~ 28. Kapitel ~
»Count on me (Bruno Mars)«
Anton lässt sich auf das Sofa neben der Tür fallen. So richtig kann ich seine Entschuldigung noch nicht glauben. Aber vielleicht ist er gar nicht so schlimm, wie ich dachte?
Meine Gedanken, in denen ich heimlich eine Pro-Anton- Kontra-Anton -Liste erstellt habe, werden davon unterbrochen, dass die Tür mit Schwung aufgerissen wird. Herein stürmt Serafina mit erschrockenem Gesicht. "Ben hat sich verletzt. Wir müssen sofort ins Krankenhaus."
Alarmiert springt Joshua auf und auch Anton erhebt sich schnell von seinem Platz auf der Couch. "Was ist denn passiert?", fragt Anton, während Joshua Serafina nur am Arm packt und sie leicht schüttelt.
"Ist doch egal, Hauptsache wir helfen.", meint Joshua bestimmend und Serafinas Finger krampfen sich um seinen Arm. Sie zieht ihn mit sich und Anton folgt den beiden schnellen Schrittes, während ich mich immer noch keinen Millimeter bewegt habe. Ich bin zu geschockt, um eine schnelle und vor allem richtige Entscheidung zu treffen, habe ich doch das Gefühl, ich werde nur im Weg stehen, wenn ich jetzt hinterher laufe. Trotzdem entschließe ich mich kurzerhand dazu, den Dreien zu folgen. Serafina braucht schließlich seelischen Beistand.
Schnell renne ich hinter den anderen her und habe sie erreicht, kurz bevor sie in einen relativ großen Raum eintreten. Mit wenigen Blicken registriere ich die Einrichtung. Ein Hochbett steht an der Wand gegenüber und an den restlichen Wänden befinden sich einige Schränke, die die knallige hellblaue Tapete verdecken. Auf dem Boden verteilt liegt einiges an Lego und am Rand vor einem der Schränke ist eine lange Reihe Kuscheltiere.
Das hier ist wohl das Zimmer von den Zwillingen.
In dem Moment fällt mir siedend heiß ein, dass Serafina mir am Anfang unseres Gesprächs gesagt hat, dass sie auf die beiden aufpassen soll. Wenn Ben etwas passiert ist, weil ich Serafina davon abgehalten habe, kann ich mir das nie verzeihen.
Mein Blick fällt auf zwei wimmernde Häufchen auf der Erde. Der kleine Ben liegt zusammengekrümmt auf dem Boden vor dem Bett, während sich seine Zwillingsschwester mit verheultem Gesicht über ihn beugt. Als sie uns bemerkt schaut sie auf und rennt auf Joshua zu. "Ich hab' nichts gemacht!", schluchzt sie, bevor Joshua Serafina los lässt und dafür seine noch jüngere Schwester in den Arm nimmt.
Wäre die Situation nicht so ernst, wäre mir sicher aufgefallen, wie süß die Beiden so aussehen.
Anton schiebt sich an den Beiden vorbei und beugt sich mit Serafina über den kleinen Jungen auf der Erde. "Was ist passiert?", wiederholt Anton seine Frage von vorhin. Ben schluchzt erneut auf und hält sich seine Seite. "Die beiden haben herumgeblödelt und ich bin gerade hereingekommen, als Ben von oben aus dem Hochbett gestürzt ist.", erklärt Serafina endlich kurz.
"Wo tut's denn weh?" Wieder bin ich überrascht, wie besorgt und feinfühlig Anton mit Anderen umgeht. Und dabei gehört er nicht mal zur Familie.
Seine Frage ist zudem äußerst berechtigt, ist auf dem ersten Blick nur eine Schürfwunde an Bens Handballen zu sehen und sonst überhaupt kein Blut. Das heißt aber nicht unbedingt etwas Gutes.
Ben zeigt auf seine Seite und auf seinen rechten Arm. "Da.", gibt er die äußerst ungenaue Auskunft. Er ist inzwischen ganz still geworden, sicher durch den Schock.
"Kannst du noch alles bewegen?", fragt Anton weiter, doch bei dem Versuch mit dem Arm zu wackeln schreit Ben laut auf und fängt wieder an zu weinen. "Sieht aus wie gebrochen.", kommentiere ich und Antons Blick schießt überrascht zu mir.
"Was? Mein Vater ist Arzt.", erkläre ich augenrollend. Ich habe zwar sehr wenig Ahnung von Medizin, aber ein bisschen bekomme ich doch von meinen Eltern mit.
"Habt ihr es dann?" Serafinas Blick ist immer noch auf den Kleinen gerichtet, doch es besteht kein Zweifel, wen sie meint.
"In Ordnung Ben. Ich hebe dich jetzt hoch und nehme dich mit ins Auto.", erklärt Anton mit ruhiger Stimme und greift so vorsichtig wie möglich unter Bens Rücken.
"Sollten wir nicht besser einen Krankenwagen rufen?", wirft da Joshua, meiner Meinung nach ziemlich berechtigt, ein. Er hält immer noch Luna in den Armen, beobachtet das Geschehen vor sich aber trotzdem mit wachen Augen.
Anton schüttelt den Kopf und positioniert Ben in seinen Armen. "Bis der da ist, bin ich drei mal im Krankenhaus."
"Hört sich nach einem Plan an.", stimmt ihm Serafina zu. "Was machen wir mit Luna? Alleine kann sie nicht hier bleiben."
Nach ein paar prüfenden Blicken in die Runde ist klar, dass sich keiner von uns freiwillig melden wird, hier bei ihr zu bleiben und so seufzt Joshua und dreht Luna den Rücken zu. "Dann kommt sie eben mit." Er tippt auf seine Schulter und Luna scheint zu verstehen, dass sie hinaufklettern soll.
Zwei Sekunden später hängt sie wie ein Äffchen auf Joshuas Rücken und dieser erhebt sich langsam.
"Los geht's."
»
Nach wenigen Minuten stehen wir vor einem relativ großen Auto mit sieben Sitzen. "Ihr habt ja ein großes Auto.", stelle ich fest, während Anton vorsichtig Ben auf einen der hinteren Sitze manövriert.
"Viele Geschwister.", zuckt Joshua schlicht mit den Schultern und setzt auch Luna mit in das Auto. In dem Moment fällt mir etwas ein. "Kann überhaupt jemand fahren?"
Wieder werden Blicke getauscht. Ich habe keinen Führerschein, also bin ich in dieser Angelegenheit schon mal raus, genau wie Serafina. Anton kneift seine Augen zusammen. "Eigentlich habe ich begleitendes Fahren, weil ich noch 17 bin. Aber dann muss das so gehen."
Und schon sind wir dabei, etwas rechtswidriges zu tun. Wenn uns jetzt die Polizei anhält ist Anton richtig dran. Fahren ohne Führerschein. Doch darüber kann ich nur kurz nachdenken, wird mir doch sofort wieder die Situation klar, in der wir uns befinden. Wenn sich Ben ernsthaft verletzt hat muss er schnellstmöglich in das Krankenhaus.
Anton scheucht uns alle in das Auto und lässt sich selbst auf den Fahrersitz fallen. Er startet den Motor und will gerade losfahren, da würgt er den Motor ab und das Fahrzeug kommt scheppernd wieder zum Stehen.
"Konzentrier dich!", herrscht Joshua ihn an, der neben ihm sitzt. Anton wirft einen kurzen Blick zu ihm und startet den Motor erneut, dieses Mal noch zittriger, schafft es aber und kann endlich losfahren.
Ich stöhne auf. "Da wären wir mit einem Krankenwagen schneller dort gewesen.", entschlüpft es mir, was sofort von einem bösen Blick Antons, über seine Schulter gestraft wird.
"Mach es doch besser, Schlaumeier.", knurrt er und beschleunigt auf der Straße.
'Bitte fahr nicht zu schnell. Bitte lass uns nicht erwischt werden.', wiederhole ich wie ein Mantra in meinem Kopf und kralle mich im Sitz fest, als Anton meiner Meinung nach, viel zu schnell um eine Kurve fährt. Heute ist kein schöner Tag zum Sterben. Und ein Autounfall ist auch keine schöne Todesursache.
Jedoch bin ich auf der anderen Seite wahnsinnig erleichtert, dass Joshua und Anton so ruhig und rational geblieben sind. Mein Kopf hat nicht wirklich gute Lösungen ausgespuckt und auch Serafina ist still und in sich gekehrt, voller Angst und Besorgnis. Sie streicht Ben immer wieder vorsichtig durch seine blonden Haare, in der Hoffnung ihn so ruhig zu halten.
Nach einigen Minuten, in denen wir alle nur schweigend Anton beim Fahren beobachtet haben und auch Ben erstaunlich ruhig geblieben ist, kommen wir endlich am Krankenhaus an.
Anscheinend hat mein Gebet doch etwas geholfen. Wir sind nicht erwischt worden und ich bin lebend aus dem Auto wieder herausgekommen.
Anton hält einfach vor dem großen Eingang an und ist schneller rausgesprungen, als ich überhaupt meinen Anschnallgurt entfernen konnte. Er zieht Ben wieder in seine Arme und läuft einfach mit ihm los, durch die großen Türen ins Innere des Krankenhauses.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top