Erfolg
Als ich aufgewachsen bin, da dachte ich mich immerzu in einem Dilemma. Alle um mich herum wussten schon genau, was sie mal werden wollten. Polizisten, Feuerwehrleute, Musiker und manchmal sogar Lehrer. Auch ich wusste das, irgendwie jedenfalls.
Schon seit ich denken kann, wollte ich Schauspielerin werden. Natürlich war da diese kurze Zeit, in der ich Kamerascheu war, doch selbst dann ging es in die gleiche Richtung. Damals war das Ziel dann Syncronsprecherin. Mein Dilemma war nun aber, dass Schauspieler berühmt waren. Selbstverständlich waren das nicht alle von ihnen, ja nicht einmal die Mehrheit. Doch wenn man mit der Schauspielerei sein Geld verdienen wollte, so schien es, dann war man berühmt.
Ich wollte aber gar nicht berühmt sein. Alle wollten das damals, aber ich nicht. Weil ich hatte bei den Songtexten zugehört. Bin ich denn die einzige, die zugehört hatte? Wenn man berühmt war, dann war da ganz viel Druck, der ausgeübt wurde, man hatte keine Privatsphäre mehr und konnte teilweise nicht einmal über sein eigenes Leben bestimmen. Und irgendwann stürzte man komplett ab und wurde Drogenabhängig. So einen warnenden Song hat fast jeder, der annähernd ehrliche Musik macht. Zudem ist das mit dem Respekt, den man bekommt, auch Quatsch. Dass hatte ich aus einem Buch gelernt, welches eines meiner Liebsten war. Natürlich versicherten dann noch höflich alle, dass die Fans das ganze wert waren, aber so sicher war ich mir da nicht.
Die Berufe, die mich also interessierten, hingen immer, wenn man erfolgreich war, auch mit Berühmtheit zusammen. Und das wollte ich ja nicht.
Aber genau da lag jahrelang mein Fehler.
Ihr müsst wissen, dass wir in der Familie, in der ich aufwachse, ständig diskutieren. Ob nun politisch, wissenschaftlich oder philosophisch, ohne eine ordentliche Diskussion geht bei uns gar nichts. Das ist einerseits zwar ziemlich nervig, aber andererseits hat es mir schon sehr oft geholfen mein Blickfeld zu erweitern und zu verstehen, dass es mehr als eine Meinung gibt und dass man Menschen nicht dem, was sie glauben oder behaupten, nach verurteilen sollte. Auch nicht, wenn es einem schwer fällt.
Auch, oder vor allem, über den Sinn des Lebens diskutieren wir oft. Mein Vater versicherte uns, dass wir das in so jungen Jahren noch nicht verstehen konnten, selbst die meisten Erwachsenen hatten noch ihre Probleme damit. Obwohl ich fest davon überzeugt war, dass ich es schon längst verstanden hatte, hatte er recht. Es gibt immerhin einen Unterschied zwischen etwas verstehen und etwas verstehen. Entweder man erfasst den Sinn dahinter oder man verinnerlicht es, entweder man versteht die Worte oder man versteht das Gefühl.
So kam es dazu, dass wir uns eines Tages auch über meine Bedenken der Berufswahl unterhielten. Mein Vater sagt immer, dass es ganz egal ist, wie viel Geld man verdient oder wie schrecklich es sich für andere anhört. Wenn man für etwas brannte, dann konnte man es schaffen, damit erfolgreich zu werden. Und wenn man für etwas brannte, dann durfte man sich von keinem sagen lassen, dass das nicht ging.
Daraufhin erinnerte ich ihn daran, dass ich ja gar nicht erfolgreich sein wollte, nicht berühmt. Und dass ich mir gar nicht so sicher war, ob ich für das Schauspielern brannte und auch nicht für das Schreiben, denn das war sonst noch eine von mir verworfene Idee. Autorin zu werden. Ich hatte wahrscheinlich nicht einmal genug Ehrgeiz und Ausdauer um ein Buch zu beenden und ich war sozial viel zu überfordert um regelmäßig für einen Film vorzuspielen.
Mein Vater wies mich darauf hin, dass Erfolg nicht bedeutete berühmt zu sein oder viel Geld zu besitzen. Erfolgreich zu sein bedeutete etwas zu machen, was einem Spaß bereitete. Es bedeutete zufrieden mit seinem Leben zu sein, ob du nun zufrieden in einer kleinen Mietwohnung in Köln sitzt oder in einem Pool hinter deiner Villa in LA ist dabei vollkommen irrelevant.
Wenn du für etwas brennst, und er ist fest davon überzeugt, dass ich für das Schreiben und Schauspielern brenne, dann musst du es immerhin versuchen, selbst wenn du nicht erfolgreich damit bist. Ansonsten wirst du es irgendwann bereuen. Er hatte zum Beispiel einmal einen Arbeitskollegen, der wollte mit dem Fahrrad um die Welt. Er hatte es sogar geschafft, aber selbst wenn er bis Polen gekommen wäre, nur um festzustellen, dass er einen Platten hat und kein Flickzeug und mit der Bahn zurück gemusst hätte. Er hätte es versucht und er könnte stolz sein, dass er es versucht hatte.
Und nachdem mein Vater mir davon erzählte, da wollte ich es auch versuchen. Ich wollte versuchen meine Träume wahr werden zu lassen. Und wenn ich es nicht schaffen würde, dann hätte ich es versucht und es gab schon genug in meinem kurzen Leben, dass ich nicht versucht hatte.
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