Kein Titel 2

"Ihnen ist bewusst, welche Folgen Ihr Verhalten hat? Sie könnten im Gefängnis landen und zwar für eine gute Weile. Das ist kein Scherz! Vielleicht haben Sie nicht angefangen, aber Sie haben es beendet!" Unruhig stieftelte mein Anwalt durch den Raum ihres Büros, während ich auf einem der großen und äußerst unbequemen Stühlen vor ihrem Schreibtisch saß und versuchte, nicht vor Langeweile einzuschlafen. Nicht dass das mehr als mental bei diesen Holzklassestühlen möglich gewesen wäre.

"Ich denke nicht, dass sich diese Geschichte so vor Gericht vorbringen lässt, dass ich eingesperrt werde. Das war im Endeffekt Notwehr. Gut, ich werde es definitiv aus meiner Vita streichen, aber ich habe nichts falsches getan". Wir kauten die Geschichte nun seit mindestens einer Stunde durch. Nachdem wir sie die letzten drei Tage immer wieder hochgewürgt hatten und wieder durchgekaut hatten wie die Kühe auf der Wiese. Nur das meine Wiese dieser ungemütliche Stuhl war.

"Es war zwar Notwehr, aber es gibt ein Rechtssytem, welches sich nicht umgehen lässt. Zumindest nicht für Sie und mich! Ich bin Ihr Anwalt und habe mich an Regeln zu halten. Das könnte übel für Sie enden, wenn wir nicht aufpassen, also zeigen Sie so etwas wie Schuld!" Schuld. Schuld war das Wort, um welches wir die ganze Zeit herumgurkten.

"Ich habe aber keine Schuld. Ich habe nicht angefangen!" Hatte ich wirklich nicht. Vielleicht war ich nicht ganz unschuldig, aber man hätte die Situation definitiv anders und besser beenden können.

"Genau mit diesem Denken haben sich schon so einige ihr Grab ausgehoben. Seien Sie nicht so dumm und machen es diesen Personen gleich!" Zum Sterben war ich wie sich ganz offensichtlich gezeigt hatte zu jung.

"Und was soll ich an ihrer Stelle nach tun? Außer geheuchelten Emotionen vor Gericht?"

"Verhalten Sie sich wie immer. Leben Sie ihr Leben. Und bauen Sie keinen Mist. Lassen Sie sich ihr Leben nicht durch diesen Vorfall zerstören, dass wäre stupid und ich glaube nicht, dass Sie das sind. Und lassen Sie sich ja nirgends hineinziehen. Passen Sie auf sich auf, Sie haben sich mit Ihrer kleinen Aktion im falschen Kreis Feinde geschaffen". Als ob ich mir mein Leben zerstören lassen würde! Nicht von Leuten, die mich nicht ausstehen konnten.

"Wie soll ich mein Leben leben, wenn ich das Gefühl habe, dass es jeder weiß? Wenn ich weiß, dass es da draußen ein paar Menschen gibt, die mich auf dem Boden sehen wollen?"

"Unter dem Boden wäre wohl eher die passende Wortwahl".

"Oh, vielen Dank! Jetzt haben Sie meine letzte Illusion der Definition vom Wort 'Feind' zerstört. Sie haben mir damit die Augen geöffnet!" Manchmal waren Anwälte ja so überhaupt nicht hilfreich.

"Machen Sie sich nicht lächerlich mit Ihrer aufbrausenden Art!" Genau das meinte ich mit nicht hilfreich. Das war anstrengend, mehr nicht.

"Dann öffnen Sie nicht ihren Mund".

"Das Sie sich vor Gericht besser verhalten, Kim, ich warne Sie! Hören Sie überhaupt zu?"

"Ich habe Ihre Worte zur Kenntnis genommen, kann ich jetzt gehen? Ich habe noch einen Termin". Ich erhob mich vom Stuhl und dehnte mich erstmal. Ich war nicht nur zu jung zum Sterben, auch für Verspannungen war ich ebenfalls definitiv zu jung.

"Und der wäre?" Spöttisch blickte mich meine Anwältin an.

"Beim Pfarrer. Ich gehe beichten. Ich werde mir die Tränen vom Gesicht tupfend von meiner schlimmen Tat berichten und welche furchtbaren Schuldgefühle ich deswegen habe. Ich übe schonmal für's Gericht. Wenn ich es hinkriege, den lieben Gott von meinem schlechten Gewissen zu überzeugen, wird das Gericht mir das auch abnehmen". Jetzt war ich es, die spöttisch blickte, während ich meine zum Himmel gereckten Hände vor meiner Brust zu betenden Händen zusammenführte.

"Ich habe das Gefühl, ich kann machen was ich will, früh oder später werden Sie in der Hölle landen". Gelangweilt schlenderte ich zur Tür und öffnete sie.

"Und es wird mir eine Freude sein, Sie dort wiederzusehen!" Man würde denken, Anwälte kämen nicht in die Hölle, aber meine sollte dringend in die Hölle. Allein schon, da sie ihre Kunden auf Höllenstühlen sitzen ließ.

"Auf Wiedersehen, Kim!" Ohne mich umzublicken ging ich mit meiner Hand eine Verbeugungsbewegung nachahmen, hinaus.

"Auf Wiedersehen".

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