Warmes Blut
Prolog:
Sie folterten mich. Mit jedem „du bist anders“ schnellte die Peitsche auf meine geschundene Haut und hinterließ weitere, schmale Ritzen, aus denen das Blut zähflüssig herausquoll. Ob es anderen genauso erging wie mir, weiß ich nicht, da ich nie einen andern Menschen zu Gesicht kriege. Die Fesseln, die mir meine Hand- und Fußgelenke aufschnitten, blieben Tag und Nacht, waren bereits von verkrustetem Blut bedeckt und wurden nur sehr selten gewechselt. Da ich hauptsächlich in einer dunklen Zelle saß, waren meine Augen schon nach kurzer Zeit sehr lichtempfindlich und beinahe blind, von den abertausenden Tränen, die ich vor langer Zeit verloren hatte. Die Männer die mich jeden Tag holen kamen, waren immer schwarz gekleidet, hatten Sturmmasken auf und sprachen nur sehr selten. Mein einziger Gefährte, der mir in der Zelle Gesellschaft leistet, war mein Schatten und ab und zu meine Traurigkeit, die sich wie eine zweite Person neben mich setzte und manchmal würgte und mich ersticken wolle, jedoch so gnädig war, um mich am leben zu lassen, damit ich den Schmerz spüren konnte, da es deren einzige Chance war, am Leben zu bleiben. Manchmal war ich sogar froh, wenn ich die silbrige Gestalt in der Ecke hocken sah und mich die leeren Augen unverhofft anstarrten. Es kam auch vor, dass das Silber von einem schwarzen Schatten bedeckt wurde, der meine Angst zu symbolisieren schien, doch der starre Blick war der gleiche. Nicht selten schienen auch andere Schatten Gestalt an zu nehmen, auch sie starrten mich auf die gleiche Weise an. Manchmal hatten sie meine Konturen, andern mal die Konturen der Männer und wieder andere hatten die Gestalt einer Frau angenommen, die mir den gleichen Blick zuwarf. Es kam zwar sehr selten vor, trotzdem passierte es, dass die Schattengestalten des Mannes, der Frau und des Kindes gleichzeitig erschienen und mich umringten. Mir kam es vor, dass mir immer einer der Gestalten folgte, wenn ich zur Folterkammer geführt wurde, doch sie schlichen sich plattgedrückt an der Wand entlang, da sie ihre “menschliche Fülle“ nicht annehmen konnten, da die anderen Menschen sie ja nicht sehen durften. Oft kam es mir so vor, als sahen die anderen die Gestalten gar nicht, egal in welcher Fülle sie sich gerade befanden. Nur selten stahl sich deswegen ein klägliches Lächeln auf meine Lippen, dass ich durch längeres Foltern bezahlen musste. Nur manchmal passierte es mir, dass ich das leid der anderen Hautnah miterlebe. Es fühlte sich so an, als wäre ich diese Person, sah die Männer und spürte die Peitschen, wie sie auf die Haut eines anderen herabsausten, trotzdem wuchs die silberne Gestalt, fing wieder an mich zu würgen, als wäre ich es, die dieses Leid spürte und nicht ein anderer. Ich hatte Angst, Tag für Tag, egal ob es ich es war die geschlagen wurde.
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