~ 32. Kapitel ~
»Fixed (New Hope Club)«
Ich laufe mal wieder den Gang entlang, der mich auch schon zur ersten Begegnung mit Joshua geführt hat. Nachdem ich bei Serafinas Vorschlag eingewilligt habe, bin ich nämlich mit der Entschuldigung, ich müsse mir Tinte von den Händen waschen, rausgegangen.
Natürlich nur ein Vorwand, da ich die Hoffnung habe, auf Joshua zu treffen, was, ohne Serafina ausnutzen zu wollen, mein eigentliches Ziel gewesen ist. Glücklicherweise konnte ich auch noch das Problem mit ihr klären, sodass ich wenigstens dieses Eine schon mal von meiner Liste streichen kann.
Enttäuscht stelle ich fest, dass ich dieses Mal keine Musik aus dem Zimmer mit dem Flügel höre. Trotzdem entscheide ich mich, nachdem ich angeklopft habe, hineinzuschauen.
Ein klein wenig erschrecke ich mich, als ich Joshua mit dem Rücken auf dem Boden liegen sehe. Seine Beine sind auf dem Klavierhocker abgestützt und sein Gesicht ist zur Decke gerichtet. Aber als ich sehe, dass seine Augen offen sind und mich quicklebendig anstarren, atme ich erleichtert auf.
Anton ist ja nicht im Haus, also sollte heute auch noch keiner sterben, erinnere ich mich mit einem kleinen Lächeln, an das Gespräch mit Serafina gerade eben.
"Was willst du hier?"
Vielleicht haben Joshua und Serafinas Seelen die Körper gewechselt? Denn sie hat mich eindeutig freundlicher begrüßt, als er gerade eben und genau das ist ja eigentlich sonst andersherum.
"Gegenfrage. Was machst du hier?", versuche ich in Erfahrung zu bringen, warum er so komisch auf der Erde liegt.
"Nachdenken.", antwortet er mir kurz und richtet seinen Blick wieder an die Decke, bevor er seine Augen schließt.
Wenn er nicht so oft nachdenkt, ist es ja gut, dass er es heute mal macht. "Kann ich mitmachen?"
"Das kannst du auch woanders."
Jetzt bin ich mir sicher, dass er und Serafina getauscht haben.
Ich beobachte still, wie er seinen Oberkörper fast bis zu seinen Knien, in einem halben Situp aufrichtet und sich dann wieder, seine Arme hinter dem Kopf verschränkt, hinlegt. Jap, der Junge hat Bauchmuskeln. Jedenfalls mehr als ich. Was, nebenbei bemerkt, keine große Kunst ist.
Er seufzt genervt auf. "Du bist ja immer noch da."
"Ich gehe auch so schnell nicht wieder weg.", ich bin stolz auf mich, dass ich es endlich zu schaffen scheine, meinen Standpunkt zu vertreten und selbstbewusst mein Handeln darauf ausrichten zu können.
"Rutsch rüber.", befehle ich deswegen, zwar stimmlich immer noch ein wenig lasch und überhaupt nicht wie ein Befehl, aber besser, als gar nichts zu sagen. Ich lasse mich neben ihn fallen und lege mühselig auch meine Beine auf den Hocker, genau wie er sie liegen hat.
Jetzt starren wir beide vollkommen still zur Decke.
Keine Ahnung, wie es Joshua schafft diese Position als entspannend zu empfinden, denn mir drückt sich der Boden ganz schön in den Rücken. Aber ich muss jetzt stark bleiben.
Eine Weile liegen wir einfach so da, Schulter an Schulter und ich merke, wie angespannt Joshua neben mir ist. Sonst ist er immer so locker, doch nun scheint er sich in meiner Anwesenheit überhaupt nicht wohl zu fühlen.
Und diese Anspannung überträgt sich auch auf mich, sodass ich am liebsten aufspringen und einfach wieder gehen würde. Außerdem fühle ich in diesem Moment so eine merkwürdige Distanz, die sich zwischen uns eingestellt hat, so als ob er ganz weit weg wäre und nicht gerade neben mir liegen würde.
Das muss ich dringend ändern.
Ich hole einmal tief Luft, in der Hoffnung, mich selbst zu beruhigen. "Ich will nichts von Anton.", stelle ich einfach mal in den Raum und bekomme mit, wie Joshua ein klein wenig zusammenzuckt, weil ich so plötzlich die Stille unterbreche. "Tut mir leid, dass das so rüberkam."
Es herrscht wieder sekundenlange Stille, die mir total unangenehm ist. Vielleicht ist Joshua ja auch eingeschlafen?
Gerade will ich die Frage laut stellen, da holt er einmal tief Luft und lässt sie zischend wieder nach draußen. Auch von seinen Schultern scheint eine Last abzufallen und er entspannt sich ein wenig. "Mir tut's auch leid. Ich habe kein Recht, sauer auf dich zu sein, selbst, wenn es so wäre."
Mir fällt buchstäblich ein Stein vom Herzen. Wenn er mir so schnell verzeiht, heißt das also, er hasst mich doch nicht.
"Ich versteh das aber. Anton ist schließlich dein bester Kumpel.", ich drehe vorsichtig meinen Kopf in seine Richtung und beobachte seine Reaktion. "Das wäre sicher irgendwie komisch für dich."
Über Joshuas Gesicht zieht sich langsam ein Lächeln und er dreht seinen Kopf ebenfalls in meine Richtung und schaut mir in die Augen. "Ach Rosa. Du bist so verdammt unschuldig und ahnungslos, weißt du das?" Sein Mundwinkel zuckt, als er das sagt.
Das Schmunzeln zieht sich über sein ganzes Gesicht und erreicht auch seine braune Augen, die förmlich zu strahlen beginnen. Trotzdem verstehe ich nicht ganz, was er mit dem Gesagten meint.
Ich versuche ihm das deswegen durch ein möglichst fragendes Gesicht mitzuteilen, doch er scheint es einfach zu ignorieren. Stattdessen streckt er vorsichtig seine Hand aus und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Irgendwie macht mich diese Geste wieder nervös. Sogar noch nervöser, als ich vorhin eh schon war.
"Also ist alles gut zwischen uns?", versuche ich, trotz des Gespräches gerade, nur um sicher zu gehen, noch mal in Erfahrung zu bringen. Und um meine plötzliche Nervosität zu überspielen.
Joshuas Blick fliegt zwischen meinen Augen hin und her. "Natürlich."
Mir wird ganz warm. Ich lächele ein klein wenig und drehe wieder meinen Kopf zur Decke. Länger hätte ich diesem Blick nicht stand gehalten.
Die Zeit vergeht weiter, während wir einfach zur Decke starren und Schulter an Schulter daliegen. Plötzlich bewegt sich Joshua neben mir und macht wieder einen seiner halben Situps. Dieses Mal jedoch nicht, um seine Arme hinter dem Kopf zu verschränken, sondern anscheinend, um einen besseren Blick auf mich haben zu können. Ich drehe meinen Kopf ein wenig, um es ihm zu erleichtern und seine Augen treffen meine. "Worüber denkst du nach?"
Ich blinzele. Wie kann es sein, dass er mich so gut durchschaut?
"Anton.", seufze ich schlicht. Ich bekomme ihn einfach nicht aus meinen Gedanken.
Ich beobachte, wie Joshua die Augen schließt und einmal tief durchatmet, als würde er um Fassung ringen. "Es ist in Ordnung, wenn du doch anders fühlst. Ich stehe euch nicht im Wege. Hauptsache du bist glücklich."
Ich starre ihn an und runzele die Stirn. Dann weiß ich auf einmal, was er mit diesen, schon fast geflüsterten Worten meint und schlage unwillkürlich meine Hand vor die Stirn. "Oh Gott, nein, das meinte ich nicht." Ich schüttele vehement den Kopf. Warum denken alle immer gleich sowas? Joshua kneift die Augen zusammen und schaut mich nachfragend an.
"Er ist halt immer so komisch zu mir, weißt du?", ich überlege kurz. "So... gemein."
Lacht mich nicht aus, aber ein besseres Wort ist mir nicht eingefallen, um sein Verhalten zu beschreiben. Aber ich denke, dieses Wort fasst trotzdem alle Verhaltensweisen zusammen, die Anton mir gegenüber an den Tag legt.
Joshua lässt sich mit einem Plumpsen nach hinten fallen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er die ganze Zeit in dieser anstrengenden Pose verblieben ist. "Ich weiß auch nicht. Am Anfang fand ich das ja auch noch ganz witzig, aber jetzt nervt es langsam. Und immer wenn ich ihn darauf ansprechen will, blockt er total ab."
Also hatte ich recht: Anton verhält sich komisch.
Joshua scheint lange zu überlegen, bevor er weiter spricht. "Ich kenne ihn eigentlich schon ewig und so hat er sich noch nie benommen. Aber vielleicht ist das seine Art, dir zu zeigen, dass er dich...", er scheint mein Gesicht genau zu scannen, bevor er das letzte Wort flüstert: "mag?"
Mir stockt der Atem. Genau so etwas hat ja Serafina schon behauptet. Und ich dachte sie spinnt.
"Alles in Ordnung?", Joshua mustert mich besorgt und ich beeile mich, zu nicken.
"Wenn das wirklich so ist, finde ich das wirklich anwidernd. So zeigt man jemanden doch nicht, dass man ihn mag!", entrüstet fuchtele ich mit meinen Händen in der Luft herum. Irgendwie muss ich ja meinen Frust über diesen Jungen herauslassen.
Ich kann ja nicht einfach zu Anton gehen und ihn schlagen, denn so würde ich den Frust bestimmt auch gut los werden, aber Gewalt ist bekanntlich keine gute Lösung. "Der kann mir echt mal gestohlen bleiben."
Überrascht beobachtet mich Joshua bei meinem kurzen Gefühlsausbruch. Dann zieht sich ein großes Grinsen über sein Gesicht. "Wie zeigt man denn jemanden, dass man ihn gerne hat?" Er greift nach meinen Händen, die immer noch wirsch in der Luft sind, um sie vorsichtig auf meinen Bauch abzulegen. Sein Gesicht ist dabei gefährlich nah an meinem und ich bemerke perplex meinen schnelleren Herzschlag.
"Ich weiß nicht.", flüstere ich, ohne darüber nachzudenken, was ich sage und blicke in seine braunen Augen.
Lange mustert er mich und scheint ganz in Gedanken zu sein. Doch die knisternde Stimmung verfliegt wieder und langsam entfernt sich Joshua erneut weiter von mir und nimmt seine normale liegende Haltung an.
Dann setzt er einen fast stolzen Gesichtsausdruck auf, während sein Blick förmlich an mir klebt. "Ich finde es gut, dass du jetzt weißt, was du willst. Wie du hier rein kamst- du warst so selbstbewusst und gerade auch wieder.", ein breites Lächeln zieht sich über sein Gesicht und seine Augen strahlen als er weiter redet. "Und du hast angeklopft."
Ich kichere über seinen kleinen Scherz und freue mich gleichzeitig über den Satz davor. Vielleicht fange ich wirklich an, mir selbst mehr zu zutrauen. Die Anspannung von vorhin, als ich den Raum betreten habe, ist wieder völlig weg und ich bin einfach nur froh, hier neben Joshua zu liegen.
"Hier seid ihr." Mein Kopf schießt zur Tür, die ich wohl ausversehen offen stehen gelassen habe. Im Türrahmen steht eine breit lächelnde Serafina. "Schön, da unten?"
Irgendwie fühle ich mich ertappt, obwohl wir ja nichts anderes getan haben, als zu reden. Und was ist da schon dabei?
Ich schiele hinüber zu Joshua, um zu schauen, ob er etwas ähnliches empfindet, doch treffe wieder nur seinen Blick und sein verschmitzt schiefes Lächeln. Langsam setze ich mich auf und bin froh, dass meine Füße wieder auf dem Boden sind und nicht in der Luft herumbaumeln.
Joshua macht mir nach und setzt sich auch normal hin, ihm scheint das komische Liegen jedoch nichts ausgemacht zu haben, während sich bei mir das eklige kribbeln in den Füßen einstellt. Sie müssen wohl eingeschlafen sein. Ich hasse das.
Während ich genervt stöhnend meine Beine massiere und mit den Füßen wackele, um das Gefühl loszuwerden, sehe ich die beiden Geschwister Blicke tauschen. Da ich sie allerdings nicht deuten kann, ignoriere ich es einfach und habe nach einigen Sekunden wenigstens den Erfolg, meine Füße wieder aufgeweckt zu haben.
Als ich meinen Blick wieder von unten erhebe, schaue ich in zwei braune Augenpaare, die mich offensichtlich die ganze Zeit beobachtet haben. "Ist was?", frage ich Serafina, doch diese wird ihr breites Lächeln einfach nicht los, als sie sich räuspert und wieder herum dreht, um aus dem Raum zu verschwinden.
"Nein. Es ist alles super."
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Scheint sich ja langsam alles wieder einzuränken :D
Kommentiert doch mal euren Lieblingssong, oder bands die ihr gerne hört :) dann kann ich vielleicht welche mit einfügen in die nächsten Kapitel :3
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