Fluch der Fantasie
Müde sass er an seiner Schreibmaschine Marke Underwood und tippte seine Gedanken auf das Papier. Das konstante Klacken des Mechanismus hatte etwas beruhigend und zugleich hypnotisches, so dass ihm die Zeit vollkommen aus den Händen glitt. Die Sonne sank hinter den Horizont, verabschiedete den Tag und die Dunkelheit kroch langsam in die Welt. Noch immer tippte er, gefesselt von seiner eigenen Geschichte und bemerkte nicht, wie die Sterne an den Himmel traten und Finsternis gegen das Glas seines Fensters presste. Es klickte und klackte, Wörter füllten Seite um Seite, dann drang ein neues Geräusch an seine Ohren.
Ein leises Knarren, kaum hörbar übertönte es den Mechanismus der Schreibmaschine. Er stoppte. Die plötzliche Stille schmerzte ihm in den Ohren, als er in die Nacht lauschte. Nichts, kein Knarren. Kopfschüttelnd schalt er sich einen Narren. Seine Fantasie ging mit ihm durch. Ein Kapitel wollte er noch zu Ende bringen, bevor er sich zur Ruhe legte. Sorglos begann er erneut zu tippen, die Ohren gespitzt. Ein leises Knarren erklang erneut, leise und unscheinbar, sandte es ihm einen Schauder über den Rücken.
Er stoppte erneut. Das Geräusch stoppte.
Dieses Mal war er sich sicher etwas vernommen zu haben und er erhob sich. Die Deckenlampe erleuchtete sein Zimmer, warf Schatten in die Ecken, unter das Bett und sein Pult. Das Regal zu seiner Linken versperrte ihm die Sicht auf seine Zimmertür. Langsam, als könnte ihn jederzeit eine Gestalt anspringen, umrundete er das Gerüst aus Holz und erblickte seine Tür. Sie war zur Hälfte geöffnet.
Hatte er sie offen gelassen?
Außerhalb der Tür lauerte Dunkelheit. Er bildete sich ein zu spüren, wie sie ihn anstarrte, wie sie wartete, bis er ihr den Rücken zuwandte. Ein neuerlicher Schauer schoss seinen Rücken hinauf und hinunter, kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Er wollte die Tür ergreifen, sie verriegeln und die Dunkelheit verbannen, sie nie wieder öffnen. Doch er rührte sich nicht. Angespannt stand er da und lieferte sich einen stillen Kampf mit seiner Vernunft. Seine Füsse waren wie angewurzelt, sein Körper sträubte sich. Absurd, schalt er sich, einen Narren. Dies war die reale Welt, nicht eine seiner Geschichten. Mit neuem Mut öffnete er die Tür gänzlich und mit einer hastigen Bewegung betätigte er den Lichtschalter im Gang.
Flimmernd erwachte die Lampe zum Leben und vertrieb die Finsternis, offenbarte die Wahrheit, die hier lauerte. Erleichtert sah er auf einen Haufen schmutziger Wäsche, der sich im Gang erhob. Der einzig schlechte Geist hier war seine Faulheit, die sich weigerte seine Kleider zu waschen. Dennoch wich die Furcht nicht aus seinem Kopf, seine Fantasie ließ sie nicht los sondern kettete sie in seinem Geist fest. Am Ende des Ganges ist es immer noch dunkel, flüsterte sie ihm zu, und in deinem Zimmer hat es mehr als genug Schatten. Er wollte nicht auf die höhnische Stimme hören, doch konnte sich ihrem Einfluss nicht entziehen. Zögernd wandte er sich um, schwenkte seinen Blick durch den Raum. Wieder fühlte es sich an, als starre ihn die Finsternis direkt an, nun von allen Seiten, aus jeder dunklen Ecke. Sein Herzschlag verschnellerte sich, langsam schritt er rückwärts in den Gang hinaus.
Plötzlich spürte er Jemanden hinter sich stehen.
Erschrocken sprang er herum.
Doch der Gang war leer, nur die Wäsche starrte ihn anklagend an. Mit einer obszönen Handbewegung bedeutete er ihr still zu sein und ging an ihr vorbei zur Wohnungstür. Mehrfach stellte er sicher, dass sie abgeschlossen war, als könne es die Schattenkreaturen aufhalten, die auf ihn lauerten. Danach schaltete er jedes Licht an, dass er in der Wohnung finden konnte. Niemand soll sich vor ihm verbergen können. Adrenalin schoss durch seinen Körper, sein Herz raste und überall glaubte er Geräusche zu vernehmen.
Ein Kratzen an der Tür, das leise Quietschen der Angeln, schleichende Schritte auf dem Parkett.
Als die gesamte Wohnung erhellt war, stand er schwer atmend im Wohnzimmer und starrte auf die Fensterfront, die zum Balkon führte. Absolute Schwärze herrschte außerhalb des dünnen Glas. Wind heulte auf und die Scheiben bogen sich gefährlich ins Innere, ohne zu brechen. Mit einem unterdrückten Aufschrei rannte er zurück in sein Zimmer und packte sich sein Jagdmesser. Mit geöffnetem Messer sass er auf seinem Bett, die Wand in seinem Rücken und die offene Tür im Blickfeld.
Das Knarren, Kratzen und Schlurfen wurde lauter und lauter, schien sich direkt auf ihn zuzubewegen.
Angespannt starrte er auf die Öffnung und wartete, bis die Kreatur aus seiner Fantasie um die Ecke kam.
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