VI
Die Dunkelheit umgarnte Yuna, die in der Ecke verborgen durch die Gitter linste.
Sie schloss die Augen, atmete tief durch und bereitete sich auf ihren Einsatz vor.
Mittlerweile war es tiefe Nacht geworden und die Melodie floss durch die Luft.
So, Melodie des Ozeans, es wird Zeit, dass du mir behilflich wirst.
Ravi begann mit einem lautstarken Krach und brüllte wie besessen.
Augenblicklich ertönten die schweren Schritte und der Aufseher trat mit glühendem Zorn in ihr Sichtfeld.
„Kannst du nicht still auf deine Hinrichtung warten, du Irrer?", spuckte er Ravi entgegen.
„Ich bin zu jung zum Sterben!" Dramatisch ging der Rotschopf in die Knie.
„Selbst schuld. Wo ist deine kleine Freundin?"
Yuna nahm all ihren Mut zusammen und öffnete ihren Mund.
Doch die Worte waren nur ein leises Flüstern und verfehlten ihre Wirkung.
Verdammt! Ihre Knie begannen zu schlottern, ihr Blick suchte bei Ravi um Hilfe.
Dieser erhob seine Daumen und grinste ihr zu.
Danke, das hilft mir gar nicht.
Yuna schloss die Augen und konzentrierte sich auf die sanfte Melodie.
Bildlich stellte sie sich vor, was sie mit ihren Wörtern erreichen wollte und hörte auf die Klänge.
Ein unbeschreibliches Gefühl machte sich in ihr breit. Als würde sich eine unsichtbare Macht in Bewegung setzen und wie klares Wasser durchströmen.
Der Sog war enorm, zog sie in ihren Bann, bis ihre Umgebung in den Hintergrund trat und ihr das Gefühl vermittelte, im offenen Meer zu schweben.
Sie fühlte sich umarmt von den Wassermassen.
Entschlossen öffnete sie ihre Augen und blickte den Aufseher direkt an.
Sie erhob ihre Stimme, die durch das Kraftfeld donnerte.
„Öffne die Tür und lass uns gehen", hallte ihre Stimme in dem langen Flur des Gefängnisses wider.
Erschöpft ließ sie sich an die Wand fallen. Diese Aktion hatte ihr viel Energie geraubt, doch erleichtert stellte sie fest, dass es funktioniert hatte.
Der Aufseher tippte bereits das Passwort ein und surrend öffnete sich das Gitter.
„Du hast es geschafft!" Jubelnd sprang Ravi auf sie zu und seine warme Hand umfasste ihre. Hastig zog er sie hinter sich her, durch die verlassenen Flure des Verlieses.
Mondschein erwartete sie bereits am Ausgang, doch dann trat ihnen ein muskulöser Wächter in den Weg.
Ravi hechtete ihm entgegen, holte zum Schlag aus, aber der Muskelprotz verpasste ihm einen kräftigen Fausthieb ins Gesicht. Der Rotschopf fiel zurück.
Besorgt wollte sie ihm zu Hilfe eilen, doch dann sah sie die Faust auf sich zukommen. In letzter Sekunde ließ sie sich zu Boden fallen und kroch mit dem Rücken voran in Richtung des Ausgangs.
Die mächtige Hand krachte in die Wand, er ließ sich jedoch nicht beirren und stampfte auf Yuna zu.
Mit weit aufgerissenen blickte sie zu ihm auf.
Verdammt.
Plötzlich war Ravi mit einem Satz an ihrer Seite und verpasste dem Riesen einen Kinnhaken, der diesen zurücktaumeln ließ.
Diese paar Sekunden nutzte Ravi, packte ihren Arm und sprintete mit ihr hinaus. Auch außerhalb blieb er nicht stehen und jagte an den Betonhäusern vorüber, die sich zu einer grauen Maße vermengten.
Yunas Atem pfiff und ihre Beine brannten, aber sie folgte ihm unentwegt.
Selbst als der Rand von Valtarun in Sicht kam, hielten sie nicht inne.
Ehe sie sich versah, segelten sie durch die Luft und tauchten in kühles Wasser ein.
Schnell schwammen sie an das Ufer.
Hustend ließ sich die Brünette auf den steinigen Boden fallen und ignorierte die spitzen Kanten.
Ravi begann ausgelassen zu lachen. „Unglaublich! Wir sind frei!"
„Du hast ja Nasenbluten!", stellte sie erschrocken fest, als sie ihren Kopf zu ihm wandte.
„Passt schon." Schnell wischte er sich das Blut weg.
Er zog sie hoch und führte sie den Hügel hinauf.
Sie drehte sich um und erblickte ihre Heimatstadt zum ersten Mal von außen.
Hell erleuchtete der Mond die Stadt Valtarun.
In den großen Berg wurden die vielen Ebenen geschlagen und nahmen seinen einstigen Prunk.
Ihre Gesichtszüge verhärteten sich bei diesem Anblick und wehmütig musste sie an Großmama denken.
„Kommst du?" Ravi war bereits hinunter geschlittert.
Yuna warf einen letzten Blick auf die Stadt im Berg.
„Ruhe in Frieden, Großmama."
Dann wirbelte sie herum und lief mit der Melodie an ihrer Seite zu ihrem neuen Freund.
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