Kapitel 8
Meine Träume fühlten sich so surreal an wie schon lange nicht mehr. Es waren diese Art von Träume, bei denen man merkte, dass man träumte und die einen genau deshalb beunruhigten. Deshalb war ich eher weniger ausgeschlafen, als mein Wecker mich am Morgen weckte. Ich suchte mein Handy, um ihn auszumachen und erst da wurde mir wieder bewusst, dass ich ja gar nicht in meiner Wohnung war und allen Anschein nach auch nicht mein Wecker klingelte, sondern Jayden's, der immer noch im Reich der Träume zu sein schien. Ich beschloss schnell herunter in die Küche zu gehen und Kaffee zu kochen, mit dem ich mich wieder zurück auf den Weg ins Schlafzimmer machte und hoffte ihn so wecken zu können. Ich setzte mich neben ihn auf die Bettkante und rüttelte an seinem freigelegten Arm, was ihn anscheinend wenig zu interessieren schien, da er weiterhin vor sich hin schlummerte. Auch wenn ich das später bereuen würde stellte ich den Kaffee auf dem kleinen Nachttisch neben seinem Bett ab und beugte mich leicht über ihn, sodass ihm meine Haare ins Gesicht fielen und fuhr durch seine zerzausten Haare, um mich anschließend leicht vorzubeugen, um einen hauchzarten Kuss auf seiner Wange zu drücken. Mit einem Lächeln öffnete er die Augen und sah mir direkt in meine. „Ich hatte zwar die Hoffnung du würdest eine andere Stelle küssen, aber das war immerhin ein Anfang", dieser Vollidiot war tatsächlich wach gewesen. „Da ist dein Kaffee, ich geh jetzt nach Hause. Und muss leider Gottes sagen bis später, auch wenn ich mir das gerne ersparen würde", seufzte ich und sah ihn zuckersüß lächelnd an. „Au mein Herz, ich glaube es ist gerade in tausend Teile zersprungen", dramatisierte er gleich wieder, was mich jedoch zum lachen brachte. „Bis später, Dramaqueen", waren die Worte die ich ihm im gehen zurief.
Immer noch lächelnd kam ich in meiner Wohnung an und verschwendete keine Zeit, da ich pünktlich zur Arbeit kommen wollte. Also rannte ich ins Bad und putzte mir die Zähne, aber da mir vor dem Waschbecken stehen wie eine Zeitverschwendung vorkam, rannte ich mit der Zahnbürste im Mund in mein Schlafzimmer und riss aus meinem Kleiderschrank das hellgraue, knielange Businesskleid, das schwarze Leder Akzente hatte, dass das ganze erst so elegant wirken ließ und eine neue hautfarbene Strumpfhose, sowie neue Unterwäsche. Mit den Sachen in der Hand lief ich zurück ins Bad, spülte mein Mund aus und schlüpfte in die bereitgelegten Klamotten. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits sieben Uhr dreißig war und da ich mein Auto noch in der Firma stehen hatte, musste ich wohl auch diese Strecke mit einem Taxi zurücklegen. Schleunigst verließ ich das Haus und als ich vor die Tür trat erstarrte ich beinahe. „Was machst du denn hier?", freudig sprang ich ihm in die Arme. „Wenn ich dich so sehe komm ich unpassend oder?", ganz zuvorkommend wie immer. Ich hatte Michael, die letzten Monate echt vermisst. „Ach Quatsch, du kannst mich zur Arbeit begleiten", quietschte ich und konnte immer noch nicht glauben, dass er wirklich vor mir stand. „Dann steig ein", sprach er, während er mit seinem Kopf auf den weißen Hammer deutete, der hinter uns stand. Überrascht stieg ich ein und gab ihm die Adresse zu der er fahren sollte.
Er setzte mich vor der Firma ab und wir verabredeten uns für den Abend. Fest entschlossen betraf ich die Firma und lief zielstrebig auf Jayden's Büro zu, denn ich hatte heute Morgen einen entschloss getroffen. Ich klopfte kurz an und öffnete dann auch schon die Tür. „Können wir kurz reden?", fragte ich und wie selbstverständlich nickte er. „Wir sollten das Kriegsbeil bei Seite legen. Es wird in Zukunft angenehmer für uns beide sein und ich muss gestehen, dass ich dich langsam fast schon leiden kann, also vielleicht werden wir ja irgendwann sogar sowas wie Freunde", ich war sehr überzeugt von meinem Vorschlag, doch Jayden's Reaktion ließ zu wünschen übrig. „Ähm, klar natürlich", waren seine einzigen Worte dazu und anschließend lächelte er mich an. Seine Reaktion war seltsam aber immerhin kein nein. Zufrieden lächelnd verließ ich sein Büro und freute mich die ganze Arbeitszeit über auf das Treffen mit Michael am Abend. Seine Anwesenheit freute mich sehr, da er mir gefehlt hatte. Michael ist mein bester Freund seit dem Sandkasten. Wir haben alles zusammen erlebt, egal ob Sandburgen bauen, das Ein-mal-eins lernen oder die Zeugnisse unserer Highschool in der Hand zu halten. Michael war der große Bruder, der mir immer gefehlt hatte, doch als er auf ein Collage in Michigan gegangen war, trennten sich unsere Wege, auch wenn wir uns nie aus den Augen verloren hatten war es doch eine ganz neue Situation. Bei den Gedanken an unsere gemeinsame Zeit grinste ich vor mich hin und verlor den Fokus auf meine Arbeit, bis Jayden mich wieder in die Realität holte. "Ava, denkst du daran, dass wir heute wieder zusammen in der Halle trainieren, dass ist glaube ich eine bessere Atmosphäre als bei mir zuhause, auch wenn ich mich über die Gesellschaft beim schlafen nicht beschweren kann", begann er zu erklären und dabei fiel mir ein, dass ich ja vollkommen vergessen hatte ihm abzusagen. "Ich kann heute leider nicht. Ich bin verabredet, aber morgen wieder", lächelte ich und automatisch verfinsterte sich seine Miene. "Aww, hat unsere kleine Ava heute etwa ein Date?", stichelte er mit kindischem Unterton, sodass ich für einige Sekunden sprachlos war. "Sehr erwachsen und wenn schon, daran ist nichts verwerflich", auch wenn ich ihm sagen wollte, dass ich mich eigentlich nur mit einem Bekannten traf, störten mich seine Worte so, dass ich ihn einfach in seinem Glauben ließ.
"Das stimmt, dann wünsche ich dir ganz viel Spaß und bis morgen", mit diesen Worten verließ er das Büro und da ich aus ihm nicht schlau wurde machte ich mich an meine Arbeit. Unser kleines Gespräch wollte mir jedoch nicht aus dem Kopf gehen, was dazu führte, dass ich heute keinen Appetit verspürte und mich auch in meiner Mittagspause tief in meine Arbeit kniete, bis es bereits siebzehn Uhr war und ich mich auf den Weg aus dem Gebäude machte, wo Michael bereits auf mich wartete. Sein strahlendes Lächeln hieß mich automatisch willkommen und ich fühlte mich daheim. "Und wo geht es hin?", fragte ich ihn neugierig, woraufhin er mit den Schultern zuckte. Das war jetzt nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. "Da ich mich hier nicht auskenne dachte ich, ich überlasse das dir", grinste er mich an und da machte es erst Klick bei mir. Ich nannte ihm eine gute Pizzeria ganz in der Nähe zu der wir fuhren und dort angekommen löcherte ich ihn mit Fragen. "Also was machst du hier? Wie lief dein Studium? Bist du wegen einer Frau hier?", ich hatte so viele Fragen, dass er zu lachen begann. "Ich ziehe jetzt hier her, da ich ein gutes Jobangebot bekommen habe und wir jetzt endlich wieder mehr Zeit miteinander verbringen können", lächelte er mich an und beantwortete damit zwei meiner Fragen und da ich durch unsere Telefonate wusste wie gut sein Studium gelaufen war beließ ich es dabei, obwohl ich noch so viele Fragen hatte. Nicht alle auf einmal, Ava. Manchmal musste ich mich innerlich selbst ermahnen meine Neugier im Schacht zu halten, aber das wusste Michael auch. „Und wie ist es dir ergangen in meiner Abwesenheit? Immer noch so begeistert von deinem Job?", wollte nun auch er wissen, während der Kellner uns zwei Pizzen, eine mit Schinken für mich und eine mit Salami für ihn brachte. „Naja, wie gesagt William ist wie ein Vater für mich geworden, er hat mich unterstützt wo er konnte, aber er geht bald in Rente und dann übernimmt sein Sohn die Firma und ob das gut gehen wird ist fragwürdig. Verstehe mich nicht falsch, er ist genauso brilliant, wenn es um das Geschäftliche geht, aber das Zwischenmenschliche lässt zu wünschen übrig", er starrte mich beinahe schon an, während ich erzählte. „Was setzt dir so zu, dass du am weinen bist, Ava?", er klingt besorgt und mir fiel bis dahin gar nicht auf, dass ich weinte. „Naja, William ist krank und das setzt mir doch schon ganz schön zu", erklärte ich und wischte mir kurz über die Wangen und lächelte ihn dann wieder an. Michael kannte mich gut genug um zu wissen, dass er das Thema besser fallen ließ, was er dann auch tat.
Wir saßen noch eine Weile da und aßen genüsslich unsere Pizza auf, denn meine Gedanken wanderten immer wieder zu William. Wie konnte jemand mit so einem gütigen und großen Herzen so ein Schicksal erleiden, aber auch das schlechte Gewissen, dass das ich das vor Jayden verheimlichte meldete sich immer wieder, auch wenn mir diesbezüglich die Hände gebunden waren. Auf die zwanzig Uhr brachte Michael mich nach Hause und begab sich mit mir in meine Wohnung. An meiner Tür befand sich ein hellblauer Briefumschlag, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich nahm ihn von der Tür und schmiss ihn auf meinen Wohnzimmertisch und setzte mich mit Michael an meine Küchentheke. „willst du etwas trinken?", fragte ich ihn , während ich ihm schon ein geöffnetes, kaltes Bier vor die Nase stellte. Er grinste mich nur dankend an, da ich ihn blind kannte wusste ich natürlich was er trinken wollte. „Und was macht die Liebe?", neckte ich ihn, was auch zu funktionieren schien, denn er spannte sich augenblicklich an. „Sag bloß du hast jemanden kennengelernt?", quietschte ich, doch er schüttelte den Kopf. „Michael was ist los?", meine Stimme triefte vor Besorgnis, denn sein Gesichtsausdruck machte mich fertig. „Seid dem wir uns das letzte mal gesehen haben ist einiges anders geworden, Ava", seine Stimme klang ängstlich und unsicher, dass waren Dinge, die ich von Michael nicht kannte. Langsam machte er mich nervös und er wurde immer unsicherer. „Ich...Ava, i-i-ich, naja egal", Michael stammelte?! Ich hatte Michael noch nie stammeln hören. „Du machst mich nervös", gab ich von mir und nahm seine Hände in meine. „Ava, ich bin Schwul verdammt", platzte es aus ihm heraus und ich konnte nicht anders als aufzulachen. Ich lachte ihn keineswegs aus, sondern die Erleichterung, die ich verspürte ließen mich auflachen. „Das ist alles? Schön, dann bist du das. Das ändert dich als Mensch doch nicht. Deine Sexualität macht dich doch nicht zu dem was du bist. Egal ob du glücklich mit einem Mann oder einer Frau wirst, Hauptsache du bist es. Und natürlich will ich dich nicht beim Sex sehen, aber das würde ich mit einem weiblichen Partner auch nicht sehen wollen", redete ich auf ihn ein und sah die Erleichterung in seinem Gesicht.
Den restlichen Abend saßen wir zusammen und redeten, bis er gegen Mitternacht ging und mich wieder meinen Gedanken überließ.ich sollte morgen dringend mit William reden, denn ich ertrug diese Geheimniskrämerei nicht mehr. Bei dem Gedanken begann ich zu lachen, denn jetzt wusste ich ihn wie weit Affären sich fühlen mussten, die darauf warteten, dass er seine Frau verließ, damit sie kein Geheimnis mehr daraus machen mussten. Natürliche würde ich niemals eine Affäre mit ihm anfangen, doch ich glaubte zumindest, dass das Gefühl so ziemlich das gleiche war. Mich beschäftigte so viel, dass ich keinen Schlaf finden konnte und da kam mir der Brief wieder in den Sinn. Ich eilte ins Wohnzimmer und nahm ihn in die Hand. Es stand kein Absender darauf, sondern nur mein Name in feinsäuberlicher Handschrift. Ava Wright. Nervös und somit mit zittrigen Händen öffnete ich den Briefumschlag und mir kam der Geruch von Rosen entgegen. Anscheinend hatte jemand das Briefpapier damit eingesprüht. Beinahe platzend vor Neugier zog ich den Brief heraus und begann ihn immer wieder von vorne zu lesen, in der Hoffnung er würde mir etwas über seinen Absender verraten.
Die erste Begegnung
Ich liege hier jede Nacht wach
Und denke daran was für ein Feuer entfacht,
Wenn ich auch nur an dich denke.
Ich denke daran wie wir uns zum ersten Mal gesehen haben
Und muss leicht lächeln bei dem Gedanken an den Schaden.
So gerne ich dich auch jede Nacht bei mir hät',
Liegst du heute Abend wohl in einem anderen Bett.
Mein Herz blutet bei einem Gedanken an dich
Und ich frage mich: ob es töricht ist zu glauben du liebst mich?
Deine Gegenwart macht mich so anders, so brav
Und vielleicht werde ich dank dir ja doch irgendwann ein weißes Schaf.
Ich sehe dich immer aus der Ferne an
Und frage mich: was wäre, wenn ich wäre dein Mann?
Und lächelnd sehe ich in dein überlegendes Gesicht
Und frage mich: ob du auch denkst an mich?
~ Du wirst bald wissen wer ich bin
Mein Blick schweifte immer wieder von Vers zu Vers und von Strophe zu Strophe, doch ich hatte nicht einmal eine Idee wer dahinter stecken könnte, doch seine Worte berührten mich zu tiefst. Wie konnte es denn möglich sein, dass jemand wirklich so etwas in meiner Gegenwart empfand? Noch nie hatte sich wirklich jemand für mich auf diese Weise interessiert, dass er ein Gedicht für mich oder besser gesagt über mich verfasste. Wer schrieb denn heutzutage noch Gedichte? Und diese Worte, als könnte ich mit meinem impulsiven Verhalten jemanden wirklich zu jemanden besseren machen, denn im Normalfall zerstörte ich alles um mich herum, weil mir ab einem gewissen Punkt, an dem ich schon zu viel in mich hereingefressen hatte, die Gefühle meiner Mitmenschen egal wurden, da ich wie ein Tornado um mich schlug und alles niederriss was mir im Weg stand, da ich anders drohte in meinem Selbsthass und meinen Problemen zu ertrinken. Wie war es also möglich, dass jemand sich gerne freiwillig einem Tornado entgegenstellt mit dem Wissen, dass sein einziges Ziel, ob gewollt oder nicht ist, dass du untergehst mit allem was dir lieb und teuer war. Ich nahm den Brief oder besser gesagt das Gedicht mit ins Schlafzimmer und las es so lange bis meine Augen schwer wurden und ich bei dem Gedanken, an den mysteriösen Unbekannten einschlief.
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Das war Kapitel 8 und ich hoffe es hat euch gefallen☺❤
Ich weiß, dass in meinen Geschichten häufig jemand vorkommt der schwul ist und meistens beschreibe ich diese Männer so, dass man das weder vom Verhalten, noch vom Aussehen her erkennen würde und das würde ich jetzt gerne mal erklären. Ich will dieses Bild von Schwulen, dass es alles Männer in pinken hautengen Shirts, mit schwarzen Lederhosen und am besten noch geschminkt sind wegbekommen. Es stört mich wie diese Menschen sich auch noch heutzutage solche Vorurteile antun und sich auch teilweise verstecken müssen, weil sie Angst haben müssen von der Familie, ihren Freunden oder Vereinen verstoßen zu werden finde ich einfach krank. Ein Mensch wird durch seinen Charakter ausgemacht, seine Freundlichkeit, seine Lebensziele, die Liebe die er anderen schenkt und so viel mehr, aber ganz sicher nicht durch seine Sexualität. Und ich weiß, dass es mittlerweile ganz viele Menschen gibt, die das so sehen, aber dieser Appell geht an die, die immer noch der Meinung sind, dass Homosexuelle eklig sind oder krank, aber sich dann den ganzen Tag Lesbenpornos ansehen.
Und zum anderen will ich mich bei Helena bedanken, eine sehr gute Freundin, die mir gezeigt hat, dass Gedichte keinesfalls veraltet sind und das man seine Gefühle auf diese Weise besser ausdrücken kann als auf viele andere und durch die ich die Idee bekommen habe den Unbekannten in Form von Gedichten erscheinen zu lassen.❤
LG Julia❤
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