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Von den anderen Ausflügen kennt Hyunuk den Weg durch die Stadt und biegt schließlich auf die Schnellstraße ab, die entlang der Küste nach Norden führt. Jeder Kreisverkehr ist anders gestaltet, manche mit Gewächsen, andere mit Skulpturen. Auf der Hinfahrt hatte Inho keinen Nerv, sie zu bewundern, weil Dahee und ihre Mutter nach dem anstrengenden langen Flug unentwegt gequatscht haben.

Auch heute ist seine Stimmung eher bedrückt. Aber ein schöner Ausflug mit Hyunuk tut ihm sicher gut. Sie kommen an diversen Bergen vorbei, sehen zeitweise das Meer oder eine der vielen Ziegenfarmen. Auf der Insel wohnen 1,6 mal mehr Ziegen als Menschen.

"Hier sind wir schon überall vorbeigefahren", erzählt Hyunuk. "Auf der Schlemmertour. Bis ungefähr zur Mitte der Insel."

"Mhm", macht Inho. "Tut mir leid, dass ich heut so schlechte Gesellschaft bin", entschuldigt er sich.

"Es ist okay, Inho", versichert Hyunuk. "Mach dir keine Gedanken darüber. Ich bin gern in deiner Nähe, egal ob du Lust hast mit mir zu reden oder nicht."

"Danke." Inho tauscht ein Lächeln mit ihm aus, dann meint er: "Ich hab sie rausgeworfen."

"Was?"

"Ich hab sie ihre Koffer packen lassen und vor die Tür gesetzt."

Einen Moment ist Hyunuk sprachlos. Dann muss er sich ein Grinsen verkneifen. "Ich sollte das wahrscheinlich nicht lustig finden... aber naja, ich kann sie nicht wirklich leiden."

Inho schmunzelt. "Ich auch nicht."

Mit jedem zurückgelegten Kilometer bessert sich seine Laune. Unterwegs erläutert Hyunuk ihm noch ein paar Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise das Restaurant, wo er Mojo, die berühmte Knoblauchsoße der Insel, selbstgemacht hat, oder die Aloe-Vera-Farm, auf der die Olivenölverkostung stattfand, oder das Salzmuseum. "Da waren wir aber leider nicht drin, wir sind eine Querstraße vorher zur anderen Seite der Insel abgebogen, um eine Mühle zu besuchen, wo wir Käse gegessen haben."

"Wollen wir rein?", schlägt Inho vor.

Hyunuks Augen leuchten auf. "Wenn du magst?"

"Gerne!"

Hyunuk parkt den Wagen vorm Museum. Sie schlendern durch die Ausstellungsräume, wobei Hyunuk sich jede einzelne Schautafel durchliest. Inho wartet geduldig und drängelt ihn nicht. Ihn interessiert eher der Außenbereich, wo in restaurierten historischen Salinen Salz aus Meerschaum gewonnenen wird. Es gibt zahlreiche Becken, in denen man die unterschiedlichen Stadien der Salzgewinnung betrachten kann.

Neben einem Lagerhäuschen ist ein Walgerippe ausgestellt, vor dem die beiden Fotos machen, eh sie ins Museumsgebäude zurückkehren und durch den Shop laufen. Inho nimmt mehrere Packungen Salz mit.

Praktischerweise hat Hyunuk zwei große Beutel mitgenommen, in denen Inho seine Souvenirs von der Tour im Kofferraum verstauen kann. Inho ist beeindruckt, dass Hyunuk an sowas denkt, und bedankt sich mit: "Ich liebe dich." Hyunuk kichert amüsiert und holt sich einen Kuss, bevor die Fahrt nach Norden weitergeht.

In den Dünen sieht es aus wie in einer Wüste. Der Rest der Insel ist eine rote, karge Vulkanlandschaft, doch dieser Teil ist wie die Sahara. Als wären sie auf einer komplett anderen Insel. Sie parken in einer langen Reihe voller Autos und laufen in die Richtung, in der sie das Meer vermuten. Die Wüste besteht nicht aus Sand, sondern aus Muschelkalk. Sie lassen sich das Material durch die Finger rieseln und entdecken größere Muschelstücken zwischen feinerem Staub.

Trotz des vollen Parkplatzes sehen sie nicht viele andere Menschen. Je näher sie der Küste kommen, desto begrünter werden die Dünen, und nun sind auch mehr Touristen zu sehen. Unten in der Brandung spazieren einige Leute an den flachen, schwarzen Klippen umher. Weiter südlich, hinter einer weiteren Düne, lässt sich ein Strand mit einigen Badegästen erahnen.

"Ich glaub, ich muss mal aufs Klo", verkündet Inho.

"Mhm, ich auch."

Sie wandern weiter nördlich zurück zum Parkplatz, abseits der anderen Touristen. Die Dünen sind nicht so menschenleer wie erwartet. In jeder lauert ein anderer Nackedei, wie Erdmännchen im Zoo gucken sie aus ihren Verstecken. Hyunuk und Inho nähern sich lieber nicht.

"Immer diese Deutschen mit ihrem FKK", murmelt Hyunuk amüsiert. Inho schmunzelt. Zurück im Auto geht die Fahrt weiter nach Norden. Sie sehen von hier aus die Nachbarinseln, die laut den Touristenführern grüne Paradiese sind im Gegensatz zu dieser hier. Auf der südlichsten und flachsten Insel der Inselgruppe gibt es nur alle paar Jahre wenige Tage lang reich begrünte üppige Landschaften, wenn es mal geregnet hat.

Sie nehmen die Kurve nach links, die dem Küstenverlauf folgt und nun nach Westen in die größte Touristenstadt führt. Dahee hat die Reise nicht schlecht ausgesucht, das muss man ihr lassen. Obwohl sie gern und oft shoppen geht und Trubel mag und somit die Touristenhochburgen der Nord- und Südspitze ein Traum für sie wären, hat sie das Hotel mit der idyllischsten Umgebung gebucht. Inho gefällt es dort besser als hier im Norden.

"So langsam wird es dringend", meint er.

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