👬 01 Hyunuk
Entnervt stecke ich mein Handy wieder ein. Es stimmt schon, wenn man mit jemandem unterwegs ist, sollte man nicht aufs Handy schauen - aus mehreren Gründen. Unerwünschte Nachrichten können einem gehörig die Laune verderben.
"Mh? Alles gut?", erkundigt sich mein Bekannter. "Wie spät ist es denn jetzt?"
"Äh. Hab ich vergessen." Wohl oder übel muss ich nochmal nachschauen, da bei seinem Handy der Akku leer ist. Die Nachricht streiche ich weg, damit ich sie später nicht noch ein weiteres Mal erblicken muss. "Halb fünf."
Inho blickt von seinem Iced Americano auf und mustert mein Gesicht. "Ich hab noch Zeit, also... meine Freunde meinen immer, ich kann gut zuhören. Falls du es loswerden willst...?", bietet er mit fragendem Blick an.
"Nicht so wichtig." Tief atme ich aus. "Ich will nicht die Laune verderben."
"Das tust du eher, wenn du vor dich vor hin grummelst. Wenn du es kurz rauslässt, geht's dir besser, ist wirklich so."
"Ich weiß ja nicht... es ist eigentlich wirklich keine große Sache... nur... meine Eltern. Sie wollen, dass ich heirate", sage ich schließlich. Wir kennen uns nicht einmal soo gut, er ist nur der Kumpel eines Arbeitskollegen. Aber mit ihm kann ich immer toll reden, wenn wir uns treffen, so wie zufällig heute in dem Café. Statt nur ein Getränk zum Mitnehmen zu bestellen hab ich spontan auch noch ein Stück Kuchen ausgesucht und mich mit Inho in eine ruhige Sitznische begeben.
"Du bist noch nichtmal dreißig", stellt er fest.
"Jaa...", mache ich langgezogen. "Sie reden da schon seit Jahren auf mich ein, und es sind halt meine Eltern, was soll ich da machen? Ich hab schon so oft versucht, ihnen das zu verdeutlichen, dass ich kein so großes Interesse habe, mich mit jemandem fortzupflanzen, aber sie können das nicht verstehen. Und man soll ja nicht respektlos über seine Familie sprechen, aber es nervt einfach!"
"Ja, das ist nachvollziehbar. Willst du Ratschläge oder willst du dich einfach bisschen auskotzen? Ist kein Ding, das bleibt unter uns."
Ich zögere und nippe an meinem abkühlenden Chai Latte. Inho wartet und lächelt mich ermutigend an. "Ich wüsste nicht, wie mir da jemand helfen kann. Es ist wie gegen eine Wand zu reden."
"Hast du es schon damit versucht, dass du dir irgendwann selbst einen Partner aussuchst?"
Ich schnaube abfällig. "Solange ich ihnen niemanden vorstelle, werden sie mich mit Vorschlägen zu Tode nerven!"
"Wie wäre es dann mit einer Fake-Freundin?"
"Einer was?"
"Einer Frau, die sich deinen Eltern als deine Freundin vorstellt, damit du vor ihnen Ruhe hast."
"Hm." Eine Weile denke ich darüber nach und starre dabei in meine halbleere Tasse. Wenn ich meinen Eltern sagen würde, ich hätte eine Freundin... dann würden sie wissen wollen, wer. Und als nächstes... "Das würde nicht funktionieren, denke ich. Ich weiß noch, wie das bei meinem Bruder damals war. Erst hieß es, wann findest du endlich eine Freundin, und dann, wann heiratet ihr endlich, wann kommen Kinder... das hat nur aufgehört, weil er unfruchtbar ist und das ein unangenehmes Thema ist. Meine Schwester hat allerdings schon Kinder, also was wollen sie dann noch von mir??"
"Vielleicht geht es um den Familiennamen", überlegt er.
"Das könnte sein. Mein Schwager heißt Lee, das ist ja ein Allerweltsname."
"Mhm."
"Ich brauch irgendwas... ich weiß nicht... ich muss ihnen irgendwas sagen können, damit sie für immer damit aufhören, und ich werde nicht irgendeine unschuldige Bekannte juristisch an mich binden, nur um endlich meine Ruhe zu haben! Mein 'Nein, ich möchte nicht' kapieren sie nicht." Ich will einfach nicht heiraten. Mit vierzig vielleicht, aber das ist noch ewig hin, und wenn ich nicht längst an dem Generve meiner Eltern gestorben bin, bleibe ich aus Protest für immer ledig! Ich brauche nur etwas, womit sie endlich mein Nein verstehen.
Nachdenklich nippt Inho an seinem Kaffee und betrachtet anschließend die Tasse, als hätte sie eine Antwort parat. "Hm... Meinst du, es würde sie schocken, wenn du mit einem Mann ankämst?"
"Bitte was??"
"Stell dir vor, du sagst ihnen, du hättest einen Freund und sie wären so baff, dass sie das Thema Heiraten nie wieder erwähnen."
"Das... das... das ist so abwegig, das könnte funktionieren!"
Inho grinst breit und ich lasse mich davon anstecken.
Könnte natürlich auch passieren, dass sie mich dann enterben und nie wieder ein Wort mit mir reden, aber wenn ich noch ein einziges Mal die Frage hören muss, wann ich endlich heirate, kommt mir diese Option sicher durchaus idyllisch vor.
"Die Sache ist nur... wen?" Stirnrunzelnd treffen sich unsere Blicke.
"Reicht es nicht, wenn du ihnen sagst, du hast einen?"
"Wenn sie das lächerlich finden und es nicht glauben? Ich denke, ihnen jemanden vorzustellen, würde ihnen eher die Sprache verschlagen. Wie war das nochmal mit Fake-Beziehung?", überlege ich und schaue mir Inho genauer an.
"Ja, nur wer? Kennst du jemanden in deinem Alter, der Single ist und sich das zutrauen würde?"
Inho ist etwa in meinem Alter, nur ein Jahr älter. Er ist schlau und charmant und sieht gut aus. Meine Mutter würde ihn toll finden, wenn meine Schwester ihn als Schwiegersohn anschleppen würde, aber die ist ja bereits unter der Haube.
"Ich kenne da zufällig jemanden", sage ich leise und sehe ihn eindringlich an. Manche finden ihn einschüchternd, weil er so selbstbewusst und direkt ist, aber eigentlich ist er ein ganz Lieber. Wenn er seine freundliche Art raushängen lässt, können meine Eltern im Prinzip nichts Negatives über ihn sagen.
"Ja, da fällt dir sofort jemand ein?", meint er erstaunt. "Vielleicht nicht gleich der Erstbeste?"
"Und wenn der Erste der Beste ist? Ich werd sicher nicht noch extra eine Suchanzeige starten und noch länger warten, wenn jemand Geeignetes direkt vor mir sitzt. Und du hast es vorgeschlagen, daher kannst du auch ruhig-"
"Warte, du meinst mich??", ruft er erschrocken.
"Ja, wen sonst?"
"Oh Gott, nein?"
"Äh, doch?"
"Aber, aber..."
"Du hattest die Idee. Und du bist Single und außerdem-"
"Neinneinneinneinneinnein", unterbricht er mich erneut und lacht verlegen, eh seine Miene versteinert. "Du meinst das Ernst?"
Ich blicke ihm nur in die Augen. Er schluckt. Dann schaut er weg und tut so, als wäre etwas Interessantes am Boden seiner Tasse.
"Du bist jemand, der einem alles glaubhaft machen kann. Du bist wirklich der Beste für dieses Anliegen." Er könnte einem Vertreter dessen eigene Produkte verkaufen, so gut kann er Leute bequatschen, meint auch unser gemeinsamer Bekannter immer.
Vergeblich versucht Inho sein geschmeicheltes Lächeln zu verbergen. "Naja...", meint er und gibt sich zögerlich, aber ich sehe ihm an, dass er drauf und dran ist, zuzustimmen und mir meinen langersehnten Seelenfrieden zu retten.
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