Kapitel 27
Voller Lebensfreude öffnete ich die Tür zur Eingangshalle. Spätestens hier wurde mir bewusst, dass wohl alle über meinen kleinen Unfall Bescheid wussten, denn alle sahen mich verwirrt oder beinahe schon schockiert an. Aber komischerweise ging es mir heute einfach nur gut und ich fühlte mich als würde ich auf Wolken durchs Gebäude schweben und das bin ich auch in gewissermaßen, denn es war so als hätte ich meine Vergangenheit ausgeblutet. Ich weiß nicht ob das für irgendjemand außer mir Sinn ergibt, doch für mich ist es so als hätte ich mit dem Blut, das ich verloren habe zugleich auch die negativen Gedanken an alles verloren. Jetzt gab es Jayden und mich, diese Firma, meine Eltern und ein Leben, das es wert war gelebt zu werden. „Hey Trish", begrüßte ich lächelnd die Empfangsdame, bevor ich freudestrahlend in den Aufzug stieg. Ich fühlte mich wie neugeboren, wie ein Kind, dass gerade das erste mal im Matsch spielte. Für viele war dieser nasse Dreck nichts wert, aber für dieses Kind würde es immer viel mehr sein als das. Es kann eine Suppe sein, ein Turm oder alles was wir uns vorstellen zu vermögen, aber irgendwann haben wir aufgehört das so zu sehen und nur noch angefangen den Dreck zu sehen. Und dieser Tag auf der Arbeit fühlt sich an als würde ich endlich nach einer halben Ewigkeit wieder die Türme sehen und nicht den Matsch.
Die Aufzugstüren wollen sich gerade schließen als klischeehaft eine Hand in meinem Sichtfeld auftauchte und damit dafür sorgte, dass die Türen wieder aufgingen. Zu mir in den Aufzug stieg ein dunkelhäutiger Mann, der an die zwei Meter groß sein musste, in einem unglaublich teuer aussehenden Anzug. Er sah gleichermaßen bedrohlich, auf Grund seiner Größe und doch liebenswürdig, durch sein Lächeln aus. Mein Strahlen hätte eigentlich sofort im Keim erstickt werden müssen, da ich hier alleine mit einem Mann war, aber das tat es nicht, ganz im Gegenteil ich verbrachte gerne Zeit mit ihm hier, auch wenn er ein völlig unbekannter war, aber irgendwas an ihm gab mir das Gefühl stark zu sein. „Hey, mein Name ist Derek und Sie sind?", stellte er sich mit so einer tiefen Stimme vor, dass ich dachte der Aufzug würde bei jedem seiner Worte beginnen zu vibrieren. „Ava Wright, freut mich", gab ich völlig überschwänglich von mir. „Wie kommt es, dass Sie so eine Freude an diesem Morgen haben, wenn alle anderen aussehen, als könnten sie bei ‚the walking dead' mitspielen?", gab er völlig verwirrt von sich und brachte mich damit zum lachen. „Ich weiß das ist schwer zu glauben, aber kennen Sie das, wenn Sie kaum geschlafen haben und ihr Hirn gleichzeitig übermüdet und hellwach ist? Wenn Sie das Gefühl haben Sie könnten Superman und Batman in einem sein? Ich weiß nicht vielleicht bin ich die einzige, die heute mit dem richtigen Bein zuerst aufgestanden ist", quasselte ich drauf los, ohne dabei nachzudenken was ich da eigentlich von mir gab. Ich meine Superman und Batman?! Komm schon Hirn wir können klüger wirken als das.
„Ehrlich gesagt nein ich kennen dieses Gefühl nicht, aber ich beneide Sie dafür, dass Sie sowas verspüren können. Um so wach zu sein wie ich jetzt bin musste ich 5 Tassen Kaffee trinken und selbst dadurch fühle ich mich nicht wirklich fit", gestand er und überraschte mich damit. „Dann sollten Sie in Ihrem nächsten Leben Schauspieler werden, denn für mich sehen Sie topfit aus", lächelte ich und konnte kaum glauben, dass wir immer noch im Aufzug standen, denn sonst ging es immer schneller, aber vielleicht altern Aufzüge ja auch und brauchen länger. „Dann bedanke ich mich für das Kompliment", erwiderte er schmunzelnd und in diesem Moment ging der Aufzug in der Chefetage auf und wir traten beide heraus. „Hat mich gefreut, Miss Wright", lächelte er und ich musste ihn wohl ansehen wie eine fünf jährige ihren Teddybär, aber ich hätte ihm am liebsten in die Wangen gekniffen. „Danke, Derek. Ich mich auch", lächelnd ging ich auf ihn zu und gab ihm meine Karte. „Falls Sie sich nochmal mit mir unterhalten wollen, wenn ich in ‚the walking dead' mitspielen könnte", lachte ich und ging auf meine Bürotür zu und hielt inne bevor ich die Tür öffnete. Er war schon auf dem Weg zu William's Büro als ich nach ihm rief. Sein Kopf schnellte in meine Richtung. „Ich habe keineswegs mit Ihnen geflirtet, möchte ich noch zu Protokoll geben. Es ist einfach erfrischend jemand lebendiges hier zu sehen", zwinkerte ich ihm zu und schlich in mein Büro, bevor er etwas erwidern konnte.
Ich wusste definitiv nicht was mit mir los war, doch es gefiel mir so lebendig zu sein. Zehn nach sieben und ich fuhr meinen Rechner hoch. Während er sich anschaltete schaute ich aus der großen Glasfront auf die New Yorker Innenstadt. Die Leute rannten wie Ameisen quer durcheinander, folgten jedoch ihren eigenen für mich unübersichtlichen Strukturen. New York war wohl echt die Stadt, die nie schlief, die niemals menschenleer sein würde, doch vielleicht war genau das was ich so an dieser Stadt möchte. Denn jeder fokussierte sich auf sich, auf seine Träume, seine Ziele und ich verliebte und verlor mich in dieser Aussicht. Mein Frohsinn schwankte über zu einer leichten Melancholie, doch das wollte ich nicht. Deshalb genoss ich eine letzte Sekunde die Sonnenstrahlen, die bei diesem wunderschönen Herbstwetter durch meine Scheiben brachen, bevor ich mich umdrehte und mir die Wärme der Sonne in meinem Rücken neue Kraft gab. Es war befreiend hier zu sein, auch wenn ich wusste, dass Jayden das nicht passen würde. Schnell nahm ich mein Handy in die Hand und machte ein Video von mir. „Guten Morgen, Liebling. Ich hoffe du schläfst noch gut und mach Dir bitte keine Sorgen, wenn Du aufwachst und ich nicht da bin. Ich weiß du wolltest das zwar nicht, aber ich bin zur Arbeit gegangen, weil ich mich so gut fühle wie schon lange nicht mehr. Ich fühle mich als hätte ich mich durch den Sturm der Nacht gekämpft und kann zum ersten Mal seit langen wieder durchatmen. Und ich weiß, dass du nicht willst, dass ich alleine bin, denn all meine inneren Dämonen kämpfen gegen mich, wenn ich alleine bin deiner Meinung nach, aber dank Dir sind sie zwar nicht weg, aber still. ‚Leben heißt Schmerz', sagte Nietzsche einst und das stimmt, aber Baby du hast mir so viel Kraft gegeben, dass ich das alles bekämpfen konnte und wie Du sehen kannst geht es mir gut. Ich atme und bin wohl auf und auch wenn Du Dir sorgen machen wirst, bereue ich es nicht gegangen zu sein. Ich liebe Dich und bin zum Mittagessen zuhause. Wie wäre es mit chinesisch?", schnell schickte ich das Video ab, damit Jayden es sah bevor er sich allzu verrückt machte.
Schnell gab ich mein Password ein und entsperrte den Computer damit. In dem Moment klopfte es an meiner Tür. Ich gab ein kurzes „herein" von mir und wartete bis die Person eintrat. Zu meiner Überraschung war es William, der da stand. „Ava, weiß mein Sohn, dass du hier bist?", tadelte er mich und ich schüttelte lediglich den Kopf. „Dachte ich es mir doch. Aber mit den Konsequenzen musst du ja klarkommen nicht ich. Und wenn wir gerade schon bei Konsequenzen sind, darf ich Dir Mr. Blake vorstellen?", lächelte er und stellte mir ein nur allzu bekanntes Gesicht vor. „Als ich sagte wir könnten uns nochmal unterhalten dachte ich nicht, dass das so früh sein würde", lachte ich und auch Derek schmunzelte. „Sie beide kennen sich", fragte William irritiert an Derek gewandt. „Ja, wir hatten das Vergnügen gerade eben im Aufzug als ich auf dem Weg zu Ihnen war, Sir", gab er ohne eine Miene zu verziehen von sich. „Aber zurück zu dem was du gesagt hast. Wieso ist Der- Mr. Blake eine Konsequenz für mich", irritiert sah jetzt ich William an. „Naja wir beide wissen denke ich was der wahre Grund hinter deinem kleinen Unfall war und ja ich weiß alles Ava, du brauchst das gar nicht zu leugnen. Also habe ich beschlossen, dass du jemanden an deiner Seite brauchst, der dich beschützen kann, wenn es darauf ankommt. Und bitte verstehe mich nicht falsch ich weiß, dass Jayden dazu durchaus in der Lage ist, aber er braucht auch seine Zeit in der er sich erholen kann, auch wenn er diese ohne mit der Wimper zu Zucken für dich aufgeben würde", erklärte er mir und vor Schock musste ich mich erst einmal setzen. „Mr. Blake, würden Sie uns bitte einen Moment alleine lassen", bat William ihn und er setzte diese Anweisung sofort um.
„Woher?", wisperte ich und das wars dann wohl mit meiner guten Laune. „als du damals herkamst war das, weil dein Vater mich darum gebeten hat und mir dafür die Situation hat erklären müssen. Ich weiß nicht alles, aber Schätzchen glaub mir ich bin nicht blöd manche Dinge habe ich mir im Laufe der Jahre erschließen können. Ich will, dass du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich haben werde und dass das alles nicht deine Schuld war. Und ich habe mir so unangenehm mir das auch ist nach deinem Unfall Zugang zu deinem Handy verschafft und das Foto gesehen was du dir angeschaut hast", erklärte er mir die Situation und erstaunlicherweise konnte ich weder weinen noch schreien, es war mir einfach egal. Und das sorgte dafür, dass ich wie eine verrückte anfing zu lachen.
„William, ich weiß nicht was ich sagen soll, außer dass das ziemlich süß von dir ist, aber mir geht es erstaunlicherweise ziemlich gut und ich weiß, dass dieser Mann nie wieder in meine Nähe kommen wird oder sonst die Konsequenzen tragen muss, aber ich behalte Derek sehr gerne als Wegbegleiter, er ist irgendwie witzig", erwiderte ich, nachdem ich mich beruhigt hatte und erstaunlicherweise meinte ich das genauso. Ich war das ständige Geheule so satt. Ich war es satt immer am Boden zerstört zu sein, weil ich so ein einfühlsamer Mensch war, dass sich in meinem Inneren ein Schalter umgelegt hatte, der es mir auf eine merkwürdige Art und Weise nicht mehr möglich machte was zu fühlen und das gefiel mir. „Ach ja und William, wenn du schon gerade da bist ich habe eine Idee für ein neues Spielzeug, können wir um 10 Uhr eine Konferenz abhalten?", lächelte ich ihn an, was völlige Verwirrung in seinem Gesicht erschienen ließ. „Natürlich können wir das", antwortete er und erhob sich von seinem Stuhl. „Danke und könntest du Mr. Blake bitte hereinbitten", das waren meine verabschiedenden Worte, die er ohne etwas zu sagen auch so dastehen ließ. Derek betrat den Raum und grinste mich an. „Bist du bereit?", lächelte er mich an und ich nickte. „Ich bin definitiv bereit in eine neue mutige Welt einzutreten". Erwiderte ich und er nickte nur zustimmend zu. „Gut, denn nach deinem Meeting wirst du mich begleiten und wir werden starten Dir zu zeigen wie das Leben lebenswert wird", seine Antwort machte mich neugierig, aber auch stutzig, weil ich dachte er war ein ganz normaler Security-Typ, aber anscheinend hatte ich mich da geirrt. „Ich freue mich schon darauf", grinste ich. „Weißt du was das lustigste daran ist mein müdes Hirn stellt sich vor wie du ein Engel mit einer Shotgun bist, der mir beibringt gut und böse zu sein", lachte ich und auch Derek konnte nicht anders. „So falsch ist das vielleicht gar nicht", erwiderte er trocken und das brachte mich nur noch mehr zum schmunzeln. „Ich mag dich jetzt schon", schmunzelte ich, aber meinte es dennoch ernst, denn endlich behandelte mich mal niemand wie ein Spielzeug, das kaputt gegangen ist und jetzt wieder repariert werden musste, denn das war ich nicht, ich war besser als das. „Ich dich auch, Ava", lächelte er mich warmherzig an. Wieso fühlte es sich an als wäre das der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?! Vermutlich weil es genau das war. Und wie aufs Stichwort platzte Alex in mein Büro. „Hey Ava", winkte er und ich erwiderte seine Geste. „Alex, das ist Derek. Derek, das ist Alex", stellte ich sie einander vor und auch sie verstanden sich anscheinend auf Anhieb gut, denn danach begannen wir alle eine kleine Tratschrunde in meinem Büro, so wie man das aus den ganzen Teeniefilmen kannte, wenn das Mädchen mit dem Jungen aus war oder er es voll verbockt hatte. Die beiden waren echt lustig, aber ich wunderte mich dennoch, dass Alex zu mir ins Büro gekommen war, denn das hatte er schon lange nicht mehr getan. Und anscheinend konnte er das von meinem Gesicht ablesen, denn dann meinte er „ach das hätte ich beinahe vergessen. Michael und ich wollen am Wochenende auf so eine Party gehen, die anscheinend sehr angesagt ist und wollten fragen ob Jayden und du mitkommt. Wenn du aber der Meinung bist, dass du wegen deinem Unfall dazu noch nicht bereit bist, dann kannst du das gerne so sagen, wir haben dafür absolutes Verständnis", erklärte er mir und auch wenn ich nicht gehen sollte wollte ich dahin, damit ich das Gefühl hatte aktiver Teil dieser Gesellschaft zu sein und mit Jayden an meiner Seite konnte eigentlich nichts schief gehen. „Sehr gerne", erwiderte ich daher und freute mich schon darauf. Aus dem Augenwinkel sah ich wie mein Handydisplay aufleuchtete und Jayden's Name darauf zu sehen war. ‚Oh je das würde Ärger geben' dachte ich mir und drückte ihn weg.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top