15.

8 Jahre zuvor

Um Punkt 0 Uhr packe ich die letzten Sachen zusammen und fange an, aus dem Fenster zu klettern. Meinem Vater habe ich einen Zettel hinterlassen, dass ich ihn liebe und er sich keine Sorgen machen braucht, da ich weiß, dass ich das Richtige tue. Vor etwas über einem Monat ist Newt mitgenommen worden und ich habe alles versucht, um doch noch eine Testperson von A.N.G.S.T. werden zu können, doch sie meinten, sie hätten mittlerweile genug Personen und brauchten mich nicht mehr. Selbst als ich angeboten habe, mich diesem Test noch einmal zu unterziehen und ihnen erzählt habe, welchen Eindruck sie vorher auf mich hatten, hat das nichts bewirkt. Dies ist jetzt meine letzte Chance, um doch noch zu ihnen zu kommen. Ich muss zu Newt! Die letzten Monate waren die reinste Folter für mich gewesen, ständig habe ich an ihn gedacht und immer versucht, einen Weg zu finden, um zu ihm zu kommen. Ohne ihn ist es einfach nicht das Gleiche. Das ganze Leben ist einfach nur trist. Ich lasse mich sanft auf den Boden gleiten und ziehe mir die Kapuze weiter ins Gesicht, damit mich niemand erkennt. Meine Taschenlampe halte ich fest umklammert und schultere meinen Rucksack. Du schaffst das, Maria, sei stark! Es muss nun einfach alles klappen, sonst hätte ich ein mächtiges Problem. Wahrscheinlich würde ich erst einmal von meinem Vater die schlimmste Strafe, die er sich überhaupt nur vorstellen konnte, aufgebrummt bekommen und dann auch noch irgendeinen sozialen Dienst leisten müssen, während mein geistiger Zustand unter Beobachtung gestellt werden würde. Ich bin geistig vollkommen bei mir, schließlich tue ich das alles nur, weil ich Newt einfach wiedersehen muss, da ich es ohne ihn nicht weiter aushalte. Minutenlang laufe ich die dunklen Gassen entlang, mir begegnet zum Glück keine Menschenseele, sie haben sich alle in ihren Häusern verbarrikadiert, aus Angst vor den Cranks, die nachts draußen herumstreunern. Mein Herz klopft panisch in meiner Brust, als ich ein Stück vor mir die Lichter der Autos auf der Schnellstraße erkenne. Wenn mein Plan schieflaufen sollte, dann habe ich ein richtiges Problem, mein Leben könnte das sogar kosten. Ich muss jetzt stark bleiben, Newt braucht mich! Schnell, bevor ich es mir noch anders überlegen kann, trete ich an den äußersten Rand der Straße, wo mir der Fahrtwind der Autos durch die Haare fährt und mich fast zu Boden reißt. Es ist solch ein Wind, die Geschwindigkeit der Autos so hoch, dass ich wirklich Schwierigkeiten habe, auf den Beinen zu bleiben. Schnell verstaue ich meine Taschenlampe in meinem Rucksack und mache den ersten Schritt. Ich schwanke nach links und rechts, schwanke hin und her und falle fast um. Die Autos hupen, fahren Umwege um mich und ihre Reifen quietschen auf dem Boden. Ich sehe, wie ein Auto rechts ranfährt, in einiger Entfernung, der Fahrer aussteigt und mir wie verrückt mit den Armen zuwedelt, dass ich stehen bleiben soll. Er zückt sein Handy und ruft irgendjemanden an, ich gehe sehr stark davon aus, dass es A.N.G.S.T. ist, innerlich reiße ich triumphierend die Arme in die Luft. Sie werden kommen und mich holen. Ich werde wieder mit ihm vereint sein. Ich habe keine Zeit, mich zu freuen, denn ein Auto kommt direkt auf mich zugerast, die quietschenden Reifen schlittern über den Boden, dass rote Funken hervorsprühen und dann wird alles schwarz. Ich sehe Newt vor mir, als ich zu Boden falle. Für ihn tue ich das alles hier, für ihn tue ich mir das an. Er ist das wert.

Alles ist dunkel. Alles kreist sich um mich. Ich fühle mich gefangen, wie in einer anderen Galaxie, in der ich ohne Ziel umherschwirre. Wo bin ich hier? Lebe ich noch? Was ist denn geschehen? Ich erinnere mich nur noch daran, dass ich von einem Auto angefahren wurde und jemand A.N.G.S.T. kontaktier hat, ich muss somit wohl bei ihnen sein. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, es droht fast zu zerspringen. Zum einen, da ich Angst habe, hier zu sein, zum anderen aber auch, weil ich Newt so nahe bin, wie schon seit Monaten nicht mehr. Mein Kopf schmerzt, es fühlt sich an, als wäre ich an irgendetwas angeschlossen, das durch mein Ohr mit meinem Gehirn vernetzt ist. Obwohl ich meine Augen geschlossen habe, sehe ich vor mir, wie sich neben mir ein Computer befindet, der meine Gehirnaktivitäten aufzeichnet. Es sind noch andere Personen hier, das spüre ich ebenfalls. Es ist doch genau so, wie ich es mir erhofft habe. Ich wurde von ihnen geschnappt und nun werde ich untersucht, ob ich ihnen intelligent genug bin, um eine Testperson zu werden. Ich hoffe es so sehr, dass sie mich übernehmen, denn egal wie sehr ich dieses Leben verabscheue, ohne Newt ist es noch um ein dutzendfaches schlimmer. „Sie ist sehr intelligent, ich habe gerade ihre Akte durchgesen von der Schule, sie war damals schon unser Favorit. Wenn Sie mich fragen, dann wäre es eine Schande, sie nicht zu übernehmen. Sie ist kostbar für uns", höre ich eine Frauenstimme sagen und identifiziere sie als die von Miss Miller. „Das können wir aber nicht machen, du weißt doch, dass wir keine Testpersonen mehr aufnehmen dürfen, das Limit ist schon längst überschritten. Ava Paige hat es verboten. So schlimm ich es auch finde, wir müssen sie wieder gehen lassen ..." „Oder wir machen es ganz anders!", mischt sich eine dritte Stimme ein, „wir dürfen keine Testperson mehr aufnehmen, das stimmt, doch wer sagt, dass sie nicht für uns arbeiten darf. So jemanden wie sie finden wir nicht jeden Tag und es wäre eine Schande für A.N.G.S.T., sie gehen zu lassen. Ich hoffe, Sie sehen das genau so wie ich." Lange herrscht Schweigen. Mein Puls hat sich so stark erhöht, dass ich das Gefühl habe, gleich abzudrehen. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Wie kann ich denn für jemanden arbeiten, den ich aus tiefster Seele verabscheue?! Wie soll ich es denn anrichten, mit Newt Kontakt aufzunehmen? „Es ist in Ordung, wir werden es so machen, doch sie darf keinerlei Kontakt zu den Testpersonen haben, dafür muss sie sich erst qualifizieren und Ava höchstpersönlich muss sie dazu einteilen." Genau das, was ich auf jeden Fall vermeiden sollte, ist eingetreten. Ich bin nun in den Fängen von A.N.G.S.T. und wenn ich nicht will, dass man uns beide umbringt, darf ich auch keinen Kontakt zu Newt haben.

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