~ 4. Kapitel ~
»The Sound of Silence (Disturbed)«
Vorsichtig öffne ich am nächsten Morgen das schwere Eisentor und betrete den Schulhof.
In dem Moment, in dem das Tor mit einem krachen wieder zufällt sehe ich schon wieder in ein, leider, mir zu gut bekanntes Gesicht, auf das ich heute auch echt verzichten könnte.
Auf das ich eigentlich jeden Tag verzichten könnte.
"Her mit den Hausaufgaben.", höre ich schon gleich den verhassten Satz und meine Hände verkrampfen sich um die zwei Seiten, die ich vorsorglich schon mal aus meinem Hefter entfernt habe. Das laute rascheln der Seiten fällt Felix gleich auf und seine Augen huschen zu den, schon ganz zerknitterten Blättern in meiner Hand.
Ein hässliches Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht und er streckt seine Finger sofort nach den Blättern aus. Ohne viel Widerstand meinerseits zieht er sie aus meiner Hand und überfliegt kurz die Zeilen, für die ich zu Hause geackert hatte.
Wütend denke ich an die verschwendete Zeit zurück und in mir fängt es langsam an, kochend heiß zu brodeln. Anscheinend bemerkt auch Felix die Veränderung in meiner Körperhaltung, denn sein Blick fliegt kurz, fast erschrocken über mein Gesicht.
In meinem Kopf schreit die kleine, wütende Stimme der Ängstlichen zu, sich endlich zu wehren und etwas zu unternehmen und ich merke, wie sie von Sekunde zu Sekunde die Überhand gewinnt und sich meine Hände zu Fäusten ballen.
Felix tritt einen Schritt rückwärts, stopft meine Blätter in seine Tasche und verschwindet schnellen Schrittes aus meiner Reichweite. Wütend trete ich ein kleines Steinchen weg, um mich wenigstens etwas abzureagieren und ich spüre wie die Aggression langsam wieder aus meinem Köper herausfließt. Mit einem seufzen entspanne ich mich endlich und atme ein paar mal tief ein und wieder aus.
Heute ist wohl doch nicht der Tag, an dem ich mich zur Wehr setze.
Mit einem leichten, fast enttäuschten zittern mache ich mich auf den Weg in die Schule, mit ruhigem Gewissen, denn ich habe die Hausaufgabe zu Hause zum Glück doppelt angefertigt. Vielleicht würde ich heute einen Tag erleben, an dem ich keinen Ärger von den Lehrern bekomme.
»
Das Geräusch der Schulklingel bringt wieder leben in meine Klasse, in der bestimmt die Hälfte meiner Mitschüler die letzten zwei Stunden die Köpfe auf den Tischen abgelegt haben, um sicherlich den versäumten Schlaf der letzten Nacht nachzuholen. Ich will eigentlich gar nicht wissen, was sie immer so lange wach hält.
Mein Lehrer schaut erschrocken auf seine Armbanduhr, anscheinend hat er, versunken in seinen Monolog, komplett die Zeit aus den Augen verloren. Ohne etwas dagegen tun zu können, dass meine Mitschüler mit lauten Stimmen anfangen, sich zu unterhalten steht er vor dem Lehrertisch und beobachtet, wie alle seine Schüler mit komplett neuer Energie achtlos ihre Bücher und Hefte in die Taschen werfen, um sich nach draußen auf den Hof zu verdrücken, in ihre, wohl eigentlich eher unverdiente Hofpause.
Langsam schweift mein Blick zu meinen eigenen Sachen, die immernoch ordentlich gestapelt auf meinem Tisch liegen. Seufzend fange nun auch ich an im Schneckentempo mein Buch einzupacken. Ich teile den neuerweckten Elan meiner Mitschüler einfach in keinster Weise, ich kann nicht mal verstehen, wie man sich überhaupt auf die Hofpause freuen kann- meiner Meinung nach ist diese Zeit langweiliger als der Unterricht, und das sollte schon was heißen.
Schweigend verlasse ich hinter den anderen den Klassenraum und werfe einen Blick aus dem Fenster im Flur. Vom dritten Stock, in dem ich mich gerade befinde, kann man wunderbar über den ganzen Hof blicken und über die Schüler, die wie Ameisen auf den Hof ausschwärmen. Ich beobachte, wie sich jeder glücklich zu seiner Freundesgruppe gesellt und sich Schüler umarmen, die in eine andere Klasse gehen und sich so wahrscheinlich gestern zum letzten Mal gesehen haben. Fröhlich bringen sie sich auf den neusten Stand, welcher Lehrer heute am schlechtesten drauf gewesen ist und die meisten Hausaufgaben aufgegeben hat.
Eine leichte Frage: unsere Lehrer haben, bis auf wenige Ausnahmen, immer schlechte Laune.
Ich hole tief Luft und mache mich auf den Weg durch die Gänge zu dem Raum, in dem ich die meiste Zeit der Pausen verbringe.
Ich habe keine wirklichen Freunde in dieser Schule, deswegen würde ich draußen nicht freundlich begrüßt werden, wenn ich den Hof betreten würde und ich hätte keine Ahnung, was ich die lange Zeit der Pause alleine machen sollte. Das ist mir dann doch zu blöd, da bleibe ich lieber gleich drinnen.
Aber das macht mir eigentlich gar nichts aus. Wer allein ist, kann auch nicht verletzt werden, muss sich bei keinem einschleimen und muss sich nicht verstellen um 'cool' zu sein.
Und das müsste ich sicherlich tun, da ich auf keinen Fall cool bin. Wer hat schon Lust darauf, die ganze Zeit so zu tun, als wäre man ein Anderer?
Endlich komme ich vor einer großen Tür an, die ich schwungvoll öffne und mich durch den entstandenen Spalt hindurchdrücke. Mit einem Lächeln atme ich den vertrauten Duft ein, der diesen Raum so charakterisiert, diesen Duft, nach alten und neuen Büchern, der den Raum zu etwas ganz Besonderem macht.
Hinter mir fällt die Tür mit einem klicken wieder ins Schloss und schließt so auch den Lärm aus, der vom Schulhof durch das ganze Gebäude dringt. Ich fange an, durch die Gänge unserer kleinen Schulbibliothek zu wandern und komme schließlich an meinem Stammplatz an: eine Fensterbank in der hintersten Ecke der Bibliothek. Hier ist mein Lieblingsplatz, der in einer der Nischen der Bibliothek versteckt liegt, leicht beleuchtet durch die Strahlen der Sonne, die durch das Fenster zu mir durchdringen und diesen Platz in goldenes Licht tauchen.
Der Ort strahlt diese Ruhe und Wärme aus, umgeben von Büchern und mit Blick aus dem Fenster, die mich gleich wohl und wie zu Hause fühlen ließ. Ich mache es mir auf der Fensterbank bequem, ignoriere den Trubel, der draußen auf dem Hof herrscht und vertiefe mich in meinen Roman, den ich mir von zu Hause mitgebracht hatte.
»
Ein lautes Krachen lässt mich von meinem Buch hochschrecken und ich blinzele erstmal verstört, bis ich realisiere, dass ich mich hier gerade in der Schulbibliothek, und nicht mit Hermine, Harry und Ron in der Bibliothek von Hogwarts befinde.
"Verdammt!", höre ich jemanden hinter einem der Bücherregale fluchen und erhebe mich langsam von meinem Platz. Vorsichtig schaue ich neugierig um die Ecke und entdecke jemanden, auf der Erde gehockt über einem dicken Buch, welches anscheinend aus dem Regal gerutscht war.
Jemanden, dem ich nie zugetraut hätte, auch nur einen Fuß in die Bibliothek zu setzen und der jetzt
anscheinend auch meine Anwesenheit bemerkt, zu mir hoch schaut und mich erschrocken anstarrt.
"Was machst du denn hier?"
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Was denkt ihr: wird Rosa irgendwann mal den Mut aufbringen, etwas gegen Felix zu unternehmen? Und wen hat sie in der Bibliothek entdeckt?
Vielen Dank an alle Leser die noch dabei sind :3
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