🌅 11
"Guten Morgen", erklingt eine liebliche Stimme neben Inhos Ohr. Es ist hell draußen. Zu hell, als er die Augen öffnet und durch die hoch am Himmel stehende Sonne geblendet wird und nur die Umrisse des Engels vor sich schemenhaft erkennt.
"Hab ich das Frühstück verschlafen?", krächzt er und die Engelsgestalt setzt sich neben ihn aufs Bett.
"Ja, aber ich hab den Zimmerservice angerufen und dir Kaffee und Schinkencroissants besorgt."
"Du Engel! Ich weiß schon, warum ich dich liebe!"
Seine Frau kichert. "Weiß ich doch. Ich dich auch." Sie haucht ihm ein schmatzendes Bussi auf die Nasenspitze. "Ich geh gleich mit Mami ein paar Souvenirs im Stadtzentrum einkaufen, wir sind nachmittag zurück, ja?"
Und jetzt weiß er wieder, wen und was an ihr er nicht liebt. Sein Lächeln wird unmerklich weniger strahlend. Er grummelt etwas Unverständliches und sie verschwindet aus dem Zimmer. Mit streng zusammengekniffenen Augenbrauen starrt er an die Zimmerdecke.
Wäre er eher aufgewacht, hätte er mit Hyunuk frühstücken können.
Hyunuk.
Dieser Name sticht wie Giftzähne in seine Eingeweide.
Inho würde gern die Zeit zurückdrehen, nicht nur um einen Tag, sondern um mehrere Wochen. Oder Monate. Er hätte die Reise selbst buchen können und hätte nun mit Dahee die schönsten zwei Wochen ihres Lebens, frisch verheiratet und glücklich, ohne Hyunuk und vor allem ohne Schwiegermutter.
Er bleibt im Bett liegen, ignoriert seinen knurrenden Magen und hadert mit seinem Schicksal. Warum musste ihm das passieren? Nichts geschieht doch ohne Grund, also was hat er bitte getan, dass er nun solche schwerwiegenden Fehler ausbaden muss?
Natürlich könnte er es verschweigen und seine Frau würde nie etwas erfahren. Doch er hätte zeitlebens mit seinem Gewissen zu kämpfen. Seufzend rollt er sich aus dem Bett und schlurft aus dem Zimmer, da sein Frühstück nirgends in Sichtweite ist. Es steht auf dem Schrank neben der Eingangstür. Das Croissant ist mittlerweile zäh und der Kaffee kalt. Bäh.
Ein Blick auf die Uhr verrät ihm, dass in wenigen Minuten das Mittagsbuffet öffnet. Er schlurft zurück in sein Schlafzimmer und öffnet den Schrank. Die Hose, die er anziehen wollte, kann er nicht finden, und die sandige Shorts, die hier rumliegt, gehört gar nicht ihm. Leise flucht er und zieht einfach die nächstbesten Klamotten an, die er aus dem Schrank angelt. Ist ihm heut egal, was er anhat.
Hungrig stapft er zum Restaurant und schaufelt sich wahllos Dinge vom Buffett auf seinen Teller.
"Ähm, hey", sagt jemand hinter ihm und zum zweiten Mal heute sieht Inho einen Engel.
"H-hey." In dem weißen Shirt und von hinten vom Kronleuchter angestrahlt ist Hyunuk eine magische Erscheinung. Schüchtern lächelt er Inho an. "Hab mir schon Sorgen gemacht."
"Hab nur verschlafen."
"Okay."
Ihr verlegenes Schweigen wird von Jek unterbrochen: "Oh hi, isst du wieder mit uns?"
"Äh. Ja."
"Schön! Übrigens kenne ich deinen Namen noch gar nicht."
"Oh, wirklich? Ich heiße Inho."
"Ok, hi Inho. Nuknuk wollte ihn mir nicht verraten. Ich bin Isaac, aber nenn mich ruhig auch Jek."
"Okay, hi Jek!"
Da Inhos Teller bereits voll ist, sucht er diesmal einen Tisch aus. Hyunuk setzt sich wieder neben ihn und Jek gegenüber. Nur Alkohol gibt es diesmal keinen und auch die hübsche Kellnerin ist nirgends zu sehen.
"Wie war dein Date?", erkundigt sich Inho, als wären sie alle gute Freunde. Jek fängt an zu schwärmen und erzählt detailliert, was die beiden alles unternommen haben. Der Spaziergang im Mondschein klingt besonders romantisch.
"Wir hatten allerdings keinen, ähm, Sex", flüstert Jek hinter vorgehaltener Hand. "Aber heute Abend haben wir ein zweites Date und vielleicht kriege ich dann ein Küsschen. Fänd ich jedenfalls schön."
Inho zieht die Augenbraue hoch. "Erzählst du ihm immer alles brühwarm?", fragt er Hyunuk, der sich beinah an seinem Bissen verschluckt.
"Na, so wie er gestern ins Zimmer geschlichen kam, war mir alles klar", meint Jek dazu und sieht Inho mit finsterer Miene an. "Hast du denn überhaupt kein Problem mit Untreue?"
"Doch."
"Warum macht ihr das dann?"
"Ich will nicht drüber reden. Bring mich hier bitte nicht zum heulen."
"Na gut", meint Jek und lässt das unangenehme Thema fallen. Er ist eher fertig und verabschiedet sich von den beiden. Pappsatt sitzen sie nach dem Essen noch einen Moment rum und leeren ihre Getränke. Hyunuks Augen wandern immer wieder zu Inhos tiefliegendem Shirtkragen. Das sehr dünne Shirt mit dem weiten Ausschnitt war keine so gute Wahl. Viel zu sexy.
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