"Hyunuk!", ruft Inho verzweifelt. Der Kerl lässt ihn hier einfach stehen. Wie kalt kann man bitte sein??

Mit schmerzendem Stechen in der Brust schaut Inho ihm nach. Gern würde er Hyunuk hinterrennen, aber wenn der ihn so eiskalt abweist, bringt das jetzt nichts. Es tät nur noch mehr weh.

Dass die Sache nicht spurlos an Hyunuk vorbeigeht, sieht Inho nicht. Hart sein ist hart. Verdammt hart. Aber er muss sich das gut überlegen, ob er Inho glaubt oder nicht. Sein Verstand schreit vehement nein, während sein Herz längst ja sagt und er am liebsten zurückrennen würde.

Wenn Inho morgen immer noch so erpicht darauf ist, Hyunuk für sich zu gewinnen, knickt er garantiert ein. Aber das muss Inho nicht wissen. Vielleicht gibt er längst auf, das hält er sicher nicht ewig aus, Hyunuk erfolglos hinterherzudackeln. Hyunuk stellt sich schon darauf ein, morgen restlos enttäuscht zu werden und spätestens dann mit endgültig gebrochenem Herzen dazustehen. So besch¡ssen hatte er sich den Urlaub eigentlich nicht vorgestellt. Hätte er diesen Typen nur niemals angesprochen!

Unterdessen rafft Inho sich auf und stapft mit leerem Blick zur Cocktailbar. Allein in seinem Zimmer wäre die Versuchung zu groß sich seiner Verzweiflung hinzugeben und in einem Tränenbach zu enden. Lieber spült er seine Gefühle mit Alkohol weg. Dass das nicht funktioniert, weiß er selbst, aber wenigstens für einen kurzen Moment hofft er seiner Misere zu entkommen, indem er sich betrinkt. Einen Plan, wie er es schafft, dass Hyunuk ihn vielleicht doch nicht hasst, überlegt er sich lieber morgen mit klarerem Kopf und weniger akut stechendem Herzen.

Es ist nicht einmal 19 Uhr, als er den ersten Schnaps hinterkippt, und kurz nach halb acht fängt er an zu schimpfen, weil der Barkeeper findet, dass er genug getrunken hat.

"Dasss gibbsja wohlnich, ich besaahl hier!! Nachschenkeeen!", regt er sich lautstark auf.

Als der Gast neben ihm beschwichtigend seine Hand auf Inhos Schulter legen will, bringt ihn das derart aus dem Gleichgewicht, dass er vom Hocker rutscht und sich den Kopf an der Theke einhaut. Sein Sichtfeld wird schwarz.

Das war's dann wohl mit ihm.

Wie soll er das seinem armen Vater erklären, dass er auf so dämliche Weise gestorben ist?

Er schreibt ihm alle paar Tage Nachrichten auf dem Handy und schickt ihm Bilder vom Urlaub. Postkarten mag er aber auch. Ab wann er sich wohl Sorgen machen wird, wenn er nichts mehr von seinem Sohn hört?

Kann man aus dem Jenseits Postkarten schreiben??

Inhos Schädel brummt. Das darf doch nicht wahr sein. Zum zweiten Mal in diesem Urlaub wacht er als Schnapsleiche auf. Aber diesmal nicht in der Lobby. Die Zimmerdecke ist zu nah. Komisch.

Ein Gesicht taucht am Rande seines Blickfelds auf. "Hihi", gluckst er vergnügt, "d'siehsssaus wie Hyunugg."

"Das liegt eventuell daran, dass ich Hyunuk bin", dringt eine tiefe, raue Stimme in sein Ohr.

"Sosexy", flüstert er und streckt die Hand aus, aber die macht nicht das, was er will, und findet den Weg zu diesem schönen Gesicht nicht.

"Schlaf dich aus", raunt die tolle Stimme. Weiche Lippen hauchen einen Kuss auf seine Stirn und als sanfte Hände seine Augenlider schließen, driftet er ab ins Traumland.

Inho könnte schwören, dass Hyunuk neben ihm liegt, aber das ist natürlich völliger Quatsch.

Irgendwann dreht er sich um und flucht, nachdem er auf dem Fußboden landet. Sowas Bescheuertes, sein Bett ist doch groß genug, dass vier Leute, ausgestreckt wie Seesterne, darin Platz hätten.

"Hast du dich verletzt?", fragt Hyunuk besorgt.

"Geht schon... nur das Knie eingehauen...", murmelt er.

"Okay."

Moment. Hyunuk? Schlagartig ist Inho hellwach und springt auf, wobei er sich dasselbe Knie am Nachttisch einschlägt und ein weiteres Mal jaulend zu Boden geht.

"Komm wieder ins Bett", murmelt Hyunuk müde und genervt und zieht ihn umständlich hoch. Inho jammert.

"Wieso bist du hier??"

"Schhhh. Du weckst Jek", wird er flüsternd ermahnt. Hyunuks Stimme klingt müde und grummelig.

"Aber-"

"Halt die Klappe." Hyunuk knurrt und pinnt Inho unter sich fest. Nach kurzer Zeit ist er wieder eingeschlafen und atmet ihm tief ins Ohr.

Inho kann nicht schlafen. Sein Herz pocht so laut, weil Hyunuk ihm so nahe ist.

Und er muss ganz dringend pissen.