Verfolgung

Mein Atem ging schnell und flach. Ich rannte aus allen Kräften, der kalte Wind blies mir ins Gesicht und erschwerte das Fortkommen. Die Pfützen plätscherten unter meinen Füßen, während ich auf die Tür zulief. Die erleuchtete Treppe davor war noch so eine Herausforderung: Ich hatte keinen Schutz und keine Kräfte mehr. Meine Beine waren mittlerweile so schwer wie aus Blei und ließen sich nur schwer heben.
Ich zog atemlos die schwere Schultür auf und drückte sie mit meinem ganzen Gewicht zu. Sie widerstand dem Druck. An der Treppe sah ich schon SEINEN Schatten. Schnell eilte der dunkle Fleck hoch.
Ich stieß mich von der Treppe ab und lief in völliger Dunkelheit die Treppe hinab, bis ich im Keller ankam. Bitte die Tür ist offen!!
Ich schnappte mir die Klinke und zog die schwere Tür auf. Der Keller war in Dunkelheit gehüllt, sodass ich nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte. Doch hinten! Hinten sah ich einen leuchtenden Punkt, auf den ich sofort zulief. Bestimmt war es der Lichtschalter vor dem zweiten Eingang. Und was- Was ist, wenn ER sich dorthin gemacht hat, um mich abzufangen? Nein, ich durfte nicht zweifeln! Ich musste laufen!
Obwohl mir das Herz bis zum Halse klopfte und die Beine mich kaum noch trugen, sprintete ich los. Zweimal stolperte ich über alte Stühle und fluchte laut. Mann, der Keller- nein, der Flur - Ach, was auch immer das ist! - war lang...
“Elly!“, hörte ich hinter mir eine bekannte Stimme rufen.
Mein Bruder. Was machte er hier? Das- Das war doch mein Bruder, oder?
Ich verlangsamte mich und schaute reflexartig kurz über die Schulter.
“Elly, warte!“ Diesmal klang die Stimme anders. Tiefer. Verzerrter...
Er hatte mich wieder ausgetrixt, damit ich stehen blieb! Wie naiv von mir! Mein Bruder war doch gestorben!
Ich lief wieder los. Das Licht! Das Licht würde ihn blenden! Noch zwei Meter!
Ich kniff die Augen zu. Meine Hand knallte auf den Lichtschalter und hinter mir hörte ich einen Aufschrei. Ich drehte mich nicht um. Er würde wieder seine Gestalt ändern, sodass ich gezwungen wäre, mich ihm zu nähern. Er hatte das schon mehrmals getan.
Ich griff nach der Klinke der zweiten Tür und bekam mein Spiegelbild zu sehen. Irre Augen starrten mich an, umkreist von dunklen Ringen. Auf den Wangen war verwischtes Blut zu sehen. Das Blut meines Bruders. Den ER umgebracht hat. ER war es - nicht ich!
Ich stieß die Tür auf und eilte in ein weiteres dunkles Treppenhaus. Ich durfte nicht anhalten. Er würde mich schnappen.
Schweratmend stieg ich schnell die unzähligen Stufen hoch. Dann sah ich den Ausgang. Doch als ich schon in den Flur entfliehen wollte, legten sich Arme um mich und zerrten mich unter lauten Protestrufen weg. Ich wurde herumgedreht. Die Augen meines Vaters sahen mir eindringlich entgegen. “Elly! Beruhige dich!“
“Ich war es nicht!“, schrie ich hysterisch. “Das war ER! Es war alles ER! Papa, ich war es nicht!!!“
Mein Vater senkte betreten den Blick. “Es gibt niemand anderen, Elly...“

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