2. Kapitel
Es war ein ganz normaler Schultag im Dezember gewesen. Wirklich stinknormal. Ich war nicht abgefragt worden, wir hatten keinen Test geschrieben, meine Schultasche war eigentlich viel zu schwer für meinen Rücken und es regnete in der Mittagspause.
Gerade saß ich mit meinen Freunden in der Aula und machte Hausaufgaben, damit ich sie heute Nachmittag nicht mehr zu erledigen hatte. "Ach ich komme nicht weiter hier bei Mathe! Ich check das niemals!", Lucy* vergrub ihr Gesicht in ihrem Matheheft und jammerte vor sich hin, Ji sagte schon kein Wort mehr und kaute nur noch auf ihrem Bleistift herum. Mit den Gedanken war sie garantiert fünf Welten entfernt. Auch mir brummte schon der Kopf vor lauter Gleichungen und Potenzen: "Marita*, erklär mal bitte das mit den negativen Zahlen hier." Mit einem Seufzen lehnte sich das Mädchen zu mir herüber, sie war eine Klasse über mir und sowieso viel zu schlau, für sie mussten wir alle den Anschein von tiefbegabten jammernden Idioten machen. Nach einer Viertelstunde hatte Marita meine, Jis und Lucys Hausaufgaben gemacht, während wir nur danebengesessen und an den richtigen Stellen ein "Ja", oder ein "Okay" eingeworfen hatten.
Da ertönte auch schon der Schulgong und wir packten unser Zeug zusammen, um in den allseits beliebten Nachmittagsunterricht zu gehen. Herzlich verabschiedeten wir uns von Marita, die heute acht Stunden, und somit eine mehr als wir hatte. "Ich will nach Hause", stöhnte ich, als wir endlich das fünfte Stockwerk erreicht hatten. Der Lehrer war schon da und begrüßte uns drei mit einem enthusiastischen Lächeln, welches wir leider nicht erwidern konnten. Wer wollte schon Geographie in der siebten Stunde haben? Ich nicht. Lucy auch nicht und die Gesichter unserer Mitschüler waren auch nicht gerade voller Begeisterung. Aber das Leben hatte eben auch unangenehme Seiten, da musste man durch.
Woher nahm ich eigentlich immer diese positiven Gedanken? Ich mochte kein Geo. Ich mochte den Lehrer nicht. Ich mochte keine Schule. Also, woher?
Nach einem unglaublich langweiligen Unterricht eines viel zu motivierten Lehrers, der es trotzdem nicht fertig gebracht hatte seinen Stoff auch nur ansatzweise rüberzubringen, stürmten wir alle aus dem Schulgebäude. "Hey Misu*! Gehen wir zusammen zum Bus?", fragte Ji* und ich musste mir fast die Schulter ausrenken, damit ich mich zu ihr umdrehen konnte, da Lucy an meinem Arm zerrte: "Ja, ist gut!" Ich entwand mich Lucys Griff: "Bis morgen dann, wir ..." Lucy tippte sich an die Stirn: "Morgen ist Wochenende du Hubsi!" "Ach ja, wusste ich!", versuchte ich noch meine Ehre zu retten, aber es war wohl zu spät. Lucy lachte laut los, winkte mir zu und rannte dann die Treppen hinunter. "Ja gut", meinte Ji nur dazu und kicherte. Gemeinsam steuerten wir also die Bushaltestelle an, wobei unsere Gespräche mal wieder sehr Anime-lastig waren.
Der Weg führte gerade an der Hauptstraße entlang, auch wenn seitlich viele Gassen abgingen, die ich auch häufiger als Abkürzung verwendete. Heute liefen wir den normalen Weg. Er war breiter und den Bus hatten wir eh schon verpasst. Wozu jetzt noch beeilen, wenn der nächste erst in einer viertel Stunde kam.
Die Bushaltestelle war überfüllt und der kalte Wind ließ uns alle gehörig um die Wette zittern. Ich mochte den Winter ja eigentlich, aber es lag kein Schnee, die Sonne schien nicht, es war grau und kalt. Nur leichter Reif auf dem Gras verbreitete ein paar Wintergefühle. Ich stieg vor Kälte von einem Fuß auf den anderen, bis dann endlich mal der verdammte Bus kam, und wir, also die halbe Schule, sich versuchte hineinzuzwängen. Was natürlich in einem riesengroßen Chaos endete. Immerhin, ob du es glaubst oder nicht, ergatterten wir beide doch tatsächlich einen Sitzplatz. Nagut: Ji hatte einen und ich saß auf ihrem Schoß. Uns gegenüber saßen drei Jungs, ja, zu dritt auf einem Zweierplatz, und spielten schweigend an ihren Handys. Alle drei hatten schwarze unglaublich zerzauste Haare, und immer wieder sahen sie sich im Bus um, als ob sie auf etwas warten würden. Ihre Jeanshosen waren löchrig und ausgewaschen, aber das war okay, so liefen hier mehrere rum. Ich störte mich nicht an ihnen, sie waren eben da, und solange der Bus keine Vollbremsung machte bei der ich wohl oder übel in den Typ mir gegenüber reinkrachen würde, konnte ich sie seelenruhig ignorieren. Sie machten nun ja auch nicht wirklich auf sich aufmerksam.
Der Schulbus rauschte durch die Straßen und die Insassen wurden in den Kurven ziemlich gut durcheinander geschüttelt, aber die möglicherweise todbringende Vollbremsung blieb aus. Zum Glück.
Irgendwann flüsterte Ji mir zu: "Hey Misu, die Jungs starren dich die ganze Zeit an." Verwirrt spähte ich aus den Augenwinkeln zu den Unbekannten rüber, ich hatte die ganze Zeit aus dem Fenster gestarrt und war in Gedanken bei dem Buch gewesen, dass ich gerade schrieb. Aber es stimmte, natürlich blickten die Drei sofort wieder konzentriert auf ihre Smartphones als sie meinen Blick bemerkten, aber sie musterten mich tatsächlich unauffällig. "Das ist creepy", wisperte ich Ji zu. Die grinste und rückte ihre Brille zurecht.
Nach etwa fünf Haltestellen musste ich raus, Ji hatte noch etwas weiter zu fahren. Inzwischen war das Fahrzeug etwas leerer geworden, nur die merkwürdigen Stalker saßen uns natürlich noch immer gegenüber, und als ich den Stop-Knopf drückte, blickten die Drei auf. Es war wirklich etwas seltsam.
Der Bus hielt, die Türen gingen auf. "Ciao!", ich winkte Ji, dann stieg ich aus. Inzwischen war der Wind gefühlt noch kälter geworden und wirbelte mir meine blonden Haare um den Kopf. Genervt setzte ich meine Kapuze auf und ich schob die Hände in die Taschen meiner Winterjacke. Die Straßenlaternen brannten noch nicht, obwohl es dunkel genug dafür wäre.
Mir war etwas unbehaglich zumute, als ich bemerkte, dass auch die drei Schwarzhaarigen ausgestiegen waren.
Mir fiel auf, dass ihre Augen irgendwie leuchteten.
Ich schluckte und joggte zur Ampel, mit diesen Typen wollte ich nichts zu tun haben! Als ich am Fußgängerüberweg angekommen war, zog ich scharf die Luft ein, als ich die Schritte hinter mir hörte. Es war so still dass ich ihre lässig aufgesetzten Sneaker problemlos auf dem asphaltierten Gehsteig hören konnte. Kein Auto rauschte vorbei, kein Passant ging mit seinem Hund spazieren, nicht einmal Vögel waren am Himmel, und auch keine Katze streifte durch die Gassen. Es war wirklich unglaublich still. Der Bus fuhr weg und ließ mich allein. Allein mit diesen drei Unbekannten, die inzwischen ziemlich nah waren. Sie sahen eigentlich gar nicht so pervers aus, aber dass sie etwas von mir wollten, war mir mittlerweile klar geworden.
Obwohl die Ampel noch auf rot stand, sprintete ich über die Straße auf die Fahrradständer zu, ich wollte jetzt wirklich nur noch nach Hause! Mit zittrigen Fingern öffnete ich das Schloss und schwang mich auf das Rad, die drei Jungs waren nirgends zu sehen, und ich trat fest in die Pedale. Plötzlich flammten die Straßenlaternen auf und blendeten mich so stark, dass ich anhielt, um nicht gegen irgendetwas zu fahren. Aber das Licht flackerte nur, dann war es wieder dunkel. Mit angehaltenem Atem sah ich mich um. Aber nun war die Umgebung wieder stockfinster und da das Licht an meinem Fahrrad nur funktionierte wenn das Rad sich drehte, stand ich im Dunklen.
Nach etwa einer Minute fuhr ich weiter, das weiße Licht der Radlampe teilte die Schatten vor mir und ich fühlte mich wieder sicherer, sodass ich ein höheres Tempo anschlug, damit mir auch wieder etwas warm wurde.
*Ich habe den Namen im Nachhinein geändert, wer den Grund nicht mehr weiß, lese bitte das Vorwort^^
Wer sich da irgendwie wiedererkennt und/oder sich beleidigt fühlt: Sorry^^
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