Prolog
Caroline hatte ein glückliches Leben, bis sie durch ein Ereignis völlig aus der Bahn geworfen wurde.
Sie hatte liebevolle Eltern, einen nervigen blöden Bruder und eine Übernahme im Zeitungsverlag wurde ihr, nach ihrer Ausbildung dort, garantiert.
Für sie konnte es nicht besser laufen, dachte sie. Einen Gedanken daran, dass es aber auch mal bergab im Leben ging, hatte sie nicht verschwendet.
Mit gerade mal vierundzwanzig Jahren erlitt sie während der Arbeit einen Schlaganfall, mit dem sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde, nachdem sie kurz vorher zusammen gebrochen war.
Als sie aufwachte und man ihr erklärte, dass sie einen Schlaganfall erlitten hat, brach für sie eine Welt zusammen.
>>Mein Glück ist verbraucht<<, dachte sie betrübt, doch fasste sie sich schnell wieder.
Sie war noch nie jemand gewesen der schnell aufgab, doch ein Schlaganfall war nicht mehr rückgängig zu machen.
Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass sie in diesem Fall nichts mehr tun konnte, außer weiter zu leben und das Beste daraus zu machen, was möglich war.
Ihren Job konnte sie behalten.
Der Schlaganfall äußerte sich soweit, dass ihre rechtes Auge etwas nach unten hing und ihr Lächeln eher gruselig, als charmant war.
Sie versuchte es gar nicht mehr, was ihren Alltag weniger fröhlich gestaltete.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich mehr oder weniger daran gewöhnte, dass die Menschen sie mit komischen Blicken bedachten, wenn sie unter Leute ging.
Deswegen ging sie selbst im Winter öfters mit Sonnenbrille aus dem Haus.
An einem späten Sommertag, war sie auf dem Heimweg. Der lauwarme Sommerwind brachte den Duft von Blumen mit und umstreichelte sanft ihr erdbeerblondes Haar.
Kurz vor ihrer Haustür ließ sie ihren Schlüssel fallen und sie zögerte, bevor sie in die Hocke ging um ihn auf zu heben.
Ihre Hand zitterte.
Das passierte seit dem Schlaganfall öfters, weswegen sie ihre Artikel von jemand anderem überarbeiten lassen musste, der keine Spastik hatte. Lange würde man sie nicht mehr dort bleiben lassen, war ihr gewiss, auch wenn sie es anders hoffte. Sie liebte ihren Job in der Zeitungsredaktion der Stadtzeitung.
Ein paar schwarze Lederschuhe hielten vor ihr an, nach mehreren vergeblichen Versuchen den blöden Schlüsselbund zu greifen. "Alles in Ordnung?", fragte eine tiefe Stimme. Sie zog die Brauen verärgert zusammen. "Warum sollte etwas nicht in Ordnung sein?", brummte sie unfreundlich und griff abermals nach dem schwarzen Stoff an ihrem Schlüsselring. Dieser Moment brachte sie so durcheinander, dass sie nicht daran dachte, einfach die andere Hand zu benutzen.
Für einen Moment hielt sie ihn in der Hand, ließ ihn gleich darauf aber wieder fallen, als ihre Hand verkrampfte und den Schlüssel los ließ. Daran würde sie sich nie gewöhnen.
Es war anstrengend und die Blicke der Leute waren unangenehm.
Die Anwesenheit des Mannes machte es allerdings noch schlimmer, da sie sich vor Nervosität kaum in der Hocke halten konnte. "Soll ich Ihnen helfen?", fragte die tiefe Stimme in neutralem Ton. Sie hätte zumindest Belustigung erwartet, so reagierten die Leute sonst auf ihre scheinbare Ungeschicktheit. Sie bekam eine Gänsehaut, so angenehm empfand sie diese. Trotzdem sagte sie bestimmend: "Nein!"
Ein Schatten legte sich über sie, als der Mann sich bückte, um die Schlüssel auf zu heben. Mit seinen langen, muskulösen und doch schlanken Fingern nahm er den Schlüsselbund.
>>Sicher ein Business Typ, der nur seine gute Tat fürs Jahr hinter sich bringen will.<<
Mit eiserner Miene hob sie den Blick, während sie aufstand und blickte in das genervte Gesicht eines schwarzhaarigen Mannes mit Bernsteinaugen. Er schaute so, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Diese Situation raubte ihr den letzten Nerv und der Mann in seinem eleganten Anzug machte es ihr nicht leichter.
"Ich schließe Ihnen auf, dann fällt der Schlüssel nicht schon wieder."
Ihr Mund blieb offen stehen, als der Mann an ihr vorbei und die fünf Stufen zu ihrer Wohnung herauf ging.
Augenblicklich überkam sie ein schlechtes Gewissen, doch sagte sie nichts und ließ sich schweigend die Tür aufschließen.
"Einen schönen Abend, Ms. Campbell", las er ihren Namen vom Klingelschild ab und lief an ihr vorbei.
Einen kurzen Augenblick sah sie ihm noch nach, bevor sie sich in ihre vier Wände zurück zog.
Ein Gefühl von Befangenheit, machte sich in ihrem Inneren breit, ohne das sie verstand weshalb. Sie hätte dem Mann gern gesagt, wie leid es ihr tat, dass sie sich so verhalten hat. Das sie es eben nicht gesagt hat, tat ihr doch sehr im Herzen weh. Er hatte versucht nett zu sein und sie kam ihm mit Undankbarkeit entgegen.
Seufzend lehnte sie sich an die alte braune Kommode neben der Haustür und fasste sich an ihre Stirn. Sie war nass vom Schweiß, durch die peinliche Situation kurz zuvor. "Man sieht sich immer zwei mal im Leben." Wenn sie nur gewusst hätte, wie recht sie damit haben würde.
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