1.

13 Jahre zuvor

Mom und ich schlendern gerade die Straße entlang. Die Leute sind zwar alle fröhlich, doch ich kann spüren, dass etwas anders ist. Mom meint, ich wäre noch zu klein, um es zu verstehen und das wichtigste ist, dass ich weiß, dass wir in Sicherheit sind und die Bösen uns nicht kriegen. Ich soll mir keine Sorgen machen, doch es macht mir Angst. Als ich ein Baby war, ist anscheinend etwas schlimmes passiert, das sich Sonneneruption nennt, ich habe keine Ahnung, was das ist, doch die Leute fürchten sich davor. Mom und ich sind gerade auf dem Weg in den Supermarkt, da es heute mein Lieblingsessen gibt. Ich freue mich schon so sehr, das Essen gab es schon lange nicht mehr. „Geht es dir gut, Maria?", fragt meine Mutter und greift nach meiner Hand. „Ja, supi, Mami. Ich freue mich auf mein Essen. Meine Puppen freuen sich auch schon. Ich habe ihnen gesagt, dass sie mitessen dürfen, ist das in Ordnung?" Meine Puppen sind meine besten Freunde, mit anderen Kindern in meinem Alter habe ich kaum Kontakt, Mom macht immer große Bogen um sie. „Natürlich, Schatz, für sie ist genug da." Sie lässt meine Hand los, um eine Tür zu öffnen, die Tür in den Supermarkt. Ich trete ein und sehe mich um. Hier ist es richtig groß, ich kann meinen Augen kaum glauben. Ich war noch nicht oft hier gewesen und ich fühlte mich jedes mal total überfordert, wenn ich durch die Gänge lief. Heute geht es mir wieder genauso, wie meine Mutter wohl bemerkt. „Schatz, soll ich dich in die Spielecke bringen? Sieh mal, da sitzt auch ein Junge in deinem Alter. Mit ihm kannst du ja spielen!" Schüchten und leicht ängstlich nicke ich meiner Mutter zu. Ich habe nicht so viel Erfahrung mit anderen Kindern, daher habe ich ein komisches Gefühl im Bauch. Meine Mutter bringt mich kurz an den Tisch und fängt dann gleich an, ihre Besorgungen zu machen. „Hallo", piepst die Stimme des Jungen neben mir. Ich sehe auf und betrachte ihn näher. Er ist wohl etwas älter als ich. Hat blond- braune Haare und brauen Augen, die mir besonders auffallen. Sie erinnern mich an die Augen meiner Puppe, die ich schon immer so schön finde. Seitdem ich sie habe, sehe ich jeder Person in die Augen und erhoffe, jemanden mit den gleichen, schönen Augen zu entdecken. Und nun sitzt hier jemand vor mir mit den Augen. Ich bin, ehrlich gesagt, etwas erstaunt, jetzt einfach so jemanden gefunden zu haben. „Hallo, ist alles okay, bei dir?!" Der Junge winkt mit seiner Hand vor meinen Augen rum und ich zucke zusammen. Ich bin nur erstaunt, er soll mich in Ruhe lassen! „Du hast genau so hübsche Augen wie meine Puppe", platze ich auf einmal hervor, worauf er mich leicht verwirrt mustert. „Oh, danke. Willst du mit mir etwas bauen?" Er deutet auf die Bauklötze, die neben uns auf dem Tisch liegen. Ich nicke ihm zu, um abzulenken und schiebe die Klötze auf ihn zu. Schnell fange ich an zu bauen und ignoriere ihn einige Sekunden. „Wie heißt du?", fragte er mich interessiert. „Maria heiße ich und du?" „Meinen richtigen Namen weiß ich nicht, mich nennen aber alle Newt. Du kannst mich also ruhig auch so nennen." Ich nicke ihm lächelnd zu und baue weiter. Wir sprechen ein bisschen über Alltägliches und meine anfängliche Anspannung löst sich. Er scheint echt nett zu sein, der beste Freund bisher. „Wollen wir Freunde sein?", frage ich ihn leise, mit piepsiger Stimme, so leise, dass er es kaum mitbekommt. Ich bin so erstaunt, dass ich mich überhaupt getraut habe, das zu fragen, normalerweise bin ich doch eher schüchtern. Ich scheine ihn wohl echt gerne zu haben. „Äh, ja klar gerne, Maria. Bist du oft hier? Ich würde gerne mit dir den Turm mal weiterbauen." Ich überlege kurz. „Muss ich mal Mom fragen, bist du auch mit deiner Mom hier? Sie können ja vielleicht reden, dass wir beide mal wiede hier hinkönnen." Newt schüttelt seinen Kopf. „Ich bin mit meinem Dad hier ..." Genau in dieser Sekunde kommt meine Mom wieder zu mir und nimmt mich an der Hand, um mit mir nach Hause zu gehen. Doch ich sträube mich. Ich will mit Newt noch weiterspielen! Genau in ebenfalls dieser Sekunde lässt mich ein dumpfer Aufprall zusammenzucken. Ich werfe einen Blick in die Richtung und sehe einen Mann, der auf dem Boden liegt. Um ihn herum liegen Schachteln und Dosen, die er anscheinend mit seinem Fall zu Boden gerissen hat. Er sieht sehr böse aus und wirft energisch alles zur Seite. „Dad!", ruft Newt neben mir, springt auf und rennt auf den Mann zu. Er drückt gegen seinen Rücken, während ihm ein anderer Mann die Hand gibt. „Ach lasst mich doch Ruhe, denkt ihr, ich schaffe das nicht alleine?! Ach verflixter Saftladen hier!", brüllt er und wedelt unkontrolliert mit seinen Armen hin und her. Ich sehe Mom ängstlich in die Augen und sie zieht mich zur Eingangstür, um mit mir zu verschwinden. „Nein, Mom, ich kann ihn jetzt nicht alleine lassen. Newt hat Probleme mit seinem Dad, bitte, Mom, hilf ihm!" Meine Mom bekommt anscheinend mit, wie wichtig mir das ist, denn sie trottet auf Newts Dad zu, der uns immer noch total grimmig betrachtet. Was ist denn nur mit ihm los? Meine Mutter ist das wohl auch nicht so wohl, denn sie zittert, als sie ihm die Hand hinstreckt, um ihm aufzuhelfen. „Komm schon Dad, lass uns gehen. Bitte!", fleht Newt und stupst ihn, doch er schubst ihn nur zur Seite. Ich zucke zusammen. Wie kann er das denn nur machen? Newt tut mir einfach so leid! Ich bin so froh, dass mein Vater so nicht ist. Ich wünsche ihm, dass sein Vater bald wieder normal wird. „Lassen Sie mich in Ruhe, Sie Schlange! Hauen Sie ab! Ich will, dass sie verschwinden! Sie haben die Würmer beauftragt, Sie haben sie in meinen Kopf gepflanzt!" Und dann schreit er, so laut und voller Schmerzen, dass mir das Blut in den Adern gefriert. Ich fange an zu weinen, es ist alles zu viel für mich. Was hat dieser Mann? Welche Würmer meint er denn? Ich habe Angst, ich will hier weg! Mom schnappt mich an der Hand, drückt mir Newts Hand in meine und verlässt mit uns schnell den Laden. Sie befiehlt uns, nicht zu viel zu atmen und uns den Ärmel vor die Nase zu halten, da es sich über die Luft verbreiten würde. Sie meint das, was die Leute im Fernsehen haben, die gruseligen Leute, die meine Eltern immer wegschalten, wenn ich ins Zimmer komme. Sie denken, ich weiß nichts davon, doch ich habe es mitbekommen. Es ist eine Krankheit. Sie sind krank. Und Newts Vater hat diese Krankheit auch.

Das tolle Cover ist von @Aythyasia

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