Kapitel 18


Am nächsten Morgen wachte ich auf und das Bett war neben mir komplett leer. Ich bekam sofort Panik, dass Jayden gegangen sein könnte und schreckte augenblicklich aus dem Bett. Ich sprang so schnell auf, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich mit voller Wucht auf den alten Holzboden aufschlug. Nach ein paar Sekunden wurde meine Sicht wieder klarer, doch auch ein stechender Schmerz in meiner Stirn setzte ein. Es dauerte keine Sekunde da war Jayden bei mir und zog mich nach oben, während er meinen Kopf genauer untersuchte. Er sah mich erst kritisch und dann geschockt an, was ich jedoch nicht deuten konnte. Also löste ich mich von ihm und setzte mich wieder aufs Bett. „Was ist los? Warum schaust du mich so an?", fragte ich nach einer Weile und er tat nichts anderes als wie hypnotisiert auf meine Stirn zu schauen. Als stand ich auf, lief ins Badezimmer und beäugte mich im Spiegel. Und der Anblick schockte mich! Eine riesige Platzwunde zierte meine Stirn und Blut färbte mein sonst so blondes Haar am Ansatz leicht rötlich.

Es dauerte nicht lange, da stand Jayden hinter mir und beäugte mich panisch im Spiegel. „Ach das ist halb so wild. Ich wasch das nur schnell aus, wir gehen ins Krankenhaus und lassen das nähen, dann ist alles wieder gut", versuchte ich ihn zu beruhigen und fing an vorsichtig meine Wunde abzutupfen. Jayden musste ja nicht wissen, dass ich solche Wunden durchaus schon gewohnt war und deshalb genau wusste, dass man das mit 3-4 Stichen nähen musste und danach wieder alles gut war. Er schien so als würde er sich langsam wieder fassen und folgte meinen Anweisungen. Er brachte mir eine Jogginghose und ein Shirt von mir und zog sich ebenfalls was anderes an, bevor er seinen Autoschlüssel schnappte und mit mir die Hütte verließ. Die Fahrt zum nächsten Krankenhaus betrug zum Glück nur 20 Minuten, in denen sich das weiße Taschentuch komplett rot färbte und die Kopfschmerzen alles in meinem Gehirn vernebelten. Ich konnte mich nicht mal daran erinnern, ob ich bereits was gegessen hatte oder nicht.

„Ist alles okay bei dir? Du bist so bleich", sagte er, als wir amKrankenhaus ankamen und ich merkte, dass es mir immer schwerer fiel mich von meinen Beinen tragen zu lassen. „Ja es ist alles gut. Ich brauche nur dringend jemanden, der diese Wunde versorgt", gab ich gequält von mir und steigerte Jayden's Sorgen um mich so nur noch mehr. Das einzige was dieser Schmerz nicht überdeckte waren die aufflackernden Erinnerungen, die Krankenhäuser in mir auslösten, aber ich versuchte stark zu bleiben, denn das letzte was ich gerade gebrauchen konnte war eine Panikattacke. Doch auch Jayden schien zu merken, dass mit mir etwas nicht stimmte, auch wenn er es unkommentiert ließ, wofür ich ihm sehr dankbar war. „Jay-ayden", wisperte ich mit letzter Kraft, bevor ich zusammensackte und meine Sicht komplett verschwamm. Wie durch einen Tunnel hörte ich ihn noch nach mir und anschließend nach einem Arzt rufen und danach wurde alles nur noch so grell, dass ich die Augen schließen wollte, aber ich hatte einfach keine Kontrolle mehr über meinen Körper.

Wie schon viel zu oft in meinem Leben fühlte ich mich machtlos, kontrolllos und mutterseelenallein. Ich hasste es die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren, weil man sie mir zu oft genommen hat. Ich hasste es die Kontrolle für mein Leben nicht zu 100% zuhaben, weil man mir zu oft das Gefühl gab machtlos zu sein, doch das war ich nicht. Ich hatte mich damals befreit und die Kontrolle zurückgewonnen und genau das tat ich auch. Ich strengte mich so sehr an dieses Ohnmachtsgefühl loszuwerden und aus meiner tatsächlichen Ohnmacht wieder aufzuwachen, was mir langsam auch gelang. Ich sah Jayden neben ihr herlaufen, der mich Sorge beäugte, bis ein Hauch Erleichterung sein Gesicht streifte als er bemerkte, dass ich wieder zu mir zu kommen schien. Sie brachten mich ein kleines Zimmer, dass aussah wie beim Hausarzt und legten mich auf eine Liege. Vor mir stand eine Ärztin, die mich anlächelte. „Hallo Miss Wright, bleiben Sie bitte ruhig. Sie befinden sich im örtlichen Krankenhaus und ich werde Ihnen jetzt ihre Platzwunde zunähen, Sie hatten einen kleinen Schwindelanfall, der auf dem Blutverlust basiert, dass passiert häufig". Sie setzte die Nadel an und nähte mich, wie ich es vermutet hatte mit 3 Stichen zu und erst da bemerkte ich, dass Jayden meine Hand dabei leicht drückte.

Ich lächelte ihn an, weil seine Anwesenheit mir die Ruhe brachte, die ich so dringend nötig hatte. „Sehen Sie, ihr zukünftiger Mann ist für Sie da, auch in den nicht so schönen Zeiten", sagte die Ärztin lächelnd und wusste gar nicht was sie dabei in mir auslöste. „Ja, das stimmt", lächelte ich ihn an und auch auf seinen Lippen erschien ein zögerliches Lächeln, während etwas in seinen Augen aufblitzte. „Aber wir müssen uns über diesen Vorfall auf Grund ihrer früheren Besuche unterhalten und dafür würde ich Sie bitten, den Raum zu verlassen", sagte sie am Schluss an Jayden gewandt. Und ich wusste, dass sie mich jetzt fragen würde, wie diese Verletzung zu stande kam und ob ich Hilfe bräuchte, aber man musste mich garantiert nicht vor ihm beschützen. Er schaute verwirrt zwischen uns hin und her und verließ anschließend mit einem knappen Nicken den Raum. „So Miss Wright, ich denke Sie wissen um was es geht. Sie sind hier in einem geschützten Raum und können offen mit mir sprechen. Erzählen Sie mir wie diese Verletzung zu stande gekommen ist", fing Sie das erahnte Gespräch auch schon an.

„Es besteht kein Grund zur Sorge. Jayden fuhr heute Nacht mit mir zu einer kleinen Waldhütte, in der er mich gefragt hatte ob ich seine Frau werden würde und als ich heute morgen in einem leeren Bett aufgewacht bin war ich so panisch, dass ich viel zu schnell aus dem Bett sprang und mir schwarz vor Augen wurde. Dadurch sackte ich zusammen und schlug mit dem Kopf etwas unsanft auf dem Boden auf. Wie Sie sich vorstellen können fällt es mir nach all der Zeit nicht leicht jemandem zu vertrauen und als ich alleine wach wurde hatte ich Angst, dass er sich das ganze doch nochmal hätte anders überlegt haben können und ich war noch nicht bereit diese Sicherheit und Geborgenheit wieder aufzugeben, die er mir schenkte. Und er weiß auch nichts von den Vorfällen aus meiner Vergangenheit, also wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn das auch so bleiben würde", gab ich eine ausführliche Antwort, weil die Vergangenheit mich gelehrt hatte, dass das die ganze Prozedur deutlich verkürzte. „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich so um Frauen kümmern, denen so etwas wiederfanden ist, aber ich würde diesen Teil gerne hinter mir lassen und in eine neue, glückliche Zukunft zu blicken", lächelte ich sie an und spürte, dass Sie großes Verständnis dafür hatte.

„Glauben Sie mir ich verstehe das besser als jede andere, aber das ist neunmal eine Routine, da wir beide wissen, dass nur wenige Frauen den Mut hätten darüber jemals einer Menschenseele freiwillig zu erzählen, aber ich könnte nicht verantworten, wenn jemals jemand hier sitzen würde, der das hat durchmachen müssen und ich hätte meine Augen einfach geschlossen und nicht versucht zu helfen", erklärte sie mir und erst da merkte ich welche Motive dahintersteckten. „Sie-", setzte ich an, doch sie unterbrach mich mit einem simplen „ja". Und erst da fielen mir die Narben an ihrem Handgelenk auf, die zum Vorschein kamen, wenn die Ärmel ihres Kittels ein Stück zurückrutschten. „Hier ist meine Karte und ich möchte, dass Sie keinen Moment zögern mich anzurufen, wenn die Ereignisse Ihrer Vergangenheit sich wiederholen", lächelte sie mich aufrichtig und aufmunternd an. „Dankeschön", lächelte ich zurück und stand von meinem Stuhl auf, bevor ich ihr meine Hand zur Verabschiedung hinstreckte. „Es hat mich gefreut, Miss Wright", sagte sie während ich die Tür öffnete. „Mich auch, Miss Clarson", erwiderte ich, nachdem ich auf ihrer Visitenkarte ihren Namen abgelesen hatte. Danach schloss ich die Tür, war aber in meinen Gedanken immer noch in diesem Raum, bei dieser Frau, die allem Anschein nach noch eine viel schlimmere Hölle als ich hinter sich hatte.

„Um was ging es da gerade?", wollte Jayden neugierig wissen, aber ich konnte ihm darauf noch keine Antwort geben. „Irgendwann werde ich dir all das erklären, aber nicht jetzt, dafür bin ich noch nicht stark genug", versuchte ich ihm zu erklären, merkte aber wie meine Stimme brach und anders als erwartet, hinderte Jayden mich am weitergehen und schloss mich in seine Arme, während er mir beruhigend durch die Haare streichelte und ein Kuss nach dem anderen auf meiner Stirn platzierte. „Tu das nicht", flehte ich ihn an. „Tu das nicht, wenn du es nicht ernst meinst. Ein Kuss auf die Stirn birgt so viel Versprechen. Das Verbrechen jemanden immer zu beschützen, zu verteidigen und zu lieben, für jemanden da zu sein, ihn aufzufangen und zu trösten. Es verspricht dem anderen ein untrennbares Band und bitte gib mir nicht all diese Versprechen, wenn du sie nicht halten kannst", brach ich weinend zusammen und spürte wie er sich neben mich kniete und mit seinen Armen fest umschlungen hielt, während er meinen Kopf gegen seine Brust drückte. „Glaub mir ich werde all diese Dinge tun, wenn du mich lässt", flüsterte er mir zu und gab mir noch einen weiteren Kuss auf die Stirn, um seine Aussage zu untermauern.

Wie war es möglich, dass er sich all das antun wollte, dass er mich so akzeptierte wie ich war? Wie konnte er so gut mit meinen Macken umgehen und wieso suchte er sich nicht jemand mit dem er es deutlich einfacher hätte? Ich zerbrach mir das Hirn, weil ich wusste, dass ich mein Herz schon längst verloren hatte, doch ich hatte Angst, dass ich es mal wieder jemandem überließ, der es nicht wertzuschätzen wusste, der mich im Endeffekt wieder verletzt und alleine zurückließ. Zu oft hatte man meine Gutmütigkeit ausgenutzt und zu oft hatte man mir mein Herz und die Kontrolle über mein Leben weggenommen und ich wusste, dass mein Leben dieses mal ein jähes Ende finden würde, wenn ich diese Hölle noch einmal erleben müsste. Wie konnten Menschen so sein? Wie konnten sie anderen aus reiner Belustigung oder um sich selbst besser zu fühlen das Herz herausreißen? Wie konnten sie einen so hintergehen, belügen, betrügen und einsperren? Ich verstand Menschen im allgemeinen nicht, da ich mich mit jeder Enttäuschung mehr von ihnen distanzierte. War ich denn die Einzige, die das Gefühl kannte, dass man wie in Trance sein Leben lebte, dass man sich wie die Marionette eines anderen fühlte, die sein Leben nach Lust und Laune führte, die sich so fühlte als würde sie die Masse von außerhalb beobachten oder ging es da anderen genauso? Gab es da noch andere Menschen, die sich fragten wie ein Mensch zu einem sich selbsteinbildenden allen überlegenen Monster werden konnte und es dafür wirklich eine Entschuldigung gab?

Ich war zu tief in Gedanken versunken, um zu merken wie uns alle um uns herum anstarrten. Sie dachte wohl, dass wir irgendwas schlimmes wie den Verlust eines Kindes durchmachten, aber das war zum Glück einer der wenigen Arten von Schmerz, die ich nie habe erleben müssen, denn ich kann mir nichts schlimmeres vorstellen, als den Lichtblick den man durch sein Kind in seinem Leben verspürt, zu früh wieder aufgeben zu müssen. „Ava, ich...ich werde immer für dich da sein. Egal wie sehr ich dir auch unbewusst weh tun werde, ich bin immer dein sicherer Anker in dem Sturm, den du glaubst alleine mit einem Floß auf weiter See begegnen zu müssen, aber das musst du nicht. Also sag mir Bescheid sobald zu bereit bist meine Hilfe anzunehmen, denn du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben", er riss mich mit seiner Metapher aus meinen Gedanken und schenkte mir die Ruhe, die ich in diesem Moment dringender brauchte als irgendetwas anderes.

„Dann pass gut auf den Teil meines Körpers auf, denn ich dir geschenkt habe", erwiderte ich flüsternd und so wie es aussah verstand er nicht was ich ihm sagen wollte und schob es vermutlich auf meinen aktuellen Zustand. Er schnappte sich meine Hand und verschränkte unsere Finger miteinander, bevor er mich hochzog und mit mir zusammen zurück zu seinem Auto lief. „Wir gehen jetzt zurück, wenn du das möchtest und können den Tag in Ruhe ausklingen lassen, außer du willst nach Hause und ein bisschen für dich sein", schlug er vor und ich war froh darüber, denn ich wollte gerade alles, aber ganz bestimmt nicht alleine sein. „Ich fände es echt schön, wenn wir den Tag zusammen entspannt ausklingen lassen", lächelte ich ihn an und gab ihm einen schüchternen Kuss auf seine Wange. Wir fuhren die 20 Minuten schweigend zurück, aber Jayden ließ meine Hand keine Sekunde los, im Gegenteil er streifte beruhigend immer wieder mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Als wir an der Hütte ankamen hatte ich mich schon ein Stück weit beruhigt und war Jayden echt dankbar, dass er für mich da war.

Er schloss die Hütte auf und sie sah definitiv nicht mehr so aus wie wir sie verlassen hatten. Überall lagen Rosenblätter und auf dem Tisch stand ein riesiger Strauß meiner Lieblingsrosen, der mich sofort wieder zum lächelnd brachte. Es fühlte sich fast schon so an als würden meine Wangen zerspringen soweit zogen meine Mundwinkel sich bei meinem Grinsen nach oben. Jayden stand ganz verlegen hinter mir und kratzte sich nervös im Nacken. „Tut mir leid, falls dich das überfordert. Ich hatte das alles schon vor deinem kleinen Unfall geplant", stammelte er vor sich hin, doch als Reaktion legte ich einfach meine Lippen auf seine. „Entschuldige dich nie wieder dafür mich glücklich zu machen", lächelte ich an seine Lippen und so als wäre eine tonnenschwere Last von seinen Schultern gefallen zog er mich noch näher an sich und stützte meinen Hinterkopf mit seiner Hand. „Bitte lass mich nie gehen, Ava. Egal wie sehr wir uns streiten und zwischenzeitlich hassen, ich brauche dich", hauchte er mir zu und küsste mich, nachdem ich nickte direkt wieder.

„Ich habe da noch eine kleine Überraschung", platzte es aus ihm heraus und ohne einen Moment zu warten hob er mich hoch und automatisch schlang ich meine Beine um ihn. Gemeinsam mit mir auf seinen Armen lief er ins Badezimmer, in der sich eine Badewanne befand, die gefüllt mit Wasser und Rosenblätter war, während Duftkerzen im ganzen Raum verteilt waren. „Egal wer das organisiert hat muss wahnsinnig sein in einer Holzhütte Kerzen unbeaufsichtigt brennen zu lassen", lachte ich, was ihn ansteckte. „Ich werde es ihm ausrichten", war lediglich seine Antwort bevor er mich wieder auf meine Füße stellte, die immer noch etwas wacklig waren. „Also was hälst du von etwas Entspannung , Schöne?", fragte er mich schelmisch grinsend und mit einem „das würde ich gar nicht so schlecht finden, du Biest", antwortete ich ihm genauso grinsend bevor er mich erneut küsste. Jayden Scott, was tust du nur mit mir?

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