13. Wieder zurück
Enttäuscht liess ich den Kopf hängen, als der Pferdeanhänger mit einem Ruck stehen blieb. An dem Geruch erkannte ich, dass wir auf der Black-Ranch waren. Durch das kleine Fester neben mir erkannte ich die schattigen Umrisse des Stalles. Daneben leuchtete eine Hoflampe und ich konnte Tom und Harry ausmachen. Die beiden wirkten müde und standen unmotiviert da. Ich sah wie Harry zu der Klappe des Anhängers lief und dann verschwand er aus meinem Blickfeld. Ich hörte, wie sich hinter mir die Klappe öffnete und Harry kam herein. ,,N'Abend", brummte er leise und löste den Strick. Vorsichtig führte er mich Rückwärts heraus und achtete auf mein linkes Vorderbein. Draussen wartete Mr. Black neben Tom. ,,Ich bringe sie in ihre Box, haben sie nicht noch was von einer Salbe gesagt?", fragte Harry Black. ,,Ah, klar doch. Sie ist hinten beim Auto im Kofferraum", antwortete Black missmutig. ,,Ist etwas passiert, Sir?", fragte Tom. Black drehte sich zu ihm um und schaute ihn böse an. Danach wandte er sich ab und lief in Richtung Haus davon.
,,Holst du die Salbe?", fragte Harry leise. ,,Sicher nicht", brauste Tom auf, und auch er machte sich in Richtung Haus davon. Harry seufzte schwer und ging mit mir zum Stall. Das Tor war noch zu und Harry öffnete es mit einem Ruck. Gespannt lief ich hinter ihm in den Stall hinein. Waren die anderen hier? ,,RUBIN!", ertönte das laute Wiehern von Lucy. ,,Du bist wieder da!", rief auch Alvaro mir entgegen. Freudig erwiderte ich das Wiehern. Und plötzlich ertönte ein lauter Knall und Lucy, Alvaro und einige andere Pferde wieherten erschrocken auf. Ich riss meinen Kopf hoch und zuckte zusammen. Genau wie Harry, doch der fasste sich schnell wieder. Er wirkte jetzt eher wütend und marschierte ohne grosse Rücksicht auf mich in die Richtung von Lucy und Alvaro. Da es dunkel war, konnte man nicht viel erkennen. Doch als wir bei meinen zwei Freundinnen ankamen, staunte ich nicht schlecht. ,,Lucy, sag mal spinnst du?", rief Harry aus und fasste sich an den Kopf. Genau vor uns mitten in der Stallgasse lag die fein säuberlich abgetretene Boxentür von Lucy. Zwei Hufabdrücke zierten die Mitte der hölzernen Tür und Lucy trat verlegen einen Schritt zurück. ,,Ich habe mich nur gefreut dass du wieder kommst", rechtfertigte sie sich. Offenbar hatte sie die Boxentür nicht absichtlich eintreten wollen. ,,Wenn das Mr. Black erfährt, der isst ne Mistgabel!", sagte Harry und schaute hilflos Lucy an. Diese schnupperte vorsichtig an den abgerissenen Riegeln, an denen die Tür angemacht gewesen war. Alvaro hingegen fand es lustig und sie wieherte lautstark über Lucys Missgeschick. ,,Ich hab's nicht extra gemacht, ernsthaft", murmelte Lucy. Harry nahm die Boxentür und stellte sie auf. Danach versuchte er sie wieder einzuhaken, aber das Holz war abgesplittert und so unmöglich die Tür zu befestigen. Ärgerlich legte Harry die Tür wieder an den Boden, nahm ein Halfter und zog es Lucy über. Er führte sie in die Box gegenüber, in der einmal Caramel gewesen war. Ich vermisste die hübsche Stute total und sehnte mich nach ihr. Ich wurde wieder in meine alte Box geführt.
Nachdem Harry die kaputte Tür in die türlose Box gestellt hatte, holte er noch eine Schubkarre mit Heu und füllte unsere Heunetze auf. Immer wieder regte er sich über Lucy auf und verliess schliesslich den Stall. Er schaltete das Licht aus und es wurde dunkel. Lucy, die jetzt neben mir stand, sagte: ,,Zum Glück bist du wieder da! Ich hätte es nicht ausgehalten, wenn wir noch eine Freundin verloren hätten." Ich wusste, dass sie an Caramel dachte und ich streckte tröstend meine Nase durch die Gitterstäbe. Dankbar erwiderte Lucy die Geste und rieb ihre Nase an meiner. Lucy erinnerte mich gerade stark an Labella und ich schloss meine Augen. ,,Willst du uns etwas erzählen?", fragte Lucy plötzlich. Überrascht schaute ich sie an. Hatte sie meine Gedanken an meine Mutter erkannt? Zögernd sagte ich: ,,Ich- Ich habe meine Mutter in der Pferdeklinik getroffen." Lucy machte grosse Augen. ,,Echt? Und wie war es?" ,,Sie hatte mich schrecklich vermisst, genau wie ich sie auch. Und wir haben lange geredet und dann hat mich leider Black wieder zurückgeholt", antwortete ich leise. Ich hatte irgendwie keine Lust, mehr auf dieses Thema einzugehen. ,,Aber geht's ihr sonst gut?", wollte Alvaro wissen. Ich nickte nur. ,,Ich glaube wir sollten schlafen", fügte sie noch hinzu. Wieder nickte ich und legte mich in das weiche Stroh meiner Box. Ich hörte das Scharen von einigen Pferden und den Wind, der durch den Hof brauste. Es würde stürmisch werden, das wusste ich. Mit den Gedanken an meine Mutter schlief ich schliesslich ein.
Am nächsten Morgen weckten mich die üblichen Geräusche vom Hof. Pferde wieherten, Schubkarren wurden herumgeschoben und der stürmische Wind peitschte über den Hof. Ich stand auf, mein Vorderhuf schmerzte nicht mehr so fest wie am vorigen Tag. Belasten konnte ich ihn nich so richtig, aber wenigstens schmerzte es nicht mehr, wenn ich etwas damit streifte. Alvaro neben mir war schon wach und kaute genüsslich auf dem frischen Heu herum. Neben mir stand Lucy auch gerade auf. Ihre Mähne war voll mit Stroh und sie sah müde und mitgenommen aus. Ich streckte meinen Kopf über den Rand der Boxentür und sah wie das Stalltor geöffnet wurde. Tom trat herein, gefolgt von Luca, der eine Schubkarre mit einer Mistgabel und einem Rechen darin schob.
Nacheinander führten sie die Pferde in den vordersten Boxen hinaus und misteten schliesslich aus. Einmal kam Black kurz herein und sagte, dass es alle hörten: ,,Heute kommt ein alter Bekannter von mir hierher. Er schaut sich etwa zwanzig Pferde an. Ich habe hier eine Liste, bitte putzt sie alle gut und richtet sie her. Ich möchte dass er seinen guten Eindruck vom Hof behält!" Damit überreichte er Tom ein Stück Papier und ging dann zu der Box von El Dorado. Die Stute wirkte wie immer nervös und konnte kaum still stehen. Mit wenigen Bürstenstrichen entfernte der grosse Mann den grössten Dreck aus ihrem hellbraunen Fell. Black verschwand wieder aus dem Stall und kehrte mit Sattel- und Zaumzeug zurück. Er sattelte die tänzelnde Stute rasch und führte sie aus dem Stall. ,,Die tut mir leid", meinte Alvaro und schaute in die Richtung, in der sie verschwunden war. ,,Ja, es muss wohl hart sein, dauernd mit Black zu trainieren", fügte Lucy hinzu. Ich hoffte, dass er El Dorado nicht so hart ran nahm wie er es bei Caramel getan hatte.
Kurze Zeit später kam Harry in den Stall gerannt, er strahlte wie ein kleines Kind, das ein Geschenk bekam. ,,Was ist denn mit dem los?", fragte ich Lucy und Alvaro. ,,Keine Ahnung, vielleicht hat ihm Black eröffnet, dass er ab nun an die Pferde besser behandelt", sagte Alvaro. Daraufhin antwortete Lucy: ,,Schön wär's, dann würde Caramel jetzt neben uns stehen und Rubin nicht ihr Bein verletzt haben. ,,Ich habe eher das Gefühl, dass er gefeuert wurde und sich über einen neuen und besseren Job freut", lenkte Alvaro vom Thema Caramel ab und schüttelte ihre Mähne. Harry öffnete unterdessen die freie Box neben Lucy und füllte das Netz mit Heu auf. Danach holte er eine Schubkarre mit frischem Stroh und streute die Box sorgfältig ein. Danach füllte er noch einen Eimer mit Wasser und verschwand wieder. ,,Sieht nach einem neuen Pferd aus", meinte Lucy. Alvaro nickte zustimmend und ich sagte: ,,Ja, wer das wohl sein mag."
Kurze Zeit später hörte man, wie ein Auto auf den Hof fuhr. Harry begrüsste den Mann, der aus dem Auto stieg und ich hörte, wie sie eine Anhängerklappe öffneten. An den Schritten des Pferdes erkannte ich, dass es ein wenig hinkte. Es kam direkt auf unseren Stall zu und war offensichtlich unser neuer Nachbar. Lucy, Alvaro und ich hatten unsere Köpfe über die Boxentür gestreckt und schauten erwartungsvoll zum Stalltor. ,,Danke vielmals, dass sie mir so geholfen haben", hörte ich Harry sagen. Die andere Stimme, ein junger Mann, antwortete: ,,Kein Problem, das habe ich sehr gerne gemacht. Die Stute hatte ihr eigentliches Schicksal nicht verdient." ,,Oh ja, wer weiss was jetzt mit ihr wäre, wenn sie nicht gewesen wären!", sagte Harry, seine Stimme war jetzt ganz nah.
Und als er mit dem anderen Mann um die Ecke in den Stall schritt, traute ich meinen Augen kaum.
Abgemagert, schmutzig und mit vielen Schürfwunden am ganzen Körper humpelte eine junge Stute mit goldenem Fell in unsere Richtung. Schwach wieherte sie eine Begrüssung. Trotz dem Schmutz in ihrem Fell war die Stute unverkennbar. Es war unsere Caramel, die hinter Harry zu uns humpelte. Ihr linkes Hinterbein war geschwollen und an ihrem Hals hatte sie eine böse Wunde. Trotzdem strahlte die Stute grosse Freude aus und wirkte glücklich. ,,Caramel?!", hörte ich Lucys Stimme. ,,Lucy?", antwortete Caramel schwach. ,,Du bist es! Du bist wieder da!", rief die weisse Stute neben mir und machte einen grossen Satz. ,,Pass auf Lucy!", rief ich, doch es war zu spät. Es knallte laut auf und die Boxentür fiel mit einem lauten Krachen aus ihren Angeln und an den Boden.
,,Nicht schon wieder", stöhnte Harry. Betreten wie am letzten Abend trat Lucy beschämt zurück und senkte ihren Kopf. ,,Du bist wieder da", flüsterte sie Caramel zu. ,,Ja", hauchte diese zurück. Die goldfarbene Stute hatte wohl Schlimmes erlebt. Harry führte Caramel vorsichtig in die frische Box und sperrte die Öffnung von Lucys Box wütend mit einem Führstrick ab. ,,Bald müssen wir dir eine Eisentür kaufen", brummte er und deutete dem Fremden Mann an, mitzukommen. Er war anscheinend belustigt von dem Geschehen und ging lächelnd hinter Harry her.
,,Wie kommt es, dass du wieder da bist?", fragte Alvaro leise. ,,Ich w-weiss es auch nicht genau, aber jedenfalls hat Harry etwas damit zu tun", antwortete Caramel leise. ,,Zum Glück, du musst uns alles erzählen", meinte Lucy. ,,O-okay", meinte Lucy und fing an. ,,Ich war ja in diesem Transporter und danach kam ja noch Tarik. Er wollte aber nich hereinkommen und wehrte sich. Und dann hat Smith etwas langes dünnes genommen, es gab einen Knall und Tarik lag am Boden. Er wurde von Smith hineingeschleppt und rührte sich nicht mehr. Er atmete auch nicht mehr. I-ich g-glaube, Smith h-hat ihn t-tot ge-gemacht." Wir alle schwiegen betroffen. ,,Jedenfalls sind wir dann eine Ewigkeit gefahren und bei einem Hof angekommen. Ich wurde mit zwei anderen Pferden in ein enges Gittergehege gesperrt. Neben uns waren auch viele andere Pferde. Manchmal kamen Leute vorbei und warfen etwas Futter in das Gehege, aber lange nicht genug dass es reichen würde. Oft schlugen sie uns grundlos oder erschraken uns und jagten uns Angst ein damit wir uns gegenseitig aus Versehen traten. Nach einiger Zeit wurden danach fast alle Pferde geholt und in ein anderes Gebäude gebracht. Es roch nach Blut und die Pferde, die dort reinmussten habe ich nie mehr gesehen. Schliesslich war nur noch ich übrig, aus irgendeinem Grund musste ich nicht dort rein. Und dann einmal kam mein Retter und holte mich dort raus. Es war dieser Mann von vorhin. Und anschliessend wurde ich hierher zurückgebracht", erklärte Caramel. Sie wirkte erschöpft. ,,Ich glaube du solltest dich ausruhen und etwas fressen", meinte ich freundlich. Caramel nickte nur und sank ins Stroh hinab. Und schon hörte ich ein neues Motorgeräusch auf dem Hof.
Es hörte sich nach einem grossen Truck an und ein Mann stieg aus und wurde von Black begrüsst. Black sagte irgendetwas von Pferdeverkauf und von ausgewählten Exemplaren. Schliesslich betraten die zwei unseren Stall und schauten sich nach und nach jedes Pferd an. Der fremde Mann wirkte etwas älter und hatte schon graue Haare. Er und Black diskutierten viel über die Pferde und schliesslich kamen sie zu mir. ,,Von ihr habe ich dir ja erzählt, sie hat wirklich Potenzial, nur ihr Bein macht halt gerade für einige Wochen nicht mit", sagte Black. ,,Und ich habe dir erklärt, dass ich keine verletzten Tiere will, tiefer Preis hin oder her", erwiderte der andere Mann genervt. Wollte mich Black etwa schon wieder verkaufen? ,,Komm schon Herbert, sie hat einen exzellenten Stammbaum und einen guten Charakter..." ,,Nein", sagte der Mann namens Herbert bestimmt und ging eilig weiter zu dem Nächsten Pferd, an Alvaro zeigte er keine Interesse.
Aber eines wusste ich. Black wollte mich wieder loswerden, aufgrund von meinem Bein. Das hiess, ich würde die Black-Ranch wohl wieder verlassen müssen.
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