Albtraumhafte Nacht
Ein lauter Schrei, erfüllt von Angst riss mich aus dem Schlaf.
Verwirrt taste ich nach meinem Zauberstab, doch es ging schon Licht an. Hermine lag noch genauso im Bett wie am Abend, nur dass sie jetzt auch ihren Zauberstab in der Hand hielt. Hatte sie überhaupt geschlafen?
Ich stand auf, hüllte mich in meinen Morgenmantel und rannte in den Gemeinschaftsraum, gefolgt von Lavender, Parvati und sogar Hermine, die auch wissen wollten, was los war.
Im Gemeinschaftraum standen schon viele Schüler, alle sehr verschlafen. Der Einzige, der wach zu sein schien, war Ron. Er war schneeweiß und zitterte wie verrückt.
Als Fred und George auftauchten schlugen sie sofort vor weiter zu feiern, doch davon wollte Percy nicht wissen.
„Es reicht! Alle zurück in die Betten! Sofort!“
„Percy“, sagte Ron schwach. „Sirius Black war in unserem Schlafsaal. Mit einem Messer hat er die Vorhänge zerschnitten und wollte mich dann umbringen.“
Sofort war Totenstille und in mir verkrampfe sich alles, doch ich weigerte mich zu glauben, dass er in den Gemeinschaftsraum eindringen konnte. Das war unmöglich. Hier waren wir sicher. Percy schien einen ähnlichen Gedanken zu haben.
„Sei vernünftig Ron. Wie hätte er denn das Passwort rauskriegen können? Du hast zu viel gegessen, davon bekommt man Albträume.“
Ich runzelte die Stirn. Das konnte auch nicht stimmen. Dann müsste Ron ja nur Albträume haben.
Ron hob zu einem Protest an, doch in diesem Moment erschien Professor McGonagall. Sie war wütend.
„Jetzt ist aber wirklich Schluss! Ich freue mich auch, dass wir gewonnen haben, aber jetzt reicht es! Percy, von Ihnen hätte ich wirklich härteres Durchgreifen erwartet. Ich bin enttäuscht.“
„Das habe ich selbstverständlich nicht erlaubt, Professor!“, rechtfertigte sich Percy. „Aber mein Bruder, Ron, hatte offenbar einen Albtraum …“
„Das war kein Albtraum“, mischte sich Ron ein. „Sirius Black, Professor. Er wollte mich eben mit einem Messer umbringen.“
McGonagall starrte Ron an.
„Reden Sie keinen Unsinn, Weasley. Wie hätte er denn das Passwort rauskriegen können?“
„Fragen Sie ihn!“ Ron zeigte mit zitternden Fingern auf die Rückseite des Bildes von Sir Cadogan. „Fragen Sie ihn, ob er Black durchgelassen hat!“
McGonagall war anzusehen, dass sie diese Maßnahme für vollkommen überflüssig hielt, doch es würde vermutlich keine Ruhe geben, bis alle Fragen in dieser Sache restlos geklärt waren.
Sie verließ also den Gemeinschaftsraum um mit Sir Cadogan zu reden. Keiner sagte etwas im Gemeinschaftsraum und kurz darauf hörten wir unsere Hausleiterin kreischen.
„Sie haben ihn reingelassen? Aber … das Passwort!“
„Er hatte es gnädige Dame. Hatte alle von der Woche. Sie standen auf einen Zettel.“
McGonagall kam wieder zu uns, jetzt auch kreidebleich.
„Wer von Ihnen war so dumm und hat alle Passwörter auf einen Zettel geschrieben? Und den dann verloren?“
Ihr Blick fiel auf mich und ich sah ungerührt zurück. Ja, ich war vergesslich, aber ich hatte nie auch nur ein Passwort aufgeschrieben. Ich hörte ein leises Piepen und konnte mir denken, wer der Schuldige war. Und tatsächlich, Neville Longbottom meldete sich.
In dieser Nacht schlief niemand mehr. Erneut wurde das Schloss durchsucht und erneut erfolglos. Neville wurde hart bestraft. Die Ausflüge nach Hogsmeade wurden ihm für dieses Schuljahr verboten und er durfte nicht das Passwort wissen, um in den Gemeinschaftsraum zu gelangen. Er musste immer warten, bis ihn jemand einließ.
Alle Geheimgänge die Filch kannte, wurden zugegipst, sowie sämtliche Mäuselöcher und Rillen. Wenn die Sache etwas Gutes hatte, dann, dass Sir Cadogan gefeuert und die Fette Dame wieder eingesetzt wurde. Doch sie hatte solche Angst, dass sie von zwei Sicherheitstrollen bewacht werden wollte.
Ron stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Immer wieder erzählte er die Geschichte, wie mein Vater ihn im Schlaf überfallen und fast abgestochen hätte.
Um den misstrauischen Blicken, die sich stetig vermehrten, zu entkommen, suchte ich in der Bibliothek Zuflucht. Hermine war die Einzige, die mir Gesellschaft leistete. Nach der schlimmen Nacht war sie sehr durcheinander gewesen und hatte viel geweint. Ich war nicht wirklich gut darin, jemanden zu trösten, aber ich glaube, was ihr wirklich half sich abzulenken, war lernen. Leider.
Und ihr Kummer lenkte mich ab. Ich hatte gar keine Zeit darüber nachzudenken, wie unsicher ich mich nun überall fühlte - und wenn die Verzweiflung mal über mich hereinbrach, bekämpfte ich sie. Ich wollte sie nicht gewinnen lassen, denn das wäre dann ein Sieg von meinem sogenannten Vater gewesen.
Als ich eines Morgens aufstand und in den Gemeinschaftsraum ging – Hermine war schon in der Bibliothek – traf ich auf Harry, der auch gerade aufstand. Er wirkte sehr nachdenklich.
„Was ist los?“, wollte ich wissen.
Harry sah sich um, ob auch niemand in der Nähe stand, dann flüsterte er mir zu:
„Ich habe heute Nacht Peter Pettigrews Name auf der Karte des Rumtreibers gesehen.“
Ich runzelte die Stirn.
„Das kann nicht sein, Harry. Pettigrew ist tot!“
„Ja, ich weiß. Als ich zu der Stelle gegangen bin, wo er angeblich sein sollte, war da auch niemand. Dafür kam kurz darauf Snape. Ich war sehr froh, dass ich unter dem Tarnumhang war. Ihm ist ja alles recht, um mir eine Strafe anzuhängen.“
„Aber du kannst dir nicht erklären, was Pettigrews Name auf der Karte zu suchen hatte?“
Irgendwas an der Sache erschien mir merkwürdig.
„Nein, vielleicht funktioniert die Karte nicht richtig.“
„Mhm, vielleicht.“
Ich kam allerdings nicht dazu, noch weiter darüber nachzudenken, denn Hagrids Anhörung mit Seidenschnabel rückte näher und Hermine und ich suchten nach jeder kleinen Information, um ihm zu helfen.
Wenigstens zweimal pro Woche besuchten wir Hagrid, um ihm eine Zusammenfassung vorbeizubringen und ihm Mut zuzusprechen.
Eines Morgens, als Hermine und ich vom Mädchenschlafsaal herunterkamen, sahen wir Harry und Ron flüsternd vor dem schwarzen Brett stehen. Ein Blick genügte um zu erkennen, dass es um den nächsten Ausflug nach Hogsmeade ging. Kurzentschlossen ging Hermine schnurstracks auf Harry zu.
„Harry, wenn du noch einmal nach Hogsmeade gehst, dann … dann erzähle ich Professor McGonagall von der Karte!“
Harry starrte sie sprachlos an, doch Ron würdigte sie keines Blickes.
„Hörst du jemanden reden, Harry?“
„Oh Ron, wie kannst du ihn noch anstiften?“ Hermine war sichtlich schockiert. „Nachdem was Sirius Black dir angetan hat!“
Ron ließ sich endlich mal dazu herab, sie anzusehen.
„Sonst noch was?“
Hermine traten die Tränen in die Augen, weshalb sie sich schnell abwandte. Ich holte ein Taschentuch aus irgendeiner Tasche meines Umhangs und reichte es ihr.
„Komm, wir gehen Frühstücken.“ Ich konnte nicht gut mit der Trauer von anderen umgehen, ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte.
Hermine nickte und wir verließen den Gemeinschaftsraum.
„Hast du Lust nach Hogsmeade zu gehen?“, fragte ich sie vorsichtig, bevor wir die Halle betraten.
Ich bekam ein Kopfschütteln als Antwort.
„Nein, denn an dem Tag, haben Hagrid und Seidenschnabel ihre Anhörung. Da kann ich nicht seelenruhig durch Hogsmeade gehen.“
Schneller als mir lieb ist verging die Zeit und der Tag der Anhörung ist da. Hermine war nur mit hin- und hergehen beschäftigt und obwohl ich dankbar sein müsste, dass sie mal nicht lernt, machte es mich verrückt. Ich saß in einem Sessel und versuchte mich abzulenken. Erfolglos.
Schließlich legte ich das Buch weg, dass ich Weihnachten von Arcturus bekommen habe, stand auf und sagte:
„Komm mit. Ich gehe zu Tatze und wenn du heute mal nicht lernst, kannst du auch mitkommen.“
„Nein!“ Hermines Stimme klang schrill. „Ich kann nirgendswo hingehen, bevor ich nicht weiß, wie die Anhörung endet.“
„Du kannst jetzt aber nichts mehr ändern! Wir müssen Hagrid vertrauen. Und wo du auf das Ende wartest – ob hier oder draußen – ist egal.“
Da Hermine weiterhin zögerte – und meine Geduld erschöpft war – nahm ich ihre Hand und zog sie kurzentschlossen mit.
Draußen setzten wir uns auf den umgekippten Baum und kurz darauf kam Tatze. Hermine bekam im ersten Moment einen Schreck, als sie ihn sah, doch er zeigte sich von seiner bravsten und liebsten Seite – wie fast immer. Manchmal war er zum Spielen aufgelegt und brachte mich mit seiner schier unerschöpflichen Energie an den Rand der Verzweiflung.
Nach ein paar Minuten wurde Hermine ruhiger und ihre Wangen bekamen ein wenig Farbe.
„Es ist schön ruhig hier“, sagte sie leise.
„Ja“, antwortete ich. „Deshalb bin ich auch gerne hier. Hier kann ich alles vergessen.“
„Glaubst du, Ron und Harry werden jemals wieder mit mir reden?“
„Davon bin ich überzeugt.“ Ich drückte ihre Hand. „Ron hat es wirklich getroffen mit Krätze, aber der wird sich schon wieder einkriegen.“
„Und glaubst du, Harry ist nach Hogsmeade gegangen?“
„Garantiert.“ Ich verdrehte die Augen.
„Ich habe gehofft, dass er den Angriff auf Ron ernster genommen hat“, flüsterte Hermine traurig.
Ich antwortete nicht. Auch ich hatte dies gehofft. Mir hatte diese Tat auf jeden Fall gezeigt, dass mein Vater kein Gewissen hatte.
Wir saßen bestimmt über eine Stunde bei Tatze, dann wollte Hermine in die Bibliothek.
„Ich komm bald wieder“, versprach ich Tatze, dann gingen wir rein.
Hermine lernte bereits gewissenhaft für die Jahrgangsabschlussprüfung und wollte nun abgefragt werden. Seufzend ließ ich mich dazu überreden.
Nach einer weiteren Stunde, hörte ich ein eigenartiges Kratzen am Fenster. Ich sah auf.
„Hermine!“
Eine Eule saß dort und an ihrem Bein war ein Brief befestigt. Hermine sprang auf, öffnete das Fenster und ließ sie rein. Kaum hatte Hermine den Brief abgebunden, flog die Eule davon.
Keinen Moment zu früh, denn die Bibliothekarin, Madam Pince, war in Anmarsch. Tiere waren in der Bibliothek verboten und Madam Pince schien ein Gespür dafür zu haben, wann wo Regeln gebrochen worden waren.
Als sie Hermine am Fenster stehen sah, mit einem Brief in der Hand, verengten sich ihre Augen.
„So eine vorbildliche Schülerin und bricht Regeln. Raus aus meiner Bibliothek. Alle beide! RAUS!!“
Da Widerspruch bei Madam Pince zwecklos war, packten wir eilig unsere Sachen zusammen und gingen. Auf dem Korridor öffnete Hermine zitternd den Brief und gemeinsam lasen wir.
Liebe Hermine, liebe Melania.
Wir haben verloren. Ich darf ihn nach Hogwarts zurückbringen. Der Tag der Hinrichtung steht noch nicht fest. London hat Schnäbelchen gefallen.
Alle eure Hilfe für uns werde ich nie vergessen.
Hagrid
Hermine schnappte nach Luft und ich starrte ungläubig auf die Zeilen.
„Das darf nicht wahr sein“, flüsterte ich tonlos.
A
ls ich Hermine ansah, sah ich Tränen über ihre Wangen laufen. Ohne etwas zu sagen, es gab keine Worte für diese Situation, umarmten wir uns und versuchten, uns gegenseitig zu trösten.
Irgendwann sagte Hermine zitternd:
„Wir müssen es Harry und Ron sagen.“
Ich nickte.
Da Ron und Harry in Hogsmeade sein würden, beschlossen wir, in den Gemeinschaftsraum zu gehen und dort zu warten. Doch im siebten Stock trafen wir sie. Beide sahen sehr schlecht gelaunt und niedergeschlagen aus. Die idealen Voraussetzungen für die Nachricht.
Als Ron uns bemerkte, verengten sich seine Augen.
„Wart ihr bei McGonagall?“
„Nein, natürlich nicht!“
„Wir dachten nur, ihr wollt es wissen.“ Hermine hielt den Brief hoch. „Hagrid hat verloren. Sie werden Seidenschnabel hinrichten.“
Harry nahm den Brief und sie reagierten nach dem Lesen ähnlich ungläubig wie wir.
„Das können Sie nicht tun! Seidenschnabel ist nicht gefährlich.“
„Lucius Malfoy wird den Ausschuss eingeschüchtert haben“, erklärte ich niedergeschlagen. „Das sind alles tattrige, alte Dummköpfe die Angst hatten. Es gibt allerdings noch die Berufsverhandlung, vielleicht kann man ihn da noch retten.“
„Ich glaube nicht.“ Hermine schien wirklich jede Hoffnung verloren zu haben. „Sie haben sich entschieden, Seidenschnabel hinzurichten und ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas ihre Meinung ändert.“
„Vielleicht ja doch“, sagte Ron grimmig. „Ihr seid diesmal nicht alleine, ich werde euch helfen!“
„Oh Ron.“ Hermine warf sich in seine Arme. „Es tut mir so fürchterlich Leid wegen Krätze!“
„Ähm, schon gut.“ Ron wirkte etwas unbeholfen. „Es war schon eine alte Ratte. Und vielleicht bekomme ich ja jetzt eine Eule!“
Die einzige Gelegenheit mit Hagrid zu reden, war sein Unterricht.
Wegen dem zweiten Einbruch meines Vaters waren die Sicherheitsvorschriften geschärft worden und es war nicht mehr erlaubt, das Schloss zu verlassen – außer zum Unterricht. Ich scherte mich herzlich wenig darum und schlich mich weiterhin zu Tatze, allerdings nicht mehr so lange und auch nicht mehr so oft.
Heute hatten wir das erste Mal Pflege magischer Geschöpfe, seit wir von Hagrid den Brief bekommen haben. Der Schock über das Urteil war ihm noch anzusehen.
„Ist meine Schuld“, sagte er niedergeschlagen. „Die saßen alle da, in ihren schwarzen Umhängen und starren mich an. Und ich lass ständig meinen Zettel fallen und vergess alles, was wir besprochen haben. Dann is Lucius Malfoy aufgestanden, hat seinen Teil gesagt und der Ausschuss hat genau das gemacht, was er verlangt hat.“
Hagrid brachte uns zurück zum Schloss.
„Nicht aufgeben, Hagrid“, sagte ich mit Nachdruck. „Du hast noch die Berufung!“
„Es ist zu spät, Lucius Malfoy hat den Ausschuss in der Tasche. Ich kann nur dafür sorgen, dass es Seidenschnabel den Rest seiner Tage richtig gut geht. Das schuld ich ihm …“
Tränen traten aus seinen kleinen Augen. Hagrid drehte sich um und kehrte rasch zu seiner Hütte zurück.
„Guckt mal, wie der flennt!“
Das Schlossportal war offen und Malfoy, Arcturus, Crabbe und Goyle standen da. Sie hatten offenbar gelauscht.
„Und so was erbärmliches will Lehrer sein!“, sagte Malfoy laut; seine Augen blitzten herausfordernd.
Doch bevor irgendeiner von uns wusste, was eigentlich passierte, war Hermine bei ihm und gab ihm mit aller Kraft ein paar Ohrfeigen.
„Wage es niemals wieder, Hagrid erbärmlich zu nennen!“, schrie sie Malfoy an und hob erneut drohend die Hand. Malfoy wich zurück.
„Hermine, beruhig dich!“ Ich griff nach ihrem Arm. „Er ist es nicht wert.“
„Ach ja?“, zischte Malfoy. „Und wäre es dein Bruder wert?“
Ich schenkte ihm ein kühles Lächeln.
„Wenn Hermine mehr Hirn in seinen Kopf hauen könnte, würde ich sie auf jeden Fall gewähren lassen.“
„Du würdest es zulassen, dass ich von einem Schlammblut geschlagen werde?“
Mir blieb die Luft weg. Arcturus hielt sich eigentlich immer aus den Streitereien zwischen Malfoy und uns raus, und nun sprach er mich nicht nur vor Malfoy an, sondern beleidigte auch noch Hermine mit dem schlimmsten Wort, was es für muggelstämmige Hexen und Zauberer gab.
„Nimm das sofort zurück, Black!“, rief Ron wütend.
Ich versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn mir diese Worte von ihm gezeigt hatten, wie groß der Abstand zwischen uns war. Aber trotzdem wollte ich nicht, dass meine Freunde Arcturus beleidigten. Er war immer noch mein Bruder.
„Beruhig dich, Ron. Und ja, Arcturus, ich würde es zulassen, dass meine beste Freundin dir eine Ohrfeige gibt – wenn du es verdienst. Schlagen klingt etwas übertrieben. Ach, und nur so nebenbei – eben hättest du es sowas von verdient.“
Hermine hatte unterdessen ihren Arm aus meinem Griff befreit und zückte ihren Zauberstab. Malfoy beäugte ihn argwöhnisch.
„Kommt mit.“ Die vier Slytherins flüchteten, aber nicht ohne uns feindselige Blicke zuzuwerfen.
„Harry, sieh ja zu, dass du ihn im Quidditch-Finale schlägst! Ich kann es nicht ertragen, wenn Slytherin gewinnt.“
Wir starten Hermine an, als wäre sie verrückt geworden. Quidditch war ihr immer egal gewesen und jetzt kam so ein Spruch von ihr? Was passierte mit ihr?
„Zauberkunst fängt gleich an“, murmelte Ron. Ich warf einen Blick auf die Uhr und erschrak. Noch zwei Minuten.
Wir rannten zum Zauberkunstklassenzimmer.
„Ihr komm zu spät“, sagte Professor Flitwick tadelnd.
Eine Entschuldigung murmelnd setzten wir uns auf unsere Plätze, doch der Platz neben mir blieb frei. Verwirrt drehte ich mich zur Tür um. Von Hermine keine Spur.
„Wo ist Hermine?“, fragte ich die Jungs flüsternd. Doch auch sie hatten ihr Verschwinden eben erst bemerkt.
Professor Flitwick brachte uns einen Aufmunterungszauber bei, bei dem wir zu zweit arbeiten sollten. Da Hermine, meine sonstige Partnerin für solche Dinge, die ganze Stunde nicht auftauchte, übten Neville und ich zusammen. In Zauberkunst war Neville nicht so gut wie in Kräuterkunde, aber deutlich besser als in Zaubertränke.
Am Ende der Stunde gingen wir alle mit einem breiten Grinsen und einem Gefühl tiefer Zufriedenheit hinaus.
„Den Zauber hätte Hermine auch gut gebrauchen können“, stellte ich fest und bekam zweimal ein zustimmendes Nicken.
Beim Mittagessen ließ die Wirkung des Zaubers allmählich nach und wir fingen an, uns Sorgen zu machen. Denn auch hier fehlte Hermine.
Wir fanden sie ein paar Minuten später im Gemeinschaftsraum. Sie schlief, den Kopf auf ein Buch gebettet. Vorsichtig weckte ich sie.
„W…was ist? Ist etwas passiert? W…was haben wir jetzt?“
„In zwanzig Minuten Wahrsagen“, antwortete ich ihr. „Wo warst du eben in Zauberkunst? Du warst doch noch da, als wir die Tür geöffnet haben!“
„Zauberkunst? Oh nein! Ich habe Zauberkunst vergessen!“ Hermine schien den Tränen nahe, weswegen Ron sie beruhigte.
„Du hast dir zu viel vorgenommen, Hermine. Da ist das klar. Und jetzt drehst du allmählich durch.“
Hermine schien ihn gar nicht gehört zu haben.
„Ich muss zu Professor Flitwick und mich entschuldigen. Bis gleich in Wahrsagen!“
Mit diesen Worten stürmte Hermine aus dem Gemeinschaftsraum.
Als wir uns zehn Minuten später auf den Weg zum Nordturm machten, fragt Harry mich plötzlich:
„Melania, würdest du wirklich seelenruhig dabei zusehen, wie Hermine oder sonst jemand Arcturus Ohrfeigen gibt?“
Ich überlegte kurz, dann schüttelte ich den Kopf.
„Nein – ich würde es selber machen. Vielleicht kommt er dann zur Besinnung. Ich hätte ja nicht mal ein Problem damit, dass er ein Slytherin ist – wenn er aus der Tatsache, dass ich eine Gryffindor bin, keins machen würde.“
Harry und Ron schwiegen. Es war auch nicht nötig, dass sie etwas sagten. Sie würden Arcturus immer misstrauisch gegenüber stehen.
Es war nichts mehr davon zu spüren, wie gut wir uns alle mal verstanden haben.
Damals, auf der ersten Fahrt nach Hogwarts – bevor Malfoy kam.
Am Fuß der Leiter zu Professor Trelawneys Räumen fanden wir Hermine. Sie war sehr enttäuscht, dass sie den Aufmunterungszauber verpasst hatte.
„Der kommt bestimmt in der Prüfung dran“, klagte sie. „Flitwick hat so etwas angedeutet.“
In Trelawneys Turmzimmer sahen wir auf jeden Tisch eine Kristallkugel mit silbrigen Nebel stehen.
„Ich dachte Kristallkugeln kommen erst später dran“, murmelte Ron.
„Einen schönen Tag wünsche ich euch“, hörten wir Trelawney, bevor jemand Ron antworten konnte. „Ich habe beschlossen, schon früher als geplant mit der Lehre der Kristallkugel zu beginnen. Die Schicksalsgöttin teilte mir mit, dass sich die Prüfungen ganz um die Kugel drehen wird, darum sollt ihr noch genug Erfahrungen sammeln.“
„Die Schicksalsgöttin? Ist das ihr ernst? Sie bestimmt doch die Prüfungsaufgaben! Oh, eine erstaunliche Weissagung!“
Erstaunt sah ich Hermine an, während Harry und Ron losprusteten. So hatte Hermine noch nie über einen Lehrer gesprochen.
Professor Trelawney ließ sich nicht anmerken, ob sie Hermine gehört hatte. Sie forderte uns lediglich auf, uns von allen Gedanken zu lösen und in die Kristallkugel zu schauen. Rasch waren wir uns einig, dass das verschwendete Zeit und eine sinnlose Übung war. Vielleicht würde die kommende Nacht sehr neblig werden, aber was brachte es uns, dass zu wissen?
„Möchte jemand, dass ihm helfe, die Schattengestalten in seiner Kugel zu deuten?“
„Ja, sicher“, murmelte ich sarkastisch.
Unglücklicherweise schien Trelawney mich, aber von Sarkasmus noch nie etwas gehört zu haben.
„So ist's recht. Immer fragen, wenn man nicht weiterkommt“, ermutigte sie mich und sah angestrengt in die Kugel. Harry verdrehte die Augen.
„Da ist etwas. Etwas dunkles, das näher kommt.“ Trelawney sah zu Harry. „Er kommt zu dir. Immer näher und bedrohlicher. Der Gri…“
„Ach zum Teufel damit!“, rief Hermine. „Nicht schon wieder dieser lächerliche Grimm!“
Ich grinste. Keiner von uns – außer Ron – nahm den Grimm noch ernst, seit wir Tatze kannten. Denn der war schließlich harmlos.
Die ganze Klasse starrte Hermine an. Professor Trelawney so, als wäre ihr ein zweiter Kopf gewachsen. Schließlich ergriff sie das Wort.
„Meine Liebe, Ihr Geist ist für die Schwingungen der Zukunft noch weniger empfänglich, als ich dachte. Tatsächlich kann ich mich an keine Schülerin erinnern, deren Geist so hoffnungslos irdischen Dingen zugewandt war.“
Ich biss mir auf die Lippe. Hermine war heute geladen und so etwas würde sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie stand auf.
„Schön!“ Hermine nahm ihr Buch, stopfte es in die Tasche und hing sie sich um. „Schön. Ich gehe!“
Und mit diesen Worten kletterte Hermine die Leiter runter und verschwand. Ein paar Minuten herrschte Schweigen und Professor Trelawney schien den Grimm vergessen zu haben.
„Ooooooh!“, rief Lavender plötzlich. „Ooooooh, Professor Trelawney! Sie haben sie gehen sehen, oder? Sie haben es gesagt. In der ersten Stunde! ‚Um Ostern herum wird einer der Anwesenden für immer von uns gehen.‘ So haben Sie es gesagt!“
Trelawney lächelte ihr zu.
„Ja, ich wusste in der Tat, dass Miss Granger uns verlassen wird. Von dem Moment an, in dem sie dieses Zimmer betreten hat, war es mir bewusst.“
Den Rest der Stunde verbrachte Trelawney am Tisch von Parvati und Lavender, so dass Harry, Ron und ich uns in Ruhe über Hermine - oder eher über die Tatsache, was zur Zeit mit ihr los war - unterhalten konnten.
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