3. Kapitel

Mit einem Schlag waren die Straßenlaternen an.
Mir entfuhr ein Quieken und ich purzelte beinahe vom Rad. Mein Atem raste. Mir blieb nichts anderes übrig als anzuhalten.

Im Schein der Lampen, standen die drei Jungs. Ich konnte nun deutlich ihre golden leuchtenden Augen sehen, und, ohne Scherz, sie hatten Krallen. Schwarze, lange Krallen an ihren Händen!
Ich kniff mich in den Arm, denn das konnte ja nur ein dummer Traum sein. Aber nichts geschah, außer dass die drei sich nun trennten: Zwei näherten sich mir von links beziehungsweise rechts, und der dritte schlich frontal auf mich zu. Meine Knie schlotterten, aber da fiel mir wieder ein, was man in einer solchen Situation machen sollte: Ich zückte mein Handy.

Dann ging alles viel zu schnell, als dass ich mich noch richtig daran erinnern kann. Ein riesengroßes schwarzes Etwas sprang mich von der Seite an und warf mich zu Boden, ich hörte wie mein Mobiltelefon über den Boden schlitterte. Mit einem Schrei kam ich mit der Schulter auf der Straße auf, mein Rad krachte, als ob es aus dem fünften Stock eines Hauses gefallen wäre, aber ich vermutete eher, dass etwas auf das Rad drauf gefallen - oder gesprungen? - war. Panisch bemühte ich mich vergeblich, um wieder auf die Beine zu kommen, aber etwas hatte seinen Fuß auf meinen Bauch gestellt, nein kein Fuß, eine Pfote! Eine riesenhaft mit schwarzem Fell und schimmernden schwarzen Krallen bestückte Pfote! Wieder schrie ich auf, ich konnte das gar nicht mehr kontrollieren, so wie wenn man Achterbahn fährt, und nur noch merkt wenn man nicht schreit.
Goldene Augen sahen mich an. Ich musste zugeben, es waren doch recht hübsche Augen, wie die eines Wolfes. Ich beruhigte mich ein wenig, oder fiel ganz einfach in Schockstarre, und guckte in diese goldenen Wolfsaugen, sie waren faszinierend. Ungefähr faustgroß, glänzend und sie hatten dieses merkwürdige Leuchten.

Da aber registrierte ich den Rest des Wesens, das sich immer tiefer zu mir runterbeugte. Es war befellt von Kopf bis Fuß, hatte spitze Ohren und eine fast ebenso spitze Schnauze, aus der mir nun Reißzähne entgegen blitzten.
Da war die Angst urplötzlich wieder da und ich schrie wie am Spieß, aber nur kurz, dann legte sich mir eine gruselige Hand auf meinen Mund. Sie war an sich menschlich, aber von kurzen schwarzen Haaren überzogen, und mit zu langen Fingernägeln oder Klauen oder was auch immer. Ich blickte hier längst nicht mehr durch.

Indessen bohrte das Monster seine Zähne in meinen Oberarm, ich wand mich und strampelte mit Armen und Beinen, Tränen in den Augen. Diese Biester wollten mich aufessen!? Ich erwischte tatsächlich das Ohr des Ungetüms und riss mit solcher Kraft daran, wie ich nur aufbringen konnte. Ein schmerzhaftes Jaulen befeuerte mich weiter, mich zu wehren, noch war ich nicht tot. Noch. Der Werwolf, ich beschloss diese Geschöpfe nun so zu nennen, da mir beim besten Willen nichts anderes einfiel was das für Kreaturen waren, ließ tatsächlich von mir ab, stand auf, und leckte sich über die Lefzen. Blut klebte daran. Mein Blut. Jetzt sah ich auch die beiden anderen Wolfsmenschen, die abwartend neben mir kauerten. Ihre Körper schienen nicht zu wissen, ob sie sich auf zwei oder vier Füßen fortbewegen sollten, und immer wieder schnüffelten sie in der Luft herum, als ob sie sichergehen wollten, dass sie niemand bei ihrem Abendessen unterbrach.

Aber sie fraßen mich nicht. Der, der mich gebissen hatte, knurrte leise und tief, ich zuckte erneut zusammen, und die drei verließen mich. Ihre Krallen klackerten noch ein Stück weit auf dem harten Boden, dann mussten sie wohl auf die Wiese abgebogen sein, denn ich hörte nichts mehr. Also eigentlich hörte ich wieder mehr. Der Wind war da, ein Auto fuhr auf auf einer Parallelstraße vorbei, ein Hund bellte.
Erschöpft rappelte ich mich auf und besah die Bisswunde an meinem Oberarm. Es sah unglaublich eklig aus, und ich wandte den Blick wieder ab. Ich betrachtete mein Fahrrad, was zwar ein wenig verbogen wirkte, aber die Reifen hatten nichts abbekommen. Was blieb mir auch anderes übrig als damit nach Hause zu fahren. Es klapperte und ächzte, aber es brach nicht auseinander wie ich schon befürchtet hatte, und es war ja nur ein Kilometer bis zu unserem Haus.

Ich weiß bis heute nicht, wie ich es einfach geschafft habe, die Tatsache so ruhig aufzunehmen. Schließlich war ich gerade von drei Werwölfen angefallen worden! Wenn ich so zurückdenke, muss ich sagen, ich hätte etwas anderes von mir erwartet. Zum Beispiel ohnmächtig werden und in einem Krankenhaus wieder aufwachen, oder halb am Verbluten an der Haustür eines Wildfremden klingeln und ihm sagen, er solle einen Krankenwagen rufen. Oder einfach heulend auf der Straße hocken bis mich jemand überfährt. Aber nein, ich war einfach so auf dem Fahrrad nach Hause gefahren, übrigens mit einem zerfleischten Arm.

Just in dem Moment als ich mich das erste Mal traute die Gangschaltung zu betätigen, hörte ich ein Heulen. Kein Weinen oder so. Nein ein Wolfsheulen der übelsten Sorte. Wer einmal Wölfe in der Realität hat heulen hören, der verliebt sich sofort in diese wunderschönen Tiere, aber wer den Gesang eines Werwolfs hört, der ist den Rest seines Lebens voller Angst vor diesen Biestern. Denn das, was ich hörte, klang grauenvoll. Tief und düster klang es vom Wind getragen zu mir herüber. Es hallte in meinem Kopf wieder und hinterließ dort eine unglaublich grässliche Tonspur, sodass ich schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen sah. Zum Glück nur für ein paar Sekunden, sodass ich nicht im Graben landete.
Es war etwas düsteres, was nicht mit Worten zu beschreiben ist. So unglaublich durchdringend und doch gleichzeitig so unvernehmbar, als käme es aus einer anderen Welt.

Ich glaubte nicht an Geisterbeschwörung und so einen Kram. Auch nicht an irgendwelche Zombies die aus ihren Gräbern stiegen und über Menschen herfielen.

- An dieser Stelle könnte man erwähnen dass ich unglaublich schreckhaft bin -

Aber vielleicht sollte ich meine Theorien noch einmal grundlegend überdenken, das waren gerade schließlich Wölfe gewesen, Wölfe auf zwei Beinen die mich angefallen hatten.

Den Rest des Weges legte ich in einer Minute zurück, Fahrrad in die Ecke werfen und Sturmklingeln mit dazu gerechnet.
Meine Schwester öffnete die Tür und obwohl sie zwei Jahre jünger war, hatte ich manchmal das Gefühl sie wäre pubertärer als ich. Jedenfalls sah sie mich mit einem Sieben-Tage-Regen-Blick an und verschwand wieder im Wohnzimmer. Natürlich war sie nicht immer so, aber heute eben schon, was mir allerdings gerade nur recht war, da ich keinen Bock darauf hatte mit irgendwem aus meiner Familie über einen Werwolfangriff zu reden.

Ich joggte die Treppe zu meinem Zimmer hoch und ließ mich dann auf mein Bett plumsen. Fast hätte ich aufgeschrien, weil mein Arm ja eigentlich immer noch zerfleischt und meine Schulter auf jeden Fall geprellt sein müsste, aber ich tat nichts dergleichen, weil ich schlicht und ergreifend keine Schmerzen hatte. Verblüfft guckte ich meinen Arm an: Die Jacke, die ich jetzt auszog und zu meiner Schultasche auf den Boden pfefferte, hatte zwar ein riesen Loch genauso wie der Hoodie den ich darunter trug, aber meine Haut war nur leicht gerötet.


Über manche Dinge darf man einfach nicht nachdenken, manche Geheimnisse sind nicht dafür da, gelüftet zu werden.


Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. - Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.

Douglas Adams

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