Geschlossene Kapitel, Offene Türen


„Muuuuum!" „Hmhmm, wasch'n?" Noch halb schlafend stützte Tamara Weasley ihren Kopf auf ihre Hand um etwas mehr als zerknautschte Kissen zu sehen.
Neben dem Bett stand Jasmin, sie war mittlerweile zweieinhalb Jahre alt.
„Bist du wach?", fragte die Kleine und versuchte neben ihre Mutter zu klettern.
„Nein." Tamara ließ ihren Kopf wieder unter der Bettdecke verschwinden.
„Bist du traurig?", erklang es gedämpft, ehe sich ein Kopf mit wuscheligen braunroten Haaren ebenfalls unter die Decke schob. „Nein, Jassy, alles gut, Daddy macht doch sicher gerade Frühstück, geh mal zu ihm." Sie zwang sich zu einem Lächeln.
„Dad sagt, du bist traurig, weil Percy weg ist." George hatte also doch mit ihr gesprochen.
Und das obwohl Tamara ihn ausdrücklich gebeten hatte das nicht zu tun.
„Wo ist Percy?", fragte ihre Tochter weiter und strampelte sich näher zu ihr.
„Können wir ihn nicht besuchen?" „Nein, Schatz. Er...er musste ganz weit weg und ich bin einfach traurig, dass ich ihn nicht sehen kann." Wie sollte sie einer Zweijährigen erklären, dass auch geliebte Haustiere sterben, generell das Thema Tod mit einem Kleinkind zu besprechen fühlte sich falsch an. „Können wir keinen Portschlüssel machen?"
 Sie lagen jetzt fast Nase an Nase nebeneinander. „Nein." Liebevoll stupste Tamara die Nase der Kleinen an. „Aber lieb, dass du dir sorgen machst. Mir geht es bald besser, versprochen!"
„Ganz dolle versprochen?" „Ja, ganz dolle!", versprach sie und lächelte, diesmal nicht gezwungen. „Okay, ich sag Stinkstiefel, er soll dir Rührei bringen, wenn du wieder den ganzen Tag im Bett bleibst!" Und schon rutschte Jase wieder unter der Decke raus.
„Hey, du sollst deinen Bruder doch nicht so nennen!"
„Aber er ist immer gemein, er sagt ich sehe aus wie ein Erumpent!"
Tamara war sich nicht sicher, ob Jasmin oder Fred überhaupt wussten, wie ein Erumpent aussah. Vermutlich hatte er den Ausdruck irgendwo in der Winkelgasse aufgeschnappt und benutzte ihn jetzt, ohne zu wissen, was es eigentlich bedeutete.
Fred ärgerte seine Schwester oft und wurde von seiner Mutter regelmäßig dafür gemaßregelt. Aber Tamara und George wussten beide, dass die beiden sich insgeheim sehr gern hatten und im schlimmsten Notfall hielten sie auch immer zusammen.
„Ich hab dich lieb, du kleiner Minimuff." Doch Jase war schon zur Tür hinaus und Tamara konnte ihre nackten Füße auf dem Boden hören, gefolgt von einem lauten krachen, als sie die Tür zuknallte und dann gedämpfte Stimmen. Seufzend legte sie sich auf den Rücken.
Das ganze Wochenende hatte sie es nicht geschafft aufzustehen.
Es war albern. Percy hatte ein mehr als langes und gutes Leben gehabt und es war nicht so, dass er unter Schmerzen gestorben war. Er war einfach nur alt und im Ventenarium hatte man ihm einen schönen und würdevollen Abschied gegeben...Aber trotzdem.... Tamara versuchte ihre Gedanken nach vorne zu richten. Morgen musste sie zurück ins Ministerium.
Es war Loraines letzter Tag und außerdem hatte der Leiter ihrer Abteilung etwas von einer Ankündigung läuten lassen. Zuhause bleiben war also keine Option.
„Urghhhhmmmmmmmm!", machte Tamara als sie sich schwerfällig erhob.

„Miss. Gold." „Mrs. Weasley, schon seit über fünf Jahren und ich weiß, dass Sie das wissen!" Vibors Mundwinkel kräuselten sich amüsiert. „Verzeihung, Mrs. Weasley! Ich glaube, wir sind uns schon länger nicht mehr über den Weg gelaufen." Zum Glück. „Offenbar."
Tamara presste ihre Lippen zusammen und versuchte Hector Vibor zu ignorieren, der sich ungefragt neben sie gesetzt hatte. „Ich habe gehört, dass Mrs. Walker sich aus dem Werwolf-Unterstützungsprogramm zurück zieht." Urgh, wieso redete er immer noch?
Die ganze Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe saß in einem der alten Gerichtsräume zusammen gequetscht und wartete darauf, dass der Abteilungsleiter endlich mit seiner Rede beginnen würde. Danach kam dann die Abschiedsfeier von Loraine.
Wieso interessierte sich Vibor überhaupt dafür? In den letzten Jahren war er ziemlich schnell in den Rängen der Behörde für Tierwesen aufgestiegen. Es gab sogar das Gemunkel, dass er zum Führer selbiger Behörde ernannt werden würde. Bei dem Gedanken schauderte es Tamara am ganzen Körper. Sie war dankbar, dass das Unterstützungsprogramm unter der Behörde für Zauberwesen lief. Wenigstens hieß das auch, dass sie sich weniger mit ihm herumschlagen musste, wenn ihre Abteilung mit dem Werwolf-Fangkommando mal wieder kollidierte.
„Das Schweigen werte ich mal als ein ja." Argh, die Knöchel ihrer Hand wurden weiß, als Tamara ihre Hand zur Faust ballte. „Übernehmen Sie dann die Leitung?"
Sogar ohne ihn anzusehen war zu merken, dass er erneut lächelte.
„Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach wird...mit zwei Kindern."
Jetzt sah Tamara ihn doch an. „Um mich brauchen Sie sich keine Sorgen machen, ich komme gut klar, danke vielmals!" Vibor schaute sie aus den Augenwinkeln zweifelnd an.
Gut, schön, zwei konnten das Spielchen spielen.
„Nun, ich habe gehört, dass Sie ebenfalls ein Kind haben!"
„In der Tat, er ist jetzt fast drei Jahre alt. Seine Mutter kümmert sich um ihn, während ich arbeite." Seine Augen wandten sich wieder nach vorne, wo inzwischen Richard Bolcrob angefangen hatte zu reden. „Ihr Mann arbeitet weiter in seinem...Geschäft, nehme ich an?"
Ja, das tat er. Sollte sie sich deshalb schlecht fühlen?! Urgh, sie konnte den Typen wirklich nicht ausstehen, er war so ein ekelhafter Großkotz. Tamara entschloss sich ihn für den Rest der Ankündigung zu ignorieren.

„Schätzchen, das wäre doch alles nicht nötig gewesen!" Loraine stand mit Tränen in den Augen in der Mitte des renovierten Wartezimmers mit nagelneuen Gesprächsräumen.
Überall flogen Luftballons herum und die ganze Abteilung hatte zusammengelegt, um eine riesige Torte zu kaufen. Es waren sogar ein paar alte „Patienten" gekommen.
„Ach, rede doch keinen Quatsch, du hast das Programm schließlich fast alleine aufgebaut!
Und du hast nie aufgegeben, auch wenn, kaum jemand an deine Sache geglaubt hast.
Ohne dich wäre nichts hiervon möglich gewesen." Die Umstehenden nickten und ein paar fingen an zu klatschen. „Ich...ich weiß gar nicht was ich sagen soll..."
Nun brachen die Tränen in Strömen aus den Augen der alten Frau. „
Tamara, Derek, ich bin euch beiden so dankbar und natürlich auch allen anderen hier!"
Loraine putzte sich lautstark die Nase in einem ihrer Taschentücher.
„Ich werde euch besuchen kommen! Ganz bestimmt. So leicht werdet ihr mich nicht los."
Wieder lachten einige herzlich mit. „Hast du schon Pläne?", fragte Derek, der zusammen mit seinem Freund die riesige Torte halten musste.
„Ich werde mich etwas aufs Land zurückziehen. Meine Nichte hat dort eine hübsche kleine Farm, auf der sie Einhörner züchtet. Die Luft wird mir und meinem Mann sicher gut tun!"
Mit roten Augen und einem breiten Lächeln schaute Loraine in die Runde.
„Danke!", schluchzte sie ein letztes Mal und nahm einen großen Schluck aus ihrem Glas, das bis an den Rand mit Goldlackwasser gefüllt war. Die Gäste taten es ihr gleich und langsam löste sich der Pulk in mehrere, kleine Gruppen auf, die alle durcheinanderschnatterten.
Immer noch etwas beduselt von der ganzen Aufregung wand Loraine sich an Tamara. „Schätzchen, du weißt, dass wenn ich weg bin du hier das Sagen haben wirst, oder? Ich meine offiziell, inoffiziell bist du hier ja schon längst der Boss!"
„Was? Das stimmt doch gar nicht..." Tamara lief rot an. „Außerdem...Derek ist viel länger hier als ich...sollte er nicht..." „Er hat direkt gesagt, dass du die Stelle haben solltest! Nachdem ich angekündigt habe, dass ich in den Ruhestand gehe kam er gleich zu mir!"
Beide warfen einen Blick zu dem dunkelhaarigen Mann, dem gerade etwas Torte vom Kinn gewischt wurde. „Du hast bisher dich immer um alles gekümmert, eigentlich schon vom ersten Tag an." Hatte sie? Vielleicht, ja. Aber für alle verantwortlich sein? Das klang nach ziemlich viel. „Außerdem finde ich, sollte man immer nach den Sternen greifen."
„Was meinst du damit schon wieder?", fragte Tamara verwirrt und nippte an ihrem eigenen Glas. „Na, Bolcrobs Ankündigung?" „Oh, ja, ehm, ich hab nicht so richtig aufgepasst.", gestand Tamara. Sie und der Leiter der Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe waren nie gut miteinander ausgekommen. „Oh, Schätzchen, er hat gesagt, dass sie alte Berta und Jeremeyer ebenfalls in den Ruhestand gehen werden." „Eh..."
Tamaras Gehirn fing an zu rattern als sie verzweifelt nach Gesichtern suchte, die zu den Namen passen würden. „Oh, was für ein Zufall, drei auf einen Streich, quasie...haha."
Bertha...Bertha...Es gab eine Bertha Ebbony im Koboldverbindungsbüro, aber mit der hatte sie nur ein zwei Mal geredet. „Die Behördenleiter? Bertha Hopkin? Leiterin der Behörde für magische Geschöpfe? Und Jeremeyer Batholomy? Leiter der Behörde für Tierwesen?"
„Eh...jaaaaa." Diese ganzen Behörden hatten sie immer schon verwirrt und wenn sie mit jemanden etwas zu klären hatte ging Tamara entweder persönlich zu der Person oder aber gleich zum Abteilungsleiter. Wenn sie jetzt so darüber nachdachte hatte sie in der ganzen Zeit, in der sie im Ministerium arbeitete, noch nie mit der Behördenleitung gesprochen.
„Du weißt aber schon, dass es drei Behörden in unserer Abteilung gibt, oder?", hakte Loraine misstrauisch nach. „Pf, natürlich, magische Wesen, Tierwesen und Geister...richtig?"
Krittelnd schüttelte Loraine den Kopf. „Tamara, du arbeitest so viel, dass du nicht einmal über den Aufbau der Abteilung Bescheid weist. Aber ja, das sind die drei Behörden.
Und ich weiß genauso gut wie du, dass das Fangkommando nur darauf gewartet hat, dass Jeremeyer sich zur Ruhe setzt, damit sie diesen Vibor als Leiter der Tierwesenbehörde einsetzen können." Tamara verzog das Gesicht. An den Gerüchten war wohl doch was Wahres.
„Aber das können wir auch!", unterbrach Loraine sie und stemmte energisch die Fäuste in die Hüfte. „Was..." „Du solltest dich auf den Posten bewerben!"
„Zur Leitung der magischen Tierwesen?!" Vor Schock wäre ihr fast das Glas aus der Hand gefallen. „Ja, genau. Du könntest dich so besser für die das Programm und all die anderen einsetzen. Ich bin sicher du hast dir schonmal vorgestellt, was du verändern würdest, hättest du das Sagen!" „Ja, kann sein,", gestand Tamara, immer noch ein wenig überfordert. „aber Bolcorb..." „Muss auf dich hören, wenn du die Behörde leitest!"
„Ich...ich muss mal darüber nachdenken." Loraine schürzte die Lippen.
„Aber nicht zu lange! In zwei Wochen ist die Stellenausschreibung. Oh, und vergiss nicht, du hast dann bessere Kontrolle über deinen Zeitplan und ein höheres Gehalt! Wegen deiner kleinen Rabauken." Für einen Moment war Tamara sich nicht sicher ob Loraine George mit meinte.
„Ich denke darüber nach, versprochen!"

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