Tiehnösch

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Schönheit

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Tiehnösch

Heute Nachmittag, bei den Feierlichkeiten zur Diamantenen Hochzeit seiner Eltern, hielt er seine Rede. Es war ein berührender Moment, denn seine Eltern hatten sich in den gemeinsam durchlebten Jahren gegenseitig nicht immer gut getan. Oft hat er sich gefragt, warum sie sich nicht einfach trennen. Rückblickend betrachtet, hat das Leben sie nach jeder Prüfung enger zusammengeschweißt, ein Klettverschlusspärchen aus ihnen gemacht, bei dem der Eine nicht ohne den Anderen kann. Zwei alte Menschen, die heute durch den Ort gehen, den sie jetzt ihr Zuhause nennen, sich dabei an den Händen haltend; in dem Wissen, aufeinander vertrauen zu können.

Auch er und seine Frau kennen das Auf und Ab des Lebens, hatten ihre Höhen und Tiefen. Jetzt, kurz vor dem Einschlafen muss er wieder daran denken, was sie ihm erwiderte, als er laut darüber nachdachte, ob sie wohl auch mal so ein Klettverschlusspärchen werden und warum sie, bei allen Fehlern, die er schon gemacht hatte, immer noch zusammen sind.

Liebevoll strich sie ihm über seine, sich bereits lichtenden Haare, als sie im erwiderte: „Menschen machen Fehler. Du, ich, alle anderen auch. Jeden Tag aufs Neue und immer wieder. Die Frage ist doch, wie wir damit umgehen. Du und ich werden immer unsere Wege finden. Als wir uns damals kennenlernten, nanntest Du mich immer Schönheit. Es wog so schwer für mich und ich bat dich, es nicht mehr zu tun. Seitdem nanntest du mich Tiehnösch. Ob mit Wollsocken auf der Couch oder morgens beim Aufwachen mit Knitterfalten im Gesicht. Ob ich von der Gartenarbeit verschwitz und mit Erde im Gesicht vor dir stehe, oder verzweifelt auf der Waage, weil sie wieder weiter nach oben ausschlägt. Für Dich bin ich immer Tiehnösch, auch wenn meine Lachfalten langsam in Altersfalten übergehen. Dafür liebe ich Dich!“

Liebevoll betrachtet sie sein von Sorgenfalten durchzogenes Gesicht, über das sich beim Einschlafen gerade ein leichtes Lächeln legt.

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