Der Verkauf

Ich laß mir die Anzeige nochmal durch, um ganz sicher zu gehen, dass ich mich nicht zu früh freute. Aber es bestand kein Zweifel. "Wir kaufen eure Pokémon für Geld in jedem Zustand", hieß es in der Anzeige. So schien es auch egal zu sein, dass das Vulpix eine verletzte Pfote hatte. Ich konnte im Moment immer noch nicht mein Glück fassen. Dass der Tag so eine Wendung machte, hielt ich für unmöglich. Ich sah nochmal auf die Anzeige, um zu schauen, wo man das Pokémon verkaufen konnte. "Verkauf jeden Samstag vor dem Supermarkt", stand da geschrieben. So ein Glück! Der war ja direkt um die Ecke. Dass ich das nicht schon bemerkt hatte, als ich Futter gekauft hatte, blieb mir ein Rätsel. Aber besser spät als nie. Ich lehnte mich entspannt zurück und genoss es, zu wissen, dass ich mich nie wieder um das Vulpix kümmern musste. Genau in dem Moment hörte ich es auch wieder schreien. Weil ich mir das nicht länger antun wollte, beschloss ich, das Vulpix sofort zu verkaufen. Zuerst rief ich allerdings Simon an und sagte ihm, dass ich heute nicht kommen würde. Heute würde ich nämlich nur noch meine  Ruhe brauchen. Und dann war es soweit. Ich ging zum Vulpix, das nun still wurde und seinen Kopf mir wieder entgegenstreckte. Doch anstatt es zu streicheln, womit es wohl gerechnet hatte, nahm ich es wie gestern vorsichtig in die Arme, um es zu transportieren. Es sah mir gespannt in die Augen und schien sich zu fragen, was ich vorhatte. "Jetzt kommst du weg.", lächelte ich es an, weil ich wusste, dass es eh kein Wort verstand. Zum ersten Mal hörte ich es nun "Vulpix!" rufen. Es schien sich zu freuen und dachte anscheinend, dass wir etwas Aufregendes machten. Ich reagierte aber nicht darauf und hörte auf, es weiter anzuschauen. Stattdessen machte ich mich auf den Weg. Beim Gehen kamen mir automatisch die Erinnerungen an gestern hoch, wie ich das Vulpix im Gras fand und es dann, wie ich es jetzt tat, mitnahm. Was für ein Fehler das gewesen war. Ich spürte nun, wie sich etwas Warmes an meine Brust schmiegte. Irritiert senkte ich meinen Kopf und sah, wie sich das Pokémon an mich kuschelte. "Ach wärst du doch die ganze Zeit so lieb gewesen.", sagte ich ihm. Aber das, was es mir angetan hatte, werde ich ihm niemals verzeihen. Als es auch noch begann mich abzuschlecken, war es mir genug und ich rief nun etwas lauter zu ihm: "Jetzt hör auf damit! Das hättest du dir früher überlegen müssen. Es ist zu spät!" Das Vulpix verstand aber nicht, was ich meinte, und hörte nicht auf, mich zu kuscheln. Ich ließ es also über mich ergehen und versuchte die angenehmen Gefühle, die ich dabei verspürte, zu ignorieren. Es war echt dreist von ihm, zu glauben, dass es mich damit umstimmen konnte. Aber ich brauchte nur an den bisherigen Tag denken, um die aufkeimenden Gefühle zum Vulpix zu ersticken. Nach wenigen Minuten war ich schon angekommen. Ich stand nun vor dem Eingang und suchte die Umgebung ab. Dennoch fand ich nichts, wo ich das Pokémon hätte abgeben können. Nachdem ich bestimmt mehrere Minuten ahnungslos vor dem Eingang gestanden hatte, bemerkte mich eine Angestellte des Supermarkts und fragte mich freundlich: "Du bist bestimmt gekommen, um dein Pokémon zu verkaufen, stimmt's?" Ich nickte, auch wenn es mich störte, dass sie sagte, dass es "mein" Pokémon war. Die Angestellte sprach weiter: "Der Verkauf findet an der LKW-Zugangseinfahrt statt, der auf der anderen Seite des Markts ist. Aber bist du sicher, dass du ein so süßes Vulpix wirklich weggeben möchtest? Es scheint auch verletzt zu sein und ganz viel Zuwendung zu brauchen." Sie trat bei diesen Sätzen näher an mich heran und blickte nun mit einem Lächeln auf das Vulpix, das sich immer noch fest an mich schmiegte. "Es scheint dich zu mögen.", meinte sie, doch ich widersprach ihr sogleich, indem ich kalt sagte: "Sie haben keine Ahnung." Sie schaute mich komisch an, aber weil ich keine Lust auf Erklärungen hatte, bedankte ich mich für ihre Hilfe und ging zum besagten Ort. Ich entdeckte den LKW und sah mich am Ziel angekommen. Das Fahrzeug war hinten geöffnet und je näher ich an es herantrat, desto mehr hörte ich den Lärm, der in ihm war. Die Geräusche konnte ich zunächst nicht zuordnen, aber es hatte irgendetwas beängstigendes. Aus Neugier schaute ich in den LKW und war geschockt. Ein Geschrei und Weinen traf auf meine Ohren und ließ mich erschaudern. Unzählige Kartons und Käfige waren hier aufgestellt, in denen Pokémon waren. Besonders dass zum Teil mehrere Pokémon in einem einzigen engen Käfig waren, sah schlimm aus. Mein Vulpix schien die lautstarken Pokémon auch mitzubekommen und begann zu zittern. Da spürte ich auch schon, wie ein Schatten auf mich viel. Im Gedanken daran, dass es der Käufer sein würde, drehte ich mich um und sah einen etwas dickeren Mann vor mir, der eine Zigarette im Mund hatte. Auch sein eher ungepflegter Bart sorgte dafür, dass er mir im ersten Moment unheimlich vorkam und ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Er betrachtete mich und blickte vor allem auf das Vulpix, das sogleich mit einem ängstlichem "Vulpix!" reagierte. Der Mann sprach dann, wobei seine unfreundliche Stimme vermuten ließ, dass er keine Lust hatte, mit mir zu sprechen: "Das ist es also? Dieses verkrüppelte Ding mit einer verletzten Pfote?" Seine Wortwahl schockierte mich ebenso wie sein rauher Ton, sodass ich nur ein zurückhaltendes Nicken von mir geben konnte. Mir kam das alles so seltsam vor. Wohin würden all die Pokémon hingebracht werden? Aber die viel wichtigere Frage war, würden die Pokémon gut versorgt werden? Ich bekam Zweifel und fragte den Mann: "Wohin kommen denn die Pokémon? Denn so wie es im LKW aussieht, kann man nicht wirklich von einer artgerechten Haltung sprechen." Der Mann sah mich erstaunt an. Langsam nahm er seine Zigarette aus dem Mund und sagte mürrisch: "Entweder du verkaufst oder du zischt ab! Ich habe jetzt echt keine Lust auf irgendwelche Fragen." Er hielt mir dabei einen 50€-Schein vor die Nase, was mich erstaunte: "So viel für ein verletztes Vulpix?" Ich war schon froh, dass man ein verletztes Pokémon überhaupt für Geld verkaufen konnte, aber mit so viel hatte ich nicht gerechnet. Er fragte mich nun nochmal: "Also willst du das Geld oder nicht?" Überrraschenderweise zögerte ich. Der ganze Verkauf kam mir eigenartig vor. Besonders der Anblick der Pokémon im Fahrzeug entsetzte mich. Andererseits konnte ich das Vulpix unmöglich behalten und so viel Geld würde ich nie wieder geboten bekommen. Und wer so viel Geld für Pokémon ausgab, würde sich schon gut um sie kümmern. Daher nahm ich das Angebot an und wollte ihm mein Vulpix aushändigen, als ich bemerkte, dass es sich stark an mich festhielt. "Ach jetzt komm schon, Vulpix! Da, wo du hinkommst, wirst du mit mehr Liebe versorgt. Außerdem kannst du dann anderen Leuten auf die Nerven gehen." Es klammerte sich allerdings weiter an mir fest, sodass ich es nicht von mir lösen konnte, ohne ihm weh zu tun. Da packte plötzlich der Mann das Vulpix am Fell und zog es von mir weg, was mir wehtat, weil es seine Krallen in meinen Bauch gefahren hatte, um sich an mir weiter festzuhalten. Das Vulpix schrie jetzt, wie ich es noch nie schreien gehört hatte. Der Mann warf es dann in einen leeren Karton, woraufhin ich ihn sofort ermahnte: "Hey, vorsichtig! Es hat eine verletzte Pfote." Er zeigte aber kein Interesse mehr, mir zuzuhören, und gab mir das Geld. Nun war es Zeit für mich zu verschwinden, schaute aber noch ein letztes Mal auf das Vulpix, das mich mit feuchten Augen anstarrte und dabei wehleidig schrie. "Selber schuld.", meinte ich nur und ging dann mit einem Gefühl, dass ich mir um einiges besser vorgestellt hatte, als es jetzt war, nach Hause.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top