Kindheitstrauma: Grundschule
Okay. Das bedarf vermutlich einer Erklärung, denn man könnte doch meinen, dass die Leistungserwartungen auf der Weiterführenden Schule höher ist, als auf der Grundschule. Und dass die Lehrer am Anfang weniger streng sind und geduldiger. Dass auf motivierende Rückmeldung und schonende Kritik geachtet wurde. Oder?
Oder!?
Ja, davon könnte man ausgehen. Vermutlich ist es sogar meistens so. Wie man am Titel allerdings unschwer erkennen kann: bei mir nicht.
Die Grundschule war mein ganz persönlicher Albtraum oder auch Kindheitstrauma. Und dies obwohl ich die Schule damals sogar noch voll okay fand und dachte, das wäre halt so. Ich hab gar nicht realisiert wie unnormal es war als Zweitklässler Angst vor der eigenen Klassenlehrerin zu haben. Dabei waren meine Noten sogar ganz gut. Insgesamt hatte ich immer Zweien und Dreien auf dem Zeugnis, nur eine einzige Vier (in Rechtschreibung) und eine Eins (in Religion. Ziemlich ironisch, denn ich hab schon damals nicht geglaubt).
Irgendwie hat meine Klassenlehrerin es geschafft, dass ich mich gefühlt habe, als wäre ich richtig scheiße in der Schule. Ich konnte nicht flüssig lesen, ich konnte nicht schnell genug Kopfrechnen, ich hatte eine lächerlich schlechte Rechtschreibung, ich habe grundsätzlich zu langsam und mühselig gearbeitet, ich habe mich zu wenig am mündlichen Unterricht beteiligt, ich bin zu oft nicht fertig geworden... Ich denke, ihr versteht.
Ich hab mich gefühlt, wie eine totale Versagerin. Ich wollte es gar nicht mehr versuchen. Wozu? Ich würde es nicht fertig bekommen oder viel zu lange dafür brauchen. Ich war ja zu langsam. Es kam dazu, dass ich Hausaufgaben nicht mehr machte und dann eine solche Panik vor meiner Klassenlehrerin (die mich in 90% meiner Fächer unterrichtete) bekam, dass ich mich zuhause krank stellte, um nicht in die Schule zu müssen. Wissen meine Eltern übrigens bis heute nichts von, also: pssssst! Aber mal ehrlich. Ich habe Schule geschwänzt und meine Eltern angelogen, weil ich meine Hausaufgaben nicht hatte. Es gab ja nicht einmal krasse Konsequenzen, wenn wir die Hausaufgaben nicht hatten. Wir mussten sie halt nachmachen und unsere Lehrerin hat uns eine Moralpredigt gehalten. Heutzutage müssen wir nachsitzen. Heutzutage gehe ich freiwillig zum nachsitzen. Aber was auch immer.
Zurückblickend war es eine schreckliche Zeit. Jetzt noch habe ich Angst vor Elternsprechtagen und dies obwohl meine neuen Klassenlehrer mir fast ausschließlich positive Rückmeldungen geben und ich seit fünf Jahren keine Probleme mehr in der Schule hatte. (Es ist diskutabel ob ich je Probleme hatte, immerhin waren meine Noten voll Okay und Durchschnitt.)
Natürlich habe ich auch jetzt noch Baustellen (wie mein Klassenlehrer zu sagen pflegt), aber jetzt ist mir bewusst, dass jeder seine Baustellen hat. Teilweise hab ich sogar noch die gleichen Baustellen wie früher (...Hausaufgaben) und teilweise sind meine damaligen Schwächen fast schon zu Stärken geworden (Rechtschreibung). Meine Noten sind noch immer ziemlich durchschnittlich, aber jetzt sehe ich dies als etwas viel positiveres an. Jetzt weiß ich, dass ich Stärken und Schwächen habe. Dass sich meine Schwächen (etwas) verbessern und dass wir in meiner Klasse fast alle ähnliche Schwächen haben.
Als ich in die fünfte Klasse kam, war da einfach plötzlich diese Veränderung in der allgemeinen Erwartungshaltung und der gemeinschaftlichen Stimmung. Beispielsweise dachte ich in der vierten noch ich sei ein hoffnungsloser Fall in Deutsch und ich würde es nie lernen. In der fünften habe ich plötzlich erkannt, dass meine ganze Klasse so viele Rechtschreibfehler macht wie ich und heute ist das Schreiben mein (einziges) Hobby. Ich kann mir sogar vorstellen eines Tages Autorin zu werden. Es wurde also von einem "Ich kann das nicht" zu einem "Wir müssen das noch lernen" und das hat eine Menge verändert. Denn es war plötzlich gar nicht mehr so schlimm Fehler zu machen.
Selbst wenn ich heute an meine Grundschule zurück denke, bekomme ich teilweise noch Frustrationsanfälle. Denn meine damalige Klassenlehrerin hat etwas nicht geschafft, dass meiner Meinung nach der Grundsatz zum guten Lehrerdasein ist: Sie hat nicht an uns geglaubt. Als ich letztes Jahr mit einer Freundin die Grundschule besucht habe (ironischerweise haben wir die ziemlich oft besucht) hat uns meine Klassenlehrerin gefragt gehabt, was so unsere Lieblingsfächer sind. Wir haben beide Mathe und Deutsch gesagt und dass wir bei beidem auf einer Eins oder Zwei stehen. Sie hat mir nicht geglaubt. Ich bin mir sicher, dass sie sich sogar innerlich ein Lachen verkneifen musste. Sie wollte mir einfach nicht abkaufen, dass ich gut in der Schule bin. Das ist total frustrierend.
Nun ja. Ist es jetzt doch zu viel die Tatsache auf sie zurück zu führen, dass ich gerade keine Motivation habe meine Hausaufgaben zu machen?
Okay okay, das ist dann zu viel. Egal.
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