Mut

"Ich hab's dir gesagt!" Die schneidende Stimme meiner Mutter hallte immer wieder durch meinen Kopf. Immer und immer wieder spukte das schmerzverzerrte Gesicht des kleinen Jungen durch mein Gesicht und der vorwurfsvolle Blick meiner Mom, krallte sich auch in meinen Gehirnzellen fest. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen um meine Tränen vor ihr zu verbergen. Ich wollte nicht, dass sie Angst bekam. 

„Sie hat doch gar keine Schuld! Er hat sie provoziert!" Wie oft hatte ich diesen Satz in der letzten Woche schon von mir gegeben? Und wie oft wurde ich ignoriert?
Ich zuckte zusammen als eine feuchte Schnauze an meiner Hand entlang Strich. Ich sah auf und blickte ihn die treuen, Bernstein Augen meiner Dobermannhündin.

„Ach Cora", seufzte ich und hielt mit mühe meine Tränen zurück. Ich ließ meine Finger durch ihr weiches, kurzes Fell gleiten und kraulte sie hinter ihrem Ohr. Ihre kurze Rute schlug begeistert während sie genüsslich die Augen schloss. „Warum hast du das getan?", fragte ich, wohlwissend, dass sie mir nicht antworten würde. Ich schluchzte leise auf und Cora legte ihre Vorderpfoten auf meinen Schoß. Sie streckte ihre Zunge aus und ‚putzte' damit mein Gesicht. Unwillkürlich musste ich lächeln und schob sie sanft beiseite. 

Warum nur musste sie dieser kleine Bengel so provozieren? Warum hatte er nicht aufgehört, als ich ihn gewarnt hatte? Immer wieder hat er an Coras Ohren gezogen und ihr auf das Rückgrat geschlagen. Cora ist ein sehr geduldiger Hund, der sich viel gefallen lässt, doch als der Blondschopf ihr schließlich das Maul öffnen wollte, um ihr Gebiss zu begutachten, war auch für sie der Spaß zu Ende. Ich konnte verstehen, dass sie zu gebissen hatte.
Jeder könnte das verstehen, wenn er dabei gewesen wäre. Aber dieser Junge musste natürlich die ganze Wahrheit verdrehen. Von wegen er habe nichts gemacht und Cora hätte grundlos zu gebissen.

Ich ballte vor Wut meine Hände zu Fäusten. Meine Knochen traten weiß hervor und meine Dobermann Hündin zuckte vor Schreck zurück.
„Weißt du eigentlich, was du mit diesem Biss angestellt hast? Es wird dir das Leben kosten!" Ich konnte nun meine Tränen nichtmehr zurück halten. Ich kippte vorneweg vom Bett und krümmte mich am Boden zusammen. Meine Haare verdeckten mein mit Tränen verschleiertes Gesicht, während ich immer wieder vor mich hin murmelte. Warum... Ja, warum.
Mein Blick viel auf die Schere auf meinem Nachttisch. Dann wanderten meine Augen zu Cora hinüber. Ein Leben ohne sie? Unvorstellbar. Ich wusste noch wie dieser Gedanke mich früher immer zum Ekel getrieben hat. Wie konnte man sich nur selbst so etwas antuen, hatte ich mich damals gefragt. Jetzt wusste ich es. Ich kroch langsam drauf zu und nahm den spitzten Gegenstand in die Hand. Ich ließ ihn über meine Haut gleiten. Hinterließ eine Spur von rotem, dickem Blut. 

Plötzlich kläffte Cora neben mir und ihre lange Zunge, verfolgte meine Blutspur. Ich sah auf, in ihre wunderschönen, ahnungslosen Augen und ich wusste, sie würde mich immer lieben. Sie würde mir bis in den Tod folgen, ohne zu wissen warum. Sie würde es nicht zulassen, dass ich sterbe und ich kann das auch nicht. Von wegen sie muss eingeschläfert werden! Ich packte meine Tasche, legte ihr ein Halsband um und verließ das Haus...

-Geschrieben am 11.02.2015-

552 Wörter


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Ich weiß, dass ich schon eine ähnliche Kurzgeschichte hochgeladen habe, aber ich hab ganz viele, die solch ein Thema betreffen.
Meine Hündin ist eine kleine Angstbeißerin (bzw. war es) und deswegen hatte ich oft die Angst, dass sie irgendwann eingeschläfert werden muss.
Das war meine Art die Angst zu bekämpfen :D


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