~ Mein Morgen für unser Heute ~
1. Stirb nicht.
2. Flieg nicht auf.
3. Verlieb dich nicht in die Zielperson.
Ich dachte immer, ein Bruch der dritten Regel wäre genauso unangenehm wie bei Nummer eins und zwei.
Aber da lag ich falsch.
~
»Clouddragon, wir warten auf deine Freigabe!« Die Ungeduld des Einsatzleiters lässt den implantierten Lautsprecher in meinem Ohr unangenehm vibrieren.
Ich lasse ihn trotzdem warten, als würde ich noch mit mir ringen.
In Wahrheit ist meine Entscheidung schon letzte Nacht gefallen.
»Negativ. Keine Freigabe für den Zugriff.«
Ein unterdrückter Fluch am anderen Ende. Dann: »Bist du dir absolut sicher?«
Ich sehe hinab auf das Unterdeck der Jacht. Die Musiker haben gerade begonnen, einen Tango zu spielen, der zu mir hinaufgeweht wird. Zusammen mit dem Duft der unzähligen Jasminblüten.
Du kennst meine Lieblingsblumen, David.
Einige der Gäste tanzen, andere stehen beisammen. Reden. Lachen. Lassen sich von den Kellnern bedienen.
Sogar die Sicherheitsleute wirken entspannter als sonst, so weit draußen auf dem Meer.
»Ich wiederhole: Keine Freigabe. Zu riskant.« Die Lüge prickelt nur ganz leicht auf meiner Zunge. Wie guter Champagner.
Die folgenden Worte gehen halb in einem frustrierten Knurren unter. »Verstanden, Clouddragon. Abbruch des Einsatzes. Du bist wieder auf dich allein gestellt.«
Die Verbindung endet. Erst jetzt, wo es meiner Stimme nicht mehr anzuhören ist, erlaube ich mir ein Lächeln. Und einen Schluck aus meinem Champagnerglas.
»Habe ich dich gefunden ...« David.
Heiße, knisternde Funken jagen meinen Arm entlang.
Seine Stimme war der Anfang meines Endes. Sie und die Geschichten, die er mit ihr erzählte.
Seinen Augen bin ich erst einige Zeit später verfallen, als er für mich bereits zu dem tragischen, missverstandenen Ganoven mit dem Herzen aus Gold geworden war.
Und noch später dann –
Seine Hände.
Sie fahren meine Taille entlang. So zärtlich, als hätten sie noch nie eine Waffe gehalten.
»Das Atmen nicht vergessen!«, raunt die verhängnisvolle Stimme und lacht leise.
Der Kontrast zu dem ungeduldigen Schnauben des Einsatzleiters könnte kaum größer sein.
Wenn David sich eine halbe Minute eher an mich herangeschlichen hätte ...
Oder wenn mein Vorgesetzter wüsste, wie schnell mein Herz jedes Mal in seiner Nähe schlägt ...
Er zieht mich an sich und die »Wenns« lösen sich auf, bevor die »Danns« folgen können.
»Wolltest du dich nicht um deine Gäste kümmern?« Ich frage nur, um seine Antwort zu hören. Er enttäuscht mich nicht.
»Die können warten.« Seine Lippen streifen meinem Nacken und lassen wieder die Funken aufwirbeln. »Es gibt Wichtigeres.«
Ich drehe mich um, ohne vorher mein Strahlen zu dämpfen.
Ich lüge ihn bei fast allem an. Aber mein Lächeln ist echt.
Und seines?
Mein Blick bleibt an seinem Mund hängen, der heute nach Meersalz und Ananas schmeckt.
»Tanzt du mit mir?«
Er fragt, als hätte er nicht längst die Regeln meiner Welt neu geschrieben.
1. Auf seine Stimme hören.
2. In seine Augen sehen.
3. Seine ausgestreckte Hand ergreifen und mit ihm gehen.
Ich weiß: Das Knistern zwischen uns kommt auch von der brennenden Zündschnur. Meine Zeit ist bald abgelaufen.
Aber für diesen Moment ...
»Ja, lass uns tanzen.«
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