Für Elise für mich
Für Elise für mich
(für meine große Schwester)
Dann soll er doch abhauen,
hat sie gesagt.
Und die Kinder soll er gleich mitnehmen.
Macht er auch.
An der Hand.
Du rechts,
ich links.
Mama nicht.
Im Hochbett,
bei Oma.
Du oben
ich unten.
Kann nicht schlafen.
Du auch nicht.
Will Mama.
Du nicht,
sagst du.
Die ist auch nicht da.
Also will ich Apfelsaft
und wenn der da ist,
lieber Kakao.
Auf dem Foto,
du links,
ich rechts.
Dein Arm um meine Schultern.
Tröstest mich,
weil ich den Fotografen nicht mag.
Fotos macht der trotzdem.
Eins für Papa,
eins für Oma.
Für Mama nicht.
Die will uns nicht sehen.
Du sie auch nicht,
sagst du.
Im neuen Haus,
bei der neuen Mama,
baut Papa uns Zimmer.
Auf dem Dachboden.
Dir rechts,
mir links.
Ich will lieber bei dir schlafen.
Du nicht.
Ich soll dich nicht nerven,
sagst du.
Mach ich dann aber erst recht.
Mit der neuen Mama,
basteln wir und malen.
Du rechts von ihr
ich links.
Dein Bild hängt sie an die Wand.
Meins nicht.
Ist nicht gut genug,
sagt sie.
Deins ist besser.
Ist es auch.
Wenn die schreien,
weinen wir zusammen.
Dann aber nicht mehr.
Ist dir doch egal,
sagst du.
Mir dann auch,
sag ich.
Ist aber gelogen.
Ich bekomme Süßigkeiten.
Du nicht.
Mich hat die neue Mama heute mehr lieb,
ich hab den Rasen gemäht.
Du hattest keine Lust.
Bist eh zu dick,
sagt sie.
Mit mir spielst du nicht mehr.
Will ich auch garnicht,
sag ich.
Aber Klavier spielst du,
jeden Tag.
Die neue Mama hat dich wieder lieb,
weil du gut bist.
Aber nur, solange du jeden Tag übst.
Ich soll abhauen,
sagst du.
Aber wenn ich ganz still bin,
darf ich bleiben,
und zuhören.
Du am Klavier,
ich auf dem Boden,
spielst du.
Ich sag nichts,
du auch nicht.
Spieltst den 'Flohwaltzer'
dann 'Für Elise',
dann 'Titanic',
dann nochmal 'Für Elise',
weil ich gefragt hab.
Hast nicht geantwortet,
aber hast es dann doch gespielt.
Und danach,
nochmal.
Ich hab zugehört und garnichts gesagt.
Du auch nicht.
Du bist schon älter.
Ich auch ein bisschen.
Dein Sofa ist ganz blutig.
Du hattest deine Tage,
hat die neue Mama gesagt.
Stimmte garnicht,
hat aber keiner gewusst.
Ausgelacht haben wir dich trotzdem.
Auch weil du immer lange Pullis trägst.
Auch im Sommer.
Willst nicht, dass man deine Arme sieht.
Hab ich aber gesehen.
Hab dich ausgelacht, weil die mit Filzstift beschmiert waren.
Mit rotem,
ganz dick.
Sah so aus,
stimmte aber garnicht.
Müde bist du auch immer.
Ist die Pubertät,
hat die neue Mama gesagt.
Stimmte garnicht.
Dass aus dem Medizinschrank was fehlt,
hat keiner gewusst.
Dass das zum Sterben zu wenig ist,
hast du nicht gewusst.
Zum Glück.
Du sprichst nicht mehr viel.
Aber Klavier spielst du noch,
oder Saxophon
und Gitarre.
Spielst 'Freude schöner Götterfunken',
obwohl keine da ist.
Oder 'Smoke On The Water'
und 'Für Elise' spielst du auch.
Ich hör zu.
Manchmal in deinem Zimmer,
meistens vor der Tür.
Du im Auto,
ich im Haus.
Blut überall.
Am meisten auf deinem Sofa.
Nur auf deinen Armen nicht mehr,
da sind jetzt Verbände.
Du weinst,
Papa schreit.
Die neue Mama auch.
Alles deine Schuld,
sagen sie.
Du im Wohnheim,
ich zu Besuch.
Papa nicht.
Reden jetzt mehr,
aber noch vorsichtig.
Hab Angst,
dass ich was kaputt mache,
wenn ich dich zu fest halte.
Klavier gibt's da auch,
im Billiardzimmer.
Ist alt und verstimmt,
spielst du trotzdem drauf.
Spielst 'The Entertainer'
und 'Für Elise',
dann aber nicht mehr
und ich soll gehen,
hat deine Mitbewohnerin gesagt,
weil du schon weg bist.
Was ich falsch gemacht habe,
weiß ich nicht.
Ich in meiner Wohnung,
du zu Besuch.
Reden viel
bei Kaffee und Zigarette.
Auch von früher.
Nimmst mich in den Arm, wenn ich weine,
und trägst den Müll raus,
weil ich das Haus nicht mehr verlasse.
Ist schon lange her.
Sind jetzt Erwachsen,
glauben wir.
Du in deiner Wohnung,
ich im Wohnheim.
Sehen uns selten,
aber reden viel.
Du hast jetzt einen Freund,
hast ein Auto und einen Hund.
Bald auch ein Kind.
Ich nicht.
Ich hab ein Keyboard.
Kann aber nur das eine Lied.
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