Die Hängematte

Es war an einem Wochenende an einem Sommertag. Ich hatte es mir gerade in meiner Hängematte auf dem kleinen Balkon meiner Wohnung gemütlich gemacht, auf dem Beistelltisch neben mir eine eisgekühlte Piña Colada, von der ich immer wieder genüsslich nippte. Aus einer Wohnung in der Nähe klangen immer wieder Fetzen orientalischer Musik herüber, weiße Wäschestücke bewegten sich sacht an einer Leine im Wind, in der Ferne bellte ein Hund und meine Hängematte schaukelte sanft hin und her. Sommerlicher Hochgenuss!

Ich war gerade zwei Minuten weggedämmert, als es an der Tür läutete. Missmutig schälte ich mich aus der Hängematte, ging zur Haustür und öffnete.

Vor mir stand ein alter Asiate, mit seinem faltigen, lebenserfahrenen Gesicht hatte er etwas von einem Guru an sich. Mit einem weisen Lächeln schaute er mich an. Ich hatte ihn noch nie gesehen.

„Entschuldigen Sie die Störung, aber bin ich hier richtig?", fragte er höflich.

„Wie bitte, wie meinen Sie das, ob Sie hier richtig sind?" Angestrengt versuchte ich, aus meiner Schläfrigkeit aufzuwachen.

„Sind Sie die Dame, die vor etwa zwanzig Minuten die Hundezentrale angerufen und einen Spezialisten für Ihren irischen Setter bestellt hat? Für die transzendente Yogi-Übung?"

Entgeistert starrte ich ihn an.

„Wie bitte? Transzendente was?"

„Die transzendente Yogi-Übung, für Hunde eine einzige Wohltat, sie verhilft ihnen zu ihrer inneren Mitte zu gelangen."

„Sie verhilft mir zu meiner inneren Mitte?" Verständnislos sah ich ihn an. Ich versuchte, meine Benommenheit von mir abzuschütteln und nahm ihn dann genauer in Augenschein. Er war ganz in Weiß gekleidet, wirkte sehr ruhig und hatte einen beinahe hypnotisierenden Blick.

„Nein, Verzeihung, ich drücke mich falsch aus. Sie verhilft den Hunden zu ihrer inneren Mitte", sagte er jetzt. Dabei betonte er die Worte „Hunde" und „innere Mitte", als sei ich etwas schwer von Begriff.

„Tut mir leid, aber ich habe weder angerufen, noch einen Spezialisten bestellt. Sie müssen sich in der Tür geirrt haben."

Der Asiate verbeugte sich leicht. „Aber Sie haben doch einen irischen Setter?", fragte er überaus zuvorkommend.

„Nein, keineswegs. Wie kommen Sie darauf?" Wachsende Ungeduld machte sich in mir breit.

Da verzog sich sein Mund zu einem breiten Lächeln. „Der Hund hinter Ihnen, Madame, ist ein irischer Setter!"

Allmählich riss mir der Geduldsfaden. Ich war eher ein geduldiger Mensch, freundlich zu meinen Mitmenschen, bemüht um Höflichkeit. Doch diesem merkwürdigen Kerl hätte ich am liebsten die Tür vor der Nase zugeknallt.

„Ich habe keinen irischen Setter", sagte ich langsam, jede Silbe betonend.

Der Asiate deutete nun mit lang ausgestrecktem Zeigefinger auf einen Punkt hinter mir. „Ich glaube, Ihr Hund ist da anderer Meinung!", sagte er.

Ärgerlich drehte ich mich um. Und traute meinen Augen nicht. Ein brauner irischer Setter mit langen Hängeohren kam aus meinem Wohnzimmer schwanzwedelnd auf mich zu und setzte sich artig und mit hechelndem Hundeblick vor mich hin.

„Er weiß es anscheinend besser", lächelte der Asiate mit mildem Blick.

„Aber, aber...", stotterte ich. Ich hatte keinen irischen Setter, verdammt! Woher kam nur dieser verflixte Vierbeiner?

„Wenn es Ihnen recht ist, werde ich jetzt mit der transzendenten Yogi-Übung beginnen", sagte der Asiate. „Haben Sie vielleicht ein weißes Handtuch für mich?"

„Verschwinden Sie! Von wegen weißes Handtuch! Sonst noch was?" Ich begann zu stottern und spürte, wie ich puterrot wurde.

„Üblicherweise arbeiten wir auch mit orientalischer Wellnessmusik, doch es müsste auch so gehen, ich will ja keine Umstände machen." Jetzt zog der Guru in aller Seelenruhe eine Hundeleine aus der Tasche und begann, sie wie ein Pendel vor dem Hund hin- und herzuschwingen.

Mit offenem Mund schaute ich ihm dabei zu. Hin und her. Hin und her. Was erlaubte er sich? Was für eine Frechheit!

Wütend riss ich ihm die Hundeleine aus der Hand. „Schluss jetzt mit diesem Unfug!", schrie ich aufgebracht.

„Ruhig Blut, Madame! Ihr irischer Setter spricht auf die Behandlung schon an. Vielleicht würde es auch Ihnen guttun? Ich verspreche Ihnen, es ist auch gar nicht teuer."

Zuerst klappte mir die Kinnlade herunter, dann packte mich der Zorn. Ich begann zu schreien: „Was fällt Ihnen eigentlich ein, hier einfach einen irischen Setter herzuzaubern, irgendwelchen orientalischen Schnickschnack mit ihm anzustellen und dann auch noch mir eine Behandlung andrehen zu wollen? Verlassen Sie sofort meine Wohnung!"

Ich war so wütend wie schon lange nicht mehr und holte aus, um dem transzendenten Hundebesänftiger eine heftige Ohrfeige zu verpassen.

Im selben Moment wurden mir die Füße vom Boden weggerissen und ich landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. Schwer atmend und schweißgebadet richtete ich mich auf, die Augen weit aufgerissen. Mein Herz klopfte wild. Wo war der Asiate?

Da merkte ich, dass ich auf dem Boden neben der umgedrehten hin- und herschwingenden Hängematte saß. Von dem Asiaten war nichts zu sehen.

Schlagartig verstand ich, was passiert war. Ich hatte alles nur geträumt! Und bei dem Versuch, den Asiaten zu ohrfeigen, war ich aus der Hängematte gefallen!

Die weißen Wäschestücke wehten immer noch sacht im Wind, die orientalische Musik war lauter geworden. Und der irische Setter?

Er saß neben mir, artig und schwanzwedelnd. Nur war es ein Cockerspaniel. Mein Cockerspaniel! Einen irischen Setter hatte ich nie gehabt.

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