Potter“, forderte Snape ihn auf.
Harry rührte sich nicht.
„Wo ist er?“
„Er sagt, er fühlt sich heute krank. Und jetzt setzten!“
„Was hat er denn?“, fragte Harry
„Nichts lebensbedrohliches.“ Snapes Gesichtsausdruck nach zu schließen wünschte er sich das aber sehr. „Fünf Punkte Abzug für Gryffindor und wenn ich Sie noch einmal auffordern muss, werden es fünfzig.“
Harry ging langsam zu seinem Platz, aber es war ihm anzusehen, dass es ihm nicht passte.
„Wie ich gerade sagte, bevor Potter uns unterbrach, ist Professor Lupin heute aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend. Da er mir keine Liste hinterlassen hat, welche Geschöpfe Sie bereits behandelt haben, werde ich -"
„Bitte Sir, wir haben Irrwichte, Rotkappen, Kappas und Grindelohs behandelt und als nächstes wollten wir-", fing Hermine an zu erzählen.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, Sie um eine Aufzählung gebeten zu haben, Miss Granger“, unterbrach sie Snape, ohne Hermine anzugucken „Da mir keine Informationen vorliegen, habe ich mich entschieden, mit Werwölfen zu beginnen.“
„Eigentlich wollten wir mit Hinkepanks weitermachen“, wagte ich zu widersprechen. Snape ignorierte mich.
„Schlagt die Seite 394 in euren Büchern auf und nennt mir Unterschiede zwischen richtigen Wölfen und Werwölfen.“
Außer Hermine meldete sich niemand.
Werwölfe waren Kreaturen, von denen alle immer voller Angst sprachen. Selbst in der Muggelwelt gab es Schauergeschichten über sie und wir hatten manchmal Legenden erzählt bekommen, die immer damit endeten, dass die Werwölfe mit Silberkugeln erlegt worden waren. Ob diese Kugeln wirklich Werwölfe töteten? Aber in all diesen Geschichten wurde nie das Aussehen der Wesen beschrieben.
Snape blickte in die Runde, wobei er Hermine übersah.
„Niemand? Ich hätte nie gedacht, dass ich mal auf einen dritten Jahrgang treffe, der nicht einmal einen Werwolf erkennt, wenn er einem gegenübersteht.“
„Wir sagten doch bereits, dass wir noch nicht bei Werwölfen sind“, sagte Parvati wütend.
„Ruhe!“, bellte Snape. „Ich werde Professor Dumbledore davon berichten, wie weit sie hinterher sind …“
„Bitte Sir, ein Werwolf unterscheidet sich in mehreren Punkten von einem richtigen Wolf. Die Rute eines richtigen Wolfes ist zum Beispiel buschiger. Außerdem ist die Schnauzenform anders …“
„Miss Granger, Sie haben nun bereits das zweite Mal unaufgefordert gesprochen. Können Sie sich nicht zurück halten oder sind Sie immer so eine unerträgliche Besserwisserin? Fünf Punkte Abzug für Ihre Besserwisserei.“
Wütend starrten wir alle Snape an. Jeder in unserem Jahrgang hatte wohl Hermine schon einmal Besserwisserin genannt, aber das war jetzt nebensächlich.
„Sie haben eine Frage gestellt und Hermine wusste die Antwort. Warum fragen Sie überhaupt, wenn Sie die Antwort eh nicht wissen wollen?“
Ron hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da erkannten bereits alle, dass er zu weit gegangen war. Snape ging langsam auf Ron zu und sah auf ihn herab.
„Strafbarkeit, Weasley. Und ich möchte nicht noch einmal hören, dass Sie meine Unterrichtsweise kritisieren.“
Den Rest der Stunde sagte keiner ein Wort, während wir still Snapes Aufgaben erledigten. Ich war heilfroh, als es klingelte, doch Snape gab uns vorher noch Hausaufgaben auf – wie man einen Werwolf erkennt und tötet auf zwei Rollen Pergament – und entließ uns alle, mit Ausnahme von Ron.
Wir gingen mit den anderen hinaus und kaum außer Hörweite schimpften wir über Snape.
„Noch nie hat sich Snape dermaßen über einen anderen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste ausgelassen, auch wenn er die Stelle haben wollte“, sagte Harry nachdenklich.
„Ja, irgendwas hat er gegen Lupin. Ob es an diesem Irrwicht liegt?“, überlegte ich laut.
Hermine schüttelte den Kopf.
„Nein, da ist noch mehr. Wir wissen nur nicht, was.“
Kurz darauf stieß Ron zu uns.
„Ihr werdet es nicht glauben! Ich muss im Krankenflügel die Bettpfannen putzen – ohne Zauberei!“ Ron war echt sauer. „Hätte sich doch Black nur in Snapes Büro versteckt. Er hätte ihn erledigen können!“
Am nächsten Tag fand das erste Quidditchspiel der Saison statt. Und es stürmte und regnete. Aber wegen solcher Kleinigkeiten wurde kein Spiel abgesagt.
Keiner vom Gryffindorteam aß etwas zum Frühstück, stattdessen machten sie sich zeitig auf den Weg in das Stadion.
Als ich mit Hermine nach dem Frühstück ihnen nachgingen, brachten unsere Schirme uns nicht besonders viel. Der Wind riss sie uns aus der Hand und schon waren wir durchnässt.
Da wir nun eh nicht noch nasser werden konnten, setzten wir uns auf die Ränge und beobachteten die Spieler. Aufgrund der Umhänge konnte man zwar erkennen, wer zu welcher Mannschaft gehörte, aber Gesichter zu erkennen war unmöglich.
Der Sturm war so laut, dass ich nur mit Mühe den Stadionsprecher Lee Jordan hörte, der das Spiel kommentierte. Es wurde immer dunkler, Gryffindor hatte fünfzig Punkte Vorsprung, aber ich hatte kein Tor gesehen.
Ron kam durch den Sturm zu uns, er hatte erst noch die Strafarbeit von Snape erledigen müssen.
In diesem Moment ertönte Madam Hoochs Pfeife, das Signal für eine Auszeit.
„Ich weiß was! Bin gleich wieder da!“, schrie Hermine uns zu und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
Als die Auszeit vorbei war, war Hermine auch wieder da.
„Ich habe Harrys Brille mit einem Zauber belegt, damit sie Wasser abstößt“, rief sie uns zu.
„Kannst du das nicht auch mit unseren Augen machen? Damit wir auch was sehen?“, schlug ich vor.
Hermine probierte es.
„Impervius!“
Es funktionierte. Es war immer noch laut und nass, aber wir sahen etwas. Ich verdrehte fast meinen Kopf auf der Suche nach Harry, doch ich fand ihn nicht.
Stattdessen sah ich im Lichtblitz eines Blitzes etwas anderes. Hoch oben, auf einer leeren Sitzreihe, saß ein Hund. Ein riesiger, zottliger, schwarzer Hund.
Ich wusste, auch wenn ich nicht wusste, woher ich diese Gewissheit hatte, dass es der gleiche Hund war wie der, den ich in den Sommerferien getroffen habe. Ich hatte ihn schon fast vergessen. Wie war er hierher gekommen – quer durch das ganze Land?
Ich blinzelte und der Hund war verschwunden. So vollkommen, als wäre er niemals da gewesen. Fast hätte ich daran gezweifelt, dass ich ihn gesehen hätte, aber irgendwas war anders.
Ich hörte Hermines entsetztes Keuchen und wandte den Blick von der Sitzreihe ab. Rund hundert Dementoren waren aufgetaucht, den Kopf den Spielern zugewandt.
Hermine kreischte und nun sah ich es auch. Harry war von seinem Besen gefallen und rauschte auf den Boden zu. Ich sah ihn schon fast am Boden liegen, leblos, mit gebrochenen Knochen. Ich biss mir auf die Fingerknöchel einer Hand, um mein Schreien zu unterdrücken und griff mit der anderen nach Hermines.
Dann rannte Dumbledore, erstaunlich schnell für sein hohes Alter, auf das Feld, wedelte mit seinem Zauberstab und Harry verlor an Geschwindigkeit. Dann zeigte er mit seinem Zauberstab zu den Dementoren und schoss silbernes Zeug auf sie ab. Wenn ich mich nicht täuschte, war es derselbe Zauber den schon Professor Lupin im Hogwarts-Express benutzt hatte. Ich erschrak, als ich Dumbledores Gesicht sah. Er war – harmlos ausgedrückt – anscheinend sehr sauer.
Neben ihm erschien eine Trage auf die er Harry legte und brachte ihn hoch ins Schloss. Harry rührte sich nicht.
Ich bekam noch mit, dass der Sucher der Hufflepuffs Cedric Diggory den Schnatz fing, dann beeilten wir uns in den Krankenflügel zu gelangen.
Madam Pomfrey ließ uns herein, befahl uns aber, leise zu sein. Harry war wohl erneut wegen den Dementoren ohnmächtig geworden, schlief jetzt aber.
Wir saßen da, ohne ein Wort zu sagen und warteten. Hermine kämpfte mit den Tränen. Nach einer Weile kam der Rest des Teams, voll mit Matsch. Professor Flitwick begleitete sie, in seinen Armen eine Tasche, die er Ron übergab.
„Vielleicht sollten Sie warten, bis es ihm bessergeht, bevor Sie es ihm geben. Der Wind hat ihn in die Peitschende Weide geweht“, quiekte er und ging wieder.
Ron warf einen Blick in die Tasche und wurde – sofern das möglich war – noch weißer. Als er meinen neugierigen Blick sah, sagte er niedergeschlagen:
„Harrys Besen.“
Wir unterhielten uns nun leise mit dem Team, aber Harry wachte trotzdem auf. Er wurde sehr niedergeschlagen, als er erfuhr, dass Gryffindor das Spiel verloren hatte. Nun besprachen die Spieler untereinander, welches Haus mit wie vielen Punkten verlieren musste, damit Gryffindor doch noch den Pokal gewann.
Madam Pomfrey jagte sie schließlich alle heraus, so dass nur noch wir vier übrig waren. Wir erzählten abwechselnd, was passiert ist.
„Hat jemand meinen Nimbus mitgenommen?“, fiel Harry plötzlich ein.
Ich verzog das Gesicht und auch Ron und Hermine schienen nicht sonderlich erpicht auf das Gespräch.
„Ähm -“
„Was?“, wollte Harry wissen.
„Naja, er wurde weggeweht“, versuchte ich vorsichtig zu erklären.
„Und?“
„Er wurde in die Peitschende Weide geweht“, ergänzte Ron.
Harry verkrampfte sich.
„Und?“
„Du kennst diesen Baum, Harry. Er wird nicht gerne gestört.“ Hermine bückte sich und hob die Tasche auf, die Ron abgestellt hatte. Sie holte tief Luft und schüttete das aus, was von Harrys Besen übrig war. Zersplitterte Holzstücke und ein wenig Reisig.
Harry durfte über das Wochenende den Krankenflügel nicht verlassen. Er widersprach nicht, was wir mit Besorgnis realisierten. Harry war anders, seit er seinen Besen verloren hatte.
Über fehlende Besucher konnte er sich allerdings nicht beschweren, denn Ginny kam vorbei, noch einmal das komplette Quidditch-Team und Hagrid schickte eine Karte. Ron, Hermine und ich wichen nur nachts von Harrys Bett – und manchmal bei den Mahlzeiten.
Als Harry und ich Sonntagnachmittag einmal allein waren, sagte er:
„Ich habe beim Spiel wieder diesen Hund gesehen, den Grimm.“
Erstaunt blickte ich auf.
„Ich auch. Aber Harry, er ist kein Todesomen. Du glaubst doch nicht etwa diesen Blödsinn von Trelawney, oder?“
„Eigentlich nicht“, stimmte Harry mir zu, „aber ich habe ihn jetzt schon zweimal gesehen und wäre beide Male fast gestorben.“
„Ich habe ihn auch zweimal gesehen und befand mich nie in Lebensgefahr! Das ist wirklich albern, Harry.“ Ich sah aus dem Fenster. Der Himmel war noch wolkenbedeckt, aber es regnete nicht. „Ich werde rausgehen und den Hund suchen. Bis später – oder auch nicht, falls er mich auffrisst.“
„Nicht Melania!“, rief Harry. „Das ist wirklich leichtsinnig! Selbst wenn der Hund ungefährlich ist, da draußen ist auch dein Vater!“
„Der ist aber nicht hinter mir her, wie wir wissen. Und bisher hat er niemanden verletzt, wenn man von der Fetten Dame absieht. Tschau!“
Harry rief mir noch irgendetwas hinterher, aber ich ignorierte es. Zielstrebig ging ich in die Große Halle, wo zum Glück kaum Schüler waren, und ließ etwas Essen unter meinen Umhang verschwinden. Dann verließ ich die Halle, trat durch das Schlossportal und stand auf den Ländereien von Hogwarts.
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