IV
IV) Ein unerwartetes Wiedersehen
Er konnte sich nicht bewegen. Nicht nur, weil seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren, sondern weil jede Bewegung einer Agonie gleichkam. Mit letzter Kraft klammerte er sich an den Gedanken, bereits tot zu sein, ehe man ihn vor den König der Lichtelfen schleifen konnte. Es wäre besser als Folter und alles, was ihm sonst noch bevorstand.
Sein Todeswunsch wurde von einem zischenden Geräusch unterbrochen. Kurz darauf fiel er erneut zu Boden und blieb liegen, wie er von den Schultern des Wachelfen gerutscht war. Dieser lag neben ihm im Gras und regte sich nicht. Dorchadas blinzelte gegen das schwache Licht der Abendsonne. Auch die Elfenkriegerin war zu Boden gegangen. Eine dunkle Flüssigkeit breitete sich von ihrem Oberkörper ausgehend auf der weißen Tunika aus. Etwas ragte aus ihrer Brust.
»Dorchadas!« Die leise Stimme ließ ihn aufhorchen. Das war unmöglich. Sein Verstand spielte ihm einen Streich, aber solange noch der Hauch von Leben in ihm war, würde er sich immer nach diesem Klang umdrehen.
»Dorchadas, hier!«
Unter Schmerzen und größter Anstrengung drehte er seinen Kopf zum Fluss.
»Was tust du hier?« Seine Worte verließen als heiseres Krächzen seine Kehle.
»Die Frage ist wohl eher, was du hier tust? Soweit ab eurer Tunnel und Höhlen. Ich bin oft hier und ich bin dir gefolgt. Los, komm näher ans Ufer und ich löse deine Fesseln.«
Die Worte drehten sich in Dorchadas Kopf. Er versuchte, sich aufzurichten, aber ein heftiger Schmerz ließ ihn zusammensinken. Er wimmerte.
»Du bist verletzt, aber du musst näher zu mir kommen.«
Sie hatte recht. Für einen Augenblick blieb er reglos liegen, dann nahm er all seine Kraft und rollte sich ihr entgegen. Schwarzrote Blitze zuckten durch seinen Kopf. Er drohte das Bewusstsein zu verlieren, aber er biss die Zähne zusammen, bis er einen metallischen Geschmack ausmachte. Endlich griffen Hände nach ihm, kühl und sanft und er wurde das letzte Stück über das Gras gezogen. Er spürte, wie sich seine Fesseln lösten und Cahaya über seinen Körper strich, sanft und heilend. Sie wusch das Blut von seinen Wunden. Das Wasser durchnässte seine Kleidung und die Kälte linderte die Spitze des Schmerzberges.
Er öffnete die Augen und betrachtete sie. »Du bist es wirklich.«
»Ja und jetzt komm schon oder soll ich wieder abhauen?«
Er schüttelte den Kopf und erneut pochte der Schmerz durch seinen Schädel. Diese Strafe hatte er verdient. Er hatte sie fortgeschickt. »Du hast nicht auf meine Worte gehört!«
»Natürlich nicht!« Ihre Arme schlangen sich um seinen Oberkörper und zogen ihn an sich.
»Du kannst nicht laufen, aber wir müssen hier weg.« Ihr Blick glitt zu den beiden toten Lichtelfen. »Die müssen wir leider hier zurücklassen. Sie werden sie finden.«
»Woher hast du meinen Bogen?«
»Den hast du bei deinem Sturz verloren. Ich dachte, du wärst tot.« Vorwurf und Schmerz lagen in ihren Worten. »Ich habe ihn aus dem Wasser gefischt. Kurz darauf bist du gefallen. Leider waren die beiden schneller bei dir, als ich es sein konnte.« Jetzt mischte sich Bedauern in ihre Stimme.
»Es ist alles gut. Du hast mich gerettet.«
»Halt dich fest. Jetzt ist nicht die Zeit zum Reden.« Mit diesen Worten packte sie ihn und schwamm mit ihm durch den träge in der Abendsonne dahinfließenden Goldfluss.
Ein wenig stromabwärts brachte sie ihn unter den Zweigen einer tief ins Bachbett hineinragenden Trauerweide ans Ufer.
»Hier kannst du dich ausruhen. Dieser Teil ist von Land aus nur schwer zugänglich. Unwahrscheinlich, dass sie dich hier finden.«
Doch Dorchadas hörte ihre Worte kaum mehr, sondern war eingeschlafen.
Als er davon erwachte, wie ihm jemand sanft und zärtlich durchs Haar strich, öffnete er die Augen. Cahaya saß an seiner Seite, ihre Schwanzflosse halb ins Wasser getauscht und liebkoste ihn. Vor ihm lag sein Lederbeutel mit dem Proviant. Cahaya hatte den Inhalt auf einem Tuch ausgebreitet. Seine Vorräte waren tropfnass. Sie bemerkte seinen Blick.
»Es ist leider alles nass, aber ich denke, du kannst es noch essen. Wie geht es dir?«
»Besser.« Wenigstens war der dumpf pochende Schmerz in seinem Kopf abgeklungen. Er versuchte sich auf seine Unterarme zu ziehen, aber Cahaya zwang ihn zurück.
»Bleib liegen. Du bist verletzt. Hast dir den Arm, einige Rippen und wer weiß was noch alles gebrochen. Du siehst schrecklich aus.«
Erst jetzt bemerkte er, dass Cahaya seinen rechten Arm mit Hilfe einiger Äste geschient hatte.
»Hast du Durst? Hunger?«
Erst als seine Bedürfnisse gestillt waren, fragte sie nach dem Grund seines Hierseins und er erzählte ihr alles. Cahaya hörte aufmerksam zu, fragte nach und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Du schläfst und ich höre mich um«, schlug sie vor.
In Ermangelung anderer Alternativen stimmte Dorchadas zu. »Sei vorsichtig.«
»Das wärst du mal besser gewesen.« Cahaya hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange und war in einer schnellen, anmutigen Bewegung im Wasser verschwunden.
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