Kapitel 1 Lächele, lächele Christine
Ängstlich schlich Christine aus dem Zimmer in die Küche. Bei jeder ihrer Schritte wollte ihr Körper zusammen brechen, doch sie zwang sich gerade zu gehen. Bei jedem ihrer Schritte wollte sie vor Schmerz Schreien, doch sie zwang sich es nicht zu tun und höflich zu Lächeln. Dieses Lächeln tat ihr mehr wehr weh als die Wunden von Raouls Schlägen. „Er ist heute noch weiter gegangen, als sonst.", dachte Christine trist. Sonst hatte Raoul Christine immer „nur" geschlagen und getreten. Dies war auch schon schlimm, aber das war nie so schlimm wie die Folter die sie an diesem Tag ertragen musste. Christine umgab eine schwarze Wolke, die aus Angst und Trauer war. Doch sie musste lächeln. Egal was passierte, sie musste Lächeln.
Sie fühlte sich wie eine Verräterin, die nach diesen Taten noch versuchte zu lächeln. „Lächeln Christine, Lächele und lache für das Foto Christine. Posiere für die Menschen Christine, als ob du Glücklich wärst. Jeder soll doch dein Glück beneiden können!", meinte ein Tages Raoul zu ihr und seit diesem Tag geisterte dieser Satz in ihrem Kopf herum. Bei jeder ihrer Taten war dieser Satz in Christines Kopf.
Immer wenn sie diesen Satz hörte, wusste sie, dass sie wenn sie nicht so tat als ob alles gut wäre, dass sie Raouls Ruf schädigen würde und er somit einen Grund hatte sie zu verprügeln und zu foltern. Niemand durfte wissen, dass Raoul Christine verprügelte und folterte, weil dies schlecht für seinen und den Ruf seiner Familie war.
Als Christine in der Küche ankam, holte sie ihren Brotteig aus einer Schüssel und knetete ihn. Während sie ihn sorgfältig knetete, war sie mit ihren Gedanken wieder bei Erik, ihrem Engel der Musik. „Wieso ich? Warum musste sich Raoul so verändern? Erik, warum musstest du sterben? Warum musstest du dich selbst umbringen? Warum? Bitte vergib mir, dass ich dich nicht verstanden und respektiert habe. Ich war so dumm und schon damals liebte ich dich. Ich... ich wusste es nur nicht. Vergib mir bitte! Bitte Erik!", flehte ich in mich herein.
Während sie den Himmel so anflehte, tropften Tränen auf den Teig. Sie hatte aufgehört ihn zu kneten, entrüstet gab sie sich eine mentale Backpfeife. Schnell knetete sie weiter und formte den Teig zu einem langen Laib Brot. In einigen Jahren sollte man es Baguette nennen. Aber sie hatten zu Christines Zeit noch keinen Namen für dieses Gebäck. Es war damals einfach nur Brot.
Christine hätte das Brot vergiften können um zu fliehen, doch sie hatte zu viel Angst vor den Konsequenzen. Nein, das konnte sie nicht tun. Dafür war sie zu nett. Selbst Raoul, den Menschen der sie täglich folterte und schikanierte, konnte sie nicht töten.
Geschickt öffnete sie den eben schon angemachten Ofen, aus dem sofort warme Luft kam. Draußen war es zwar warm, da es Sommer war, doch diese Wärme so angenehm. Sie hatte für einige Sekunden nicht mehr das Gefühl von Einsamkeit, was ihr Raoul jeden Tag gab. Schnell schob sie das Brot in den Ofen, schloss die Ofentür und sank zu Boden.
Plötzlich stand sie, auf als der rasierte Raoul mit dem Gehstock seines Vaters reinkam und sich mit einem schelmischen Lächeln an den Tisch setzte. „Wo bleibt mein Essen, Weib! Ich habe Hunger und du sitzt hier und heulst! Ich denke du verdienst ein Wiedertreffen mit meines Vaters Gehstock. Aber zuerst mache das Brot fertig, Weib! Dann gehst einen Landgockel holen, da mein Bruder kommt und die Köche etwas für uns zubereiten werden. Ach ja und benutz Puder für deine Wunde oder sag, du wärst aus dem Bett gefallen, Weib!", beschwor Raoul sie schlecht gelaunt.
Ängstlich nickte sie, holte das Laib Brot aus dem Ofen und servierte es ihren schrecklichen Verlobten, der nur grunzte. Raouls Gutshaus hatte zwar Köche, aber diese trafen erst am Mittag ein und somit war Christine für das Frühstück zuständig. Jedes Mal, wenn Christine etwas für Raoul kochte, beschwerte er sich über das Essen. Anfangs hatte sie noch so etwas wie, wenn du es besser kannst, dann koch doch selbst oder hör auf zu meckern du Meckerziege, gesagt. Doch nach der ersten Woche in dieser Hölle, die ihr Raoul aufgebaut hatte, verlor sie ihren ganzen Stolz und ihr ganzes Selbstvertrauen.
Nach einigen Bissen lobte Raoul: „Heute schmeckt es besser, du sollest öfter beim Backen weinen. So schmeckt es mehr nach... Macht!" Dies meinte er so beiläufig, dass sie eine Gänsehaut bekam. Zu ihrem Glück hatte Raoul an diesem Tag noch ein kleines Stück Brot übriggelassen, als er auf das Zimmer ging. Mit einem Happen hatte Christine das Stückchen aufgegessen. Ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, schon seit Ewigkeiten hatte Christine nicht mehr gefrühstückt. Sie durfte nur am Abendessen teilnehmen, wenn sie sich angemessen benahm oder es Gäste gab. Nur dann durfte sie eine Mahlzeit zu sich nehmen und das aber nur mit ihrem Verlobten Raoul. Trotzdem hatte Raoul immer darauf geachtet, dass sie nicht zu dünn wurde und hatte ihr immer wenn sie aß, große Mahlzeiten gegeben. Diese musste sie jedes Mal komplett aufessen, sonst gab es Schläge von ihrem Kerkermeister Raoul.
Nachdem sie das Brot aufgegessen hatte, machte sie sich daran, ihr Chaos weg zu wegzuräumen. Raoul hatte zwar auch Putzfrauen doch waren dies alte Damen, die sich kaum noch bücken konnten, kamen erst Mittags. Ihr taten diese armen Frauen leid, da sie sich auch noch schlecht von Raoul bezahlt wurden. Dieser hatte eigentlich auch genug Geld, wie jeder wusste, denn er war adelig. Doch wie Christine war klar, dass Raoul dies extra gemacht hatte, damit Christine die Frauen Leid taten und sie für diese ihre Arbeit machte, damit sie sie nicht auch noch Schmerzen hatten für die sie schlecht bezahlt wurden.
Als sie mit dem putzen fertig war, ging sie sofort hoch in ihr und Raouls Schlafzimmer. Christine musste lächeln als sie ihren Kerkermeister grübelnd über einigen Karten fand, als sie in das Zimmer kam. Mit einem goldenen Zirkel maß Raoul etwas auf einer Karte aus, er sah sehr konzentriert aus. Für einen kurzen Moment erinnerte er Christine an den Raoul den sie einst kannte und ihrem besten Kindheitsfreund, der immer für sie da war. „Wo geht es als nächstes für uns ihn?", fragte sie in einem Moment der Unachtsamkeit.
Sofort bereute sie ihren Fehler, als Raoul, ohne sie um zu drehen, zischte: „Ich frage mich warum du dich mit mir auf eine Höhe stellst, Weib! Aber egal ich werde heute Abend genug Wut ablassen. Ich habe sogar extra für dich ein Messer schärfen lassen, ist ja mal was neues. Ich werde dich ja einige Tage nicht sehen können, weil ich für einige Tage eine Reise unternehmen muss. Und wenn du auf die Idee kommst zu fliehen, werde ich dich finden. Ich habe Quellen, Spione und andere Angestellten die dich immer und überall finden werden und wenn ich dich dann finde werde ich nicht mehr so sanft zu dir sein, Weib! Während ich auf der Reise bin, sollst du das Haus nicht verlassen und wenn jemand kommt brav lächeln. Immer lächeln und schweigen. Ganz wichtig nur reden wenn dich jemand etwas fragt. So wie ich es dir beigebracht habe, du Miststück von Frau."
Nachdem Raoul das zu ihr gesagt hatte bekam ich noch mehr Angst vor ihrem Verlobten. Er war ein Monster, ein schrecklich wahres Monster. Sie hasste ihn so sehr, dass Christine ihn am liebsten angreifen wollte, doch sie konnte nicht. Nein, auch dafür war sie zu nett. „Selbst nachdem er sowas zu mir gesagt hatte bin ich noch zu nett um ihm weh zu tun. Er war zwar mein bester Freund doch kann ich ihn nicht verletzten und selbst wenn ich es tun würde, sollte ich dann doch ein schnelles ende finden. Aber ist dies nicht besser als Raoul? Nein, ist es nicht! Ich möchte noch soviel erleben und ich weiß ich werde eines Tages hoffentlich entkommen können. Vielleicht ist Erik noch da oben und schützt mich irgend wie? Ich lebe ja noch. Das habe ich nur Erik und meinem Vater im Himmel zu verdanken. Ich werde für sie immer und immer weiter hoffen nur für sie!", beschloss sie für sich.
Doch sie hatte immer noch Angst vor Raoul und leider konnte ihre Hoffnung das nicht besiegen. Eingeschüchtert nickte sie nur und ging zu ihrem Schminktisch. Trist puderte sich ihre Wange und nahm sie sich ihre kleine weiße Handtasche, in diese ich mein Puder rein tat. Schnell verließ sie das Zimmer.
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